Zum Hauptinhalt springen

Die organisierte Kriminalität der Superreichen

erschienen in Clara, Ausgabe 40,

Multimilliardäre und internationale Konzerne bunkern in dubiosen Briefkastenfirmen in Steueroasen laut Oxfam 7,6 Billionen US-Dollar.

Im April enthüllte die Süddeutsche Zeitung das größte Datenleck der Geschichte: die sogenannten Panama Papers. Es handelt sich um 11,5 Millionen Dokumente (E-Mails, Briefe, Verträge, Urkunden, Bankauszüge), die aus der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca in Panama stammen. Die Kanzlei soll mehr als 14.000 Klienten bei der Gründung von rund 214.000 Briefkastenfirmen in 21 Steueroasen in der ganzen Welt geholfen haben.

Auch die Crème de la Crème des deutschen Kapitals taucht auf: die Familien Porsche und Piëch (Volkswagen), Quandt (BMW), Burda (Medien) und von Finck (Finanzen). Ihnen allen ist gemein, dass sie die zweifelhaften Vorteile von Briefkastenfirmen in Steueroasen nutzten oder sie bis heute nutzen.

Briefkastenfirmen bestehen oft lediglich aus einem Briefkasten und einem Anrufbeantworter. Die Eigentümer bleiben anonym, als Direktoren operieren Strohmänner. Als Steueroasen gelten Länder mit sehr niedrigen Steuern, geringen Auflagen für die Gründung von Firmen und Stiftungen und hoher Geheimhaltung. Die Britischen Jungferninseln, die Bahamas sowie die US-Bundesstaaten Nevada und Delaware sind Beispiele für Steueroasen in Übersee. In Europa gelten etwa Luxemburg, Liechtenstein, Monaco und die Schweiz als Steueroasen.

Zwar ist der Besitz einer Briefkastenfirma nicht illegal, solange Vermögen und Gewinne versteuert werden. Doch in vielen Fällen werden die anonymen Briefkastenfirmen genutzt, um die Gesetze zu brechen: Man verschleiert Eigentumsverhältnisse, verheimlicht Transaktionen und versteckt Vermögen oder Gewinne. Oft soll schlicht Kriminalität vertuscht werden: Briefkastenfirmen dienen dazu, Schwarzgeld zu waschen und Steuern zu hinterziehen.

Laut Oxfam werden gegenwärtig rund 7,6 Billionen US-Dollar in Steuerparadiesen gebunkert. Neun von zehn multinationalen Konzernen unterhalten Filialen in Steueroasen.

 

Deutschland bleibt Steuerparadies

Die Panama Papers weisen auch ins Herz des deutschen Kapitals. Mindestens 28 heimische Banken sollen mit der Rechtsanwaltskanzlei zusammengearbeitet haben. Allein die Deutsche Bank soll bei der Kanzlei aus Panama 426 Tarnadressen für Firmeneintragungen bestellt haben. Andere Großbanken, beispielsweise die Commerzbank und die HSH Nordbank, sollen Kunden dabei geholfen haben, Scheinfirmen in Steueroasen zu eröffnen. Der Verdacht liegt nahe, dass dabei Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet wurde.

Die Folgen für den Staat sind dramatisch: Jedes Jahr wird er um Steuereinnahmen in Milliardenhöhe betrogen. Experten schätzen, dass Deutschland jedes Jahr bis zu 100 Milliarden Euro durch Steuertricks entgehen. Finanzexperte Fabio De Masi, für DIE LINKE Mitglied im Europäischen Parlamet, fordert seit Langem, dass Banken, die wiederholt Beihilfe zur Geldwäsche leisten, die Lizenzen entzogen werden.

Die Steuerausfälle sind auch deshalb so hoch, weil internationale Konzerne mit Steuertricks ihre Steuern oft auf unter ein Prozent der Gewinne drücken – auch in Europa. Google, Ikea, Apple & Co. tricksen mit künstlichen Patent- und Lizenzgebühren, über die sie Gewinne nach Luxemburg, in die Niederlande oder nach Übersee verschieben. Hilfe erhält das Kartell der Steuervermeider von den EU-Finanzministern, die mit Gesetzen diesen Diebstahl legal machen.

So zahlte die Burger-Kette McDonald’s im Jahr 2013 nur 1,4 Prozent Steuern auf die nach Luxemburg verschobenen Gewinne. Und der Versandhändler Amazon, der den Großteil der in Europa gemachten Gewinne ebenfalls nach Luxemburg lenkte, soll dort jahrelang sogar weniger als 1 Prozent Steuern gezahlt haben. Ihren Aktionären können diese Konzerne deshalb hohe Gewinne ausschütten, weil sie extrem wenig Steuern zahlen.

Deutschland belegt übrigens Platz 8 auf der Rangliste der wichtigsten Schattenfinanzplätze der Welt, zwar hinter der Schweiz und den USA, aber deutlich vor Panama. Das belegen Recherchen der Experten des Netzwerks Steuergerechtigkeit. So hat sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gegen europäische Mindeststeuersätze gesperrt und Sanktionen gegen Steueroasen verhindert. Auch bei europäischen Verhandlungen über strengere Richtlinien zur Bekämpfung von Geldwäsche blockierte die deutsche Regierung und verweigerte mehr Transparenz und schärfere Gesetze. Bis heute leidet in Deutschland die Steuerfahndung unter Personalmangel, eine Bundespolizei zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität existiert nicht.

Spätestens seit den Panama Papers ist offenkundig: Es ist an der Zeit, die organisierte Kriminalität der Superreichen durch strenge Gesetze und scharfe Kontrolle zu bekämpfen.

Ruben Lehnert