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„Die Lohndrückerei muss aufhören“

Von Jutta Krellmann, erschienen in Clara, Ausgabe 34,

Weshalb der Mindestlohn erhöht und Leiharbeit verboten werden sollte, erläutert Arbeitsmarktexpertin Jutta Krellmann.

Wird der Mindestlohn, der nächstes Jahr kommt, etwas daran ändern, dass Deutschland den größten Niedriglohnsektor in Europa hat?   Jutta Krellmann: Nein, der Mindestlohn ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber 8,50 Euro pro Stunde reichen nicht aus. Selbst bei Vollzeitarbeit führt er zu Altersarmut.    Wie hoch sollte der Mindestlohn sein?   Er sollte mindestens 10 Euro pro Stunde betragen und für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Ausnahmen gelten. Grundsätzlich muss die bisherige Praxis, nämlich Löhne zu drücken, um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu erhöhen, endlich aufhören.    In Deutschland boomte viele Jahre lang die Leiharbeit, jetzt greifen Werkverträge um sich …    … weil Leiharbeit mittlerweile in geringem Umfang tariflich und gesetzlich reguliert wurde, weichen Unternehmen auf Werkverträge aus, die überhaupt nicht reguliert sind. Beide Beschäftigungsformen wollen wir einschränken.   Mit welchen Maßnahmen?   Bei der Leiharbeit muss gelten: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit plus zehn Prozent Flexibilitätsprämie. Langfristig gehört Leiharbeit abgeschafft. Und Werkverträge müssen stärker kontrolliert werden. Um zu verhindern, dass reguläre Beschäftigungsverhältnisse in Werkverträge umgewandelt werden, fordern wir ein Vetorecht für Betriebs- und Personalräte.   Psychische Krankheiten wie Burn-out nehmen nachweisbar zu. Worin sehen Sie die Ursache?   Viele Menschen empfinden ihre Arbeit als im negativen Sinne stressig, weil sie nicht beeinflussen können, was sie wann und wozu tun müssen. Hinzu kommen Arbeitszeitverdichtung, Leistungsdruck, die Tendenz zur permanenten Erreichbarkeit und vieles mehr. Diese Art von Stress kann krank machen.    Wie wollen Sie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besser schützen?   Arbeitsschutz wird durch Richtlinien und Verordnungen definiert, die beispielsweise die zulässige Temperatur, Lautstärke oder Raumgröße bestimmen. Deshalb ist eine Anti-Stress-Verordnung, wie die IG Metall sie fordert, so wichtig. Über diesen Weg erhalten Betriebs- und Personalräte mehr Rechte, Ursachen für psychische Erkrankungen in Betrieben und Verwaltungen zu untersuchen und betrieblich auf Abhilfe zu drängen. Genauso wie Arbeit kann übrigens Arbeitslosigkeit krank machen: Auch erwerbslose Menschen haben oft das Gefühl, nicht mehr frei über ihr Leben bestimmen zu können, sondern den Zwängen und Schikanen der Jobcenter ausgeliefert zu sein. Hier braucht es jedoch keine Anti-Stress-Verordnung, sondern die Abschaffung der Sanktionen und ein Recht auf Arbeit und Ausbildung.   Warum kritisiert DIE LINKE, dass fast jeder zweite Arbeitsvertrag, der abgeschlossen wird, zeitlich befristet ist?   Befristete Arbeitsverträge verhindern, dass Menschen ihr Leben planen können. Das betrifft die berufliche, aber auch die persönliche Zukunft: Kann ich Kinder kriegen, einen Kredit für ein Haus aufnehmen, am Warnstreik teilnehmen? Es ist deshalb höchste Zeit, gesetzlich zu verbieten, dass Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund befristet werden können.   Jutta Krellmann ist Sprecherin für Arbeit und Mitbestimmung der Fraktion DIE LINKE