Zum Hauptinhalt springen

„Deutschland ist kein Hochsteuerland“

erschienen in Klar, Ausgabe 9,

Interview mit Astrid Kraus. Die Wirtschaftswissenschaftlerin und Steuerberaterin ist Mitautorin des Konzeptes zur „Solidarischen Einfachsteuer“ von Attac, ver.di und IG Metall.

Was halten Sie von dem Vorschlag, die Unternehmenssteuer zu reformieren und dadurch 22 Milliarden Euro zusätzlich einzunehmen?

Astrid Kraus: Er ist machbar. Und notwendig. 22 Milliarden Euro zusätzliche Steuern bedeuten nicht den Ruin der deutschen Wirtschaft. Kein Unternehmen wird nur wegen der Steuern Leute rausschmeißen oder ins Ausland gehen.

Aber die Wirtschaft droht ständig damit!

Astrid Kraus: Ja, weil die Drohgebärde bei Regierungen wirkt: In den letzten 15 Jahren ist der Körperschaftsteuersatz, also die -Steuer auf Gewinne von Kapitalgesellschaften, von 56 Prozent auf 15 Prozent gesenkt worden.

Wieso beklagt sich in Deutschland vor allem die Mittelschicht über die hohe Einkommenssteuer?

Astrid Kraus: Auch sie ist seit den 1990er Jahren steuerlich entlastet worden. Aber sie muss die Steuern, die sie nach dem Gesetz schuldet, auch tatsächlich bezahlen, meistens über die Lohnsteuer. Bei hohen Einkommen sieht es anders aus: Der Durchschnittssteuersatz der Spitzeneinkommen liegt gerade einmal bei 22 Prozent - und das nur von den Einkommen, die auch angegeben werden!

Was schlagen Sie vor, damit Reiche nicht länger ihre Steuerschuld künstlich niedrigrechnen können?

Astrid Kraus: Die Steuersparmodelle müssten effektiver bekämpft werden. Voraussetzung dafür ist, dass das Bankgeheimnis abgeschafft wird.

DIE LINKE will den Spitzensteuersatz auf 50 Prozent erhöhen. Geht das nicht auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit?

Astrid Kraus: Deutschland ist kein Hochsteuerland. Der Spitzensteuersatz ohne Reichensteuer beträgt gerade mal 44 Prozent. In Skandinavien liegt der -Spitzensteuersatz deutlich über 55 Prozent, Belgien und Holland liegen zwischen 50 und 55 Prozent. Deutlich weniger als in Deutschland zahlt man nur in den seit 2004 der EU beigetretenen Staaten.