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Der Kandidat ist eine Frau

erschienen in Querblick, Ausgabe 5,

Von der geliebten First Lady zur verhassten Präsidentschaftskandidatin

»Weil sie eine Frau ist«, antwortet eine Wahlkampfmanagerin von Hillary Clinton auf die Frage, aus welchem Grund Clinton die Präsidentschaftswahlen am 4. November 2008 verlieren könnte. Im Rennen innerhalb der Demokratischen Partei um die Spitzenkandidatur liegt sie weit vorn. Und alle rechnen nach dem Bush- Cheney-Debakel damit, dass der nächste Präsident ein Demokrat wird. Es sei denn, der Kandidat heißt Hillary Clinton.

Einerseits wollen überproportional viele Frauen Clinton wählen. Andererseits wird niemand so heftig abgelehnt wie sie: von Republikanern, von Männern und von linken Feministinnen. Einige ihrer lautstärksten Befürworterinnen als First Lady haben sich gegen ihre Präsidentschaftskandidatur zu Hillary resisters zusammengeschlossen. Filmemacherin Nora Ephron (Schlaflos in Seattle) meint, Hillary gehöre zu denjenigen, »die alles tun würden, um zu gewinnen; die der Meinung sind, dass man keine Position beziehen kann, bevor die sich nicht als absolut konsensfähig erwiesen hat«. 1993 hatte sie noch erklärt, sie liebe Hillary Clinton so total, dass diese »mindestens das Weiße Haus anzünden müsste, bevor ich je etwas Schlechtes über sie sage«.

Am stärksten kreiden ihre resisters ihr an, dass Senatorin Clinton 2002 für den Irak-Krieg gestimmt hat. Ihr Wahlkampfteam meint aber, ihr innerparteilicher Rivale John Edwards werde nicht kritisiert, obwohl er genauso gestimmt hat. »Von einer Frau erwarten wir mehr«, gibt Medea Benjamin, Gründerin der Anti-Kriegs-Gruppe Code Pink, ihnen Recht. Der Diskurs über Gender und politische Macht in den USA hat sich verändert seit der Zeit, in der Hillary als selbsternannte »Ko-Präsidentin« ins Weiße Haus einzog. »Die Ambivalenz von Hillarys Kandidatur hat … zu tun mit der gewachsenen Skepsis über den Wert, an die Spitze zu gelangen«, schreibt Lakshmi Chaudhry in The Nation. George W. Bush hat Frauen auf einige der einflussreichsten Posten derselben Regierung gehievt, die Frauen- und Bürgerrechte systematisch abgebaut hat. Da scheine der Wir-wollen-eine-Frau-im-Weißen-Haus-Kram wie abstrakter middle-class Luxus, meint Jaclyn Friedman vom Center For New Words.

Niemand beherrscht das Spiel mit der Macht besser als Clinton. Sie verspricht in Wahlkampfreden, »die Nation zu schützen«, im Zweifel auch auf Kosten der Menschenrechte. In einem Land, in dem die Angst vor dem Terrorismus die Grenze zur Hysterie überschreitet, muss sie stärker erscheinen als jeder Mann es müsste. Das Dilemma für Hillary Clinton könnte darin bestehen, progressive Wähler und Wählerinnen so zu enttäuschen, dass sie nicht wählen gehen. Karin Gabbert