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Der 8.März und ein Blick nach drüben

erschienen in Querblick, Ausgabe 11,

Vor 30 Jahren herrschte eine Zeit der Reformdiskussionen in der alten Bundesrepublik. Wie geht es Kindern, Schülern, Studenten, Frauen, Arbeitern? Die Lebensverhältnisse der Frauen waren ein Thema, das ich als Autorin immer wieder aufgriff. Internationale Vergleiche spielten dabei eine bedeutende Rolle. Die skandinavischen Länder waren Vorbilder für uns. Und die sozialistischen Länder auch!

Wir entdeckten in ihnen Lern-, Qualifikations-, Arbeits- und Gleichberechtigungsbedingungen, die wir gern auch in der BRD gehabt hätten. Darüber wollte ich in der DDR einen Film machen. 18 Monate später durfte ich zu den »Schwestern« in die DDR reisen. Das Schöne war die Neugierde auf beiden Seiten. Wir fanden die Einblicke und die Eindrücke, die uns die »ausgesuchten« Frauen und ihre Familien gewährten: authentisch, alltäglich, wahr – innerhalb des Systems DDR.

Dass die DDR keine Demokratie war, wussten wir, wussten unsere Zuschauer. Der Film lief schließlich am 10. April 1981 im Abendprogramm der ARD mit großem Erfolg. Mein Schlusskommentar lautete: »Für Frauen dort wie hier ist es da schon ein großer Fortschritt, wenn die Arbeit außer Haus gerecht entlohnt, mit Aufstiegschancen verbunden und anerkannt wird von der Gesellschaft – und die unbezahlte Arbeit im Haus wenigstens teilweise erleichtert«. Wegen dieser Frauen wurde der Film gemacht und erlaubte das Kennen-lernen von tüchtigen, sympathischen, aufgeschlossenen Menschen und ihren Familien aus dem »anderen Deutschland«.  

Unter der Überschrift »Casting durch SED und MfS« wird mir als Autorin in einer Studie der FU Berlin im Auftrag der ARD über »Die auf den Rundfunk bezogenen Aktivitäten des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR« vorgeworfen, mit »von amtlichen Betreuern« und vorbereiteten »DDR-Darstellern« eine inszenierte Wirklichkeit als Alltag in Form einer Dokumentation hergestellt zu haben, die nichts weiter als ein Stück MfS-Propaganda gewesen sei. Diesen Vorwurf fand ich ehrabschneidend und vor allem denunziatorisch gegenüber den Frauen und ihren Familien im Film. Ich fand 25 Jahre später bis auf eine Ausnahme alle »DDR-Darstellerinnen und -Darsteller« wieder.
Erstaunlich: Alle erinnerten sich an die Dreharbeiten und alle erklärten sich sofort bereit, sich zusammen mit dem Film in öffentlichen Diskussionen 2007 und 2008 zu stellen, jeweils am 8. März. Fazit: Natürlich sind sie ausgesucht bzw. gefragt worden – vom Betrieb, von der Kreisärztin, vom Vorstand der LPG, ob sie dem West-Fernsehen Interviews geben wollten.

Ende 2008 erschien das Buch »Operation Fernsehen – Die Stasi und die Medien in Ost und West«, eine Kurzfassung der ARD-Studie, und unter dem glanzvollen Titel »Irreführung einer Betörten« widmen die Autoren Jochen Staadt, Tobias Voigt und Stefan Wolle mir und dem Film von 1981 wieder ein ganzes Kapitel und drehen die Vorwurfsschraube weiter: »Gestellte Szenen«, »Vorführung eines verständigen DDR-Mannes«, »sozialistische Musterärztin«, »heile DDR-Welt« heißt es da. Während im Forschungsbericht für die ARD noch andere schlimme Beispiele vom »Frauenparadies DDR« zitiert wurden, bleibt im publizierten Buch nur ein einziger Fall übrig: dieser Film vom 8. März 1981 von der vom MfS damals schon »betörten« Luc Jochimsen und heutigen Bundestagsabgeordneten der LINKEN. Eine Verstrickung mit dem MfS war nicht nachzuweisen, dafür frühe »Betörung«. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Luc Jochimsen, MdB, Kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion