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Datenklau und Datenmissbrauch

erschienen in Clara, Ausgabe 46,

Wer kennt das nicht: endlos lange AGBs von Online-Diensten oder Smartphone-Apps, die wir akzeptieren, ohne sie gelesen und verstanden zu haben. Wir setzen das Häkchen, weil wir sowieso nichts auswählen dürfen, aber eine bestimmte App nutzen wollen – ohne Häkchen geht das nicht. Wir erlauben so Zugriff auf viele Daten, auch solche, die für den Betrieb der App unnötig sind. Sie werden gesammelt, verkauft oder für Werbung verwendet. Mit jedem Klick ergänzen wir die Profile, die Unternehmen über uns anlegen.

Nachdem immer neue Skandale rund um Datenmissbrauch publik wurden, mehren sich Aufforderungen, Dienste wie Facebook nicht zu nutzen. Würden wir beim Straßenverkehr sagen: Dann geh nicht auf die Straße, wenn du Angst vor Verkehrsrowdys hast? Im Verkehr verlassen wir uns auf Regulierung und ihre Durchsetzung, denn ein Verzicht auf Mobilität ist zu Recht unangemessen. Soziale Netze sind heute öffentliche Räume. Wer sie nicht nutzt, zahlt einen sozialen Preis, ist von Vernetzung und Debatten ausgeschlossen. Deshalb muss Regulierung Verbraucherinnen und Verbraucher schützen und den Wettbewerb fördern. Heute haben alternative Netzwerke kaum eine Chance, weil man dort Bekannte und Verwandte nicht findet. Der Netzwerkeffekt sperrt uns in Monopole wie Facebook ein. Wo die anderen sind, wollen wir ja auch sein. Umso wichtiger ist es, Verbraucherschutz auch digital durchzusetzen.

Nationalstaatlich lässt sich nur begrenzt agieren, aber wenn die EU für ihre halbe Milliarde Menschen Verbraucherschutzregeln erlässt, werden sich auch Monopole daran halten müssen. Wir sehen das an der Datenschutz-Grundverordnung, die seit Mai 2018 gilt und digitale Anbieter verpflichtet, ihre AGBs einfacher zu schreiben, mehr Wahlmöglichkeiten anzubieten und den Schutz der Privatsphäre als Grundeinstellung in Apps zu liefern. Verstöße kosten nun 4 Prozent vom Umsatz, was Firmen wie Facebook und Google empfindlich schmerzen wird. Geld ist leider die einzige Sprache, die diese Konzerne verstehen. Weil es an effektiver Regulierung fehlte, konnten sie unvorstellbare Marktmacht entwickeln. Monopole neigen dazu, ihre Marktmacht zu missbrauchen. Deshalb muss ihre Größe rechtlich wie technisch begrenzt werden. Es ist nicht gut, wenn ein einzelnes Unternehmen über zwei Milliarden Kunden hat – so wie Facebook. Und dennoch durfte es WhatsApp und Instagram kaufen und seine Vormacht ausbauen, denn die geltenden Richtlinien waren nicht an das digitale Zeitalter angepasst.

Übergroße Digitalmonopole zu zerschlagen, ist leider schwer durchsetzbar. Aber auf EU-Ebene ließe sich ein Zwang zur Interoperabilität, also zu offenen, standardisierten Schnittstellen, durchsetzen. Wenn offene Standards sicherstellen, dass man über Netzwerkgrenzen hinweg Informationen mit Freunden teilen kann, werden viele User vielleicht eher bei gemeinnützigen sozialen Netzwerken ihr Hauptkonto unterhalten, wo auch ihre Privatsphäre respektiert wird. Das große Potenzial des Internets für das Gemeinwohl lässt sich nur dezentral realisieren, nicht über zentralistisch agierende Monopole, deren Geschäftsmodell die Maximierung von Werbeeinnahmen durch Profilbildung auf Basis unserer Daten ist. Deshalb müssen solche Geschäftsmodelle beschränkt und die intransparente Profilbildung zu Werbezwecken muss verboten werden. Barrieren für alternative Angebote muss der Gesetzgeber abbauen. Es ist spät, aber nicht zu spät, damit anzufangen.

Anke Domscheit-Berg ist netzpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE