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Das Märchen von der Griechenlandrettung

erschienen in Clara, Ausgabe 21,

Was sollte mit dem jüngsten Rettungspaket nicht alles gerettet werden: Die Griechen und Griechinnen, der Euro, ja selbst Europa als große Einheit schien noch vor wenigen Monaten auf dem Spiel zu stehen. Als nach zähen Verhandlungen dann im Sommer das 109-Milliarden-Euro-Paket beschlossen wurde, feierten die EU-Finanzminister die Rettung Europas. Börsenhändler sprachen vom »Befreiungsschlag«, und Kanzlerin Merkel erklärte mit ernster Miene, man helfe den Griechen, und es sei die historische Aufgabe, den Euro zu schützen. Nur ein Wort fiel in diesem Zusammenhang nicht: Bankenrettung.

Doch selbst international anerkannte Experten aus der Finanzbranche brachten dieses Wort ins Spiel. In einer Analyse der US-Bank J.P. Morgan heißt es: Bei der Griechenlandrettung handle es sich vor allem um einen Transfer europäischer Steuergelder an Banken. Auch der Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz stellte fest: Die Europäische Union rette nicht Griechenland, sondern die deutschen Banken. Man getraue sich nur nicht, offiziell davon zu sprechen. Selbst der berühmte US-Vermögensverwalter Barry Ritholtz forderte in einem Text: »Wann immer Sie Diskussionen über Rettungspakete hören, achten Sie darauf, wem tatsächlich geholfen wird. Es sind nicht die Griechen oder sogar die griechische Regierung. Es sind die Kreditgeber Griechenlands – Banken und Versicherungen.«

Steuerzahler haften mit 465 Milliarden Euro

Um was geht es also? Ein kurzer Blick zurück: Vor gut einem Jahr war der griechische Staat quasi pleite. Das Land erhielt nirgends mehr Geld, jedenfalls nicht, ohne dafür untragbar hohe Zinsen zu zahlen. Zu diesem Zeitpunkt schuldete der griechische Staat den Banken – allen voran deutschen und französischen Banken – mehr als einhundert Milliarden Euro, eine Summe, die die Banken im Falle einer Staatspleite nicht mehr zurückbekommen hätten.

Just in diesem Moment sprangen der IWF und die Staaten der Eurozone ein und stellten Griechenland Kredite in Höhe von 110 Milliarden Euro zur Verfügung. Damit konnte das Land fortfahren, seine Kredite zu tilgen und Zinsen an Banken und private Gläubiger zu zahlen. Ein Jahr später drückten die verordneten Kürzungsmaßnahmen – Senkung der Renten, Sozialausgaben und Löhne – das Land in eine tiefe Rezession, das Bruttoinlandsprodukt fing heftig an zu schrumpfen. Jetzt schmierten die griechischen Staatsanleihen noch mehr ab.

Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Banken schon ein gutes Stück gerettet. Allein bis Ende 2010 war es ihnen dank der EU-Gelder gelungen, ihre Kredite an Griechenland um 39 Milliarden Euro zu reduzieren, auch deswegen, weil die Europäische Zentralbank (EZB) einen großen Teil der faulen Papiere den Banken abkaufte. Ganz nebenbei wurden die europäischen Bürgerinnen und Bürger so für die faulen Papiere haftbar gemacht, denn für Verluste der EZB müssen sie am Ende herhalten. 

Aber die Banken waren noch nicht aus dem Schneider. Sie hatten Anfang 2011 immer noch hohe Forderungen an Griechenland. Von den EU-Regierungschefs wurde im Sommer das nächste Rettungspaket über 109 Milliarden Euro verabschiedet. Davon sind 75 Milliarden Euro direkt zur Stützung von Finanzinstitutionen und lediglich 34 Milliarden Euro zur Refinanzierung des griechischen Staates vorgesehen. Damit nicht genug: Die im selben Moment angekündigte Beteiligung der Banken entpuppte sich kürzlich als Schmierentrick der Regierung. Sie ist im Kern die finale Rettungsaktion für den Finanzsektor. Durch sie können die Banken ihre Ramschanleihen in sichere Anleihen tauschen. Der europäische Steuerzahler spendiert den Banken ein Pfand, auf das die Banken bei einer Pleite Griechenlands zurückgreifen können. Die Darstellung der Bundeskanzlerin, dass durch den Tausch die privaten Gläubiger auf 21 Prozent ihrer Forderungen verzichten, ist eine Täuschung der Öffentlichkeit. Die Banken können ihre Ramschanleihen 1:1 in sichere umtauschen. Kein Wunder, das Modell für den Tausch stammt von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann. Im Klartext: Das, was Angela Merkel der Öffentlichkeit als Verlust der Banken darstellt, ist in Wirklichkeit ein weiteres großes Milliardengeschenk.

Nachdem die Banken durch die »Gläubigerbeteiligung« endgültig im Fall Griechenlands rausgehauen wurden, deckte Spiegel online auf, dass man im Bundesfinanzministerium nun die Pleite Griechenlands ausrechne. Einen Tag später wiederum diskutierten CDU-, FDP- und CSU-Politiker sogar den Austritt Griechenlands aus der EU-Währungsunion.

Für wen eine Pleite jetzt noch gefährlich ist, das veröffentlichte die konservative FAZ: Allein die deutschen Steuerzahler seien durch die Regierung für die EU-Rettungspakete mittlerweile für mehr als 465 Milliarden haftbar gemacht worden. Raus aus dem Schneider sind im Fall der Fälle nur die Banken.