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Das Land der Freien und Gleichen

erschienen in Clara, Ausgabe 24,

Über das Erbe des Reformators Thomas Müntzer diskutierten in der Kornmarktkirche im thüringischen Mühlhausen Persönlichkeiten aus Politik, Theologie und Wissenschaft auf der Veranstaltung »Kultur neu denken«.

 

Hinter dem Podium prangte das Konterfei des Reformators Thomas Müntzer: ein einsamer Verlierer inmitten des Schlachtgetümmels, ein müder Held. Der Ausschnitt aus dem Gemälde des Leipziger Malers Werner Tübke vom Schlachtberg in Bad Frankenhausen passte zum Thema »Macht, Reformation, Freiheit«, über das Mitte Mai im heutigen Bauernkriegsmuseum diskutiert wurde. Eingeladen hatten Luc Jochimsen, Mitglied der Fraktion DIE LINKE, und Birgit Klaubert (DIE LINKE), Vizepräsidentin des Thüringer Landtags.

Was hätte Thomas Müntzer, der vor fast 500 Jahren die Macht infrage stellte, heutigen Politikern zu sagen? Darüber diskutierten in zwei großen Runden unter anderem der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler, der einstige Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, Reinhard Höppner, der Rabbiner Walter Homolka, die Theologin Margot Käßmann sowie der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag, Bodo Ramelow. Margot Käßmann verwies darauf, dass man die Friedensfrage nicht im Munde führen könne, ohne die Frage nach Gerechtigkeit zu stellen, und diese nicht beantworten wird, ohne die Frage nach der Bewahrung der Schöpfung auf die Tagesordnung zu heben. Da sei einer wie Müntzer eine Reibungsfläche.

In der Runde »Thomas Müntzer und die Politik« näherte sich Peter Gauweiler Müntzers Vorstellung eines Reichs der Auserwählten kritisch. Er verband dies mit der Erinnerung an die historisch verhängnisvolle Perversion dieser Idee im 20. Jahrhundert. Seine Auseinandersetzung mit einem wie Müntzer: die Bestätigung, dass der Unterschied als Wert anerkannt werden müsse; dass jede Meinung und jedes Wollen Teil eines Ganzen sei und nicht diffamiert werden dürfe. Das gelte auch für die Politik.

Höppner knüpfte an die Fehlbarkeit Müntzers an: Man dürfe niemandem, der suche, unterstellen, er liefe in die falsche Richtung. Und er stellte die Frage, wie Müntzers Utopie einer Gesellschaft der Freien und Gleichen in die heutige Zeit hinüberzuretten sei. Bodo Ramelow attestierte Gauweiler, dass er gut daran getan habe, in Zeiten von Bankenkrise und durchs Parlament gepeitschter Bankenrettung zum Verfassungsgericht zu gehen, weil das Parlament ausgehebelt worden sei. Dass Politik nur noch gut sein könne, wenn sie Teil eines Bündnisses werde mit jenen, die Schaden davon haben, dass ungehemmt spekuliert und lohngedrückt werde. Ramelows theologischer Bezug war dabei die Abwandlung eines Paulus-Zitats: Tu nichts aus Eigennutz, sondern für andere. Gauweiler fügte schließlich angesichts einer kontroversen, aber produktiven Veranstaltung hinzu: »Die Macht des Wortes führt uns immer wieder zusammen. Das ist gut.«