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Das große Zittern um den nächsten Zeitvertrag

erschienen in Klar, Ausgabe 37,

Immer mehr Beschäftigte haben nur zeitlich befristete Arbeitsverträge und dadurch viele Nachteile. DIE LINKE will diese Entwicklung stoppen.

Judith Hoffmann ist bestens ausgebildet, dennoch muss sich die 37-jährige Sozialwissenschaftlerin von Vertrag zu Vertrag hangeln. Von der renommierten Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf erhielt sie in den vergangenen sechs Jahren nur zeitlich befristete Verträge. „Am Anfang fand ich das nicht so schlimm“, sagt sie, „doch irgendwann machte mir die Unsicherheit große Sorgen.“    So wie Judith Hoffmann geht es immer mehr Menschen. Mittlerweile haben rund 2,7 Millionen Menschen befristete Arbeitsverträge. Das sind dreimal so viele wie vor zwei Jahrzehnten. Bei neu abgeschlossenen Arbeitsverträgen ist mittlerweile fast jeder zweite befristet. Besonders betroffen sind junge Menschen unter 35 Jahren. Auch unter Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund ist der Anteil der Befristungen höher als in der Gesamtbevölkerung. Befristet Beschäftigte erleiden viele Nachteile. Judith Hoffmann erzählt von der Schwierigkeit, bei einer Bank einen Kredit für einen Wohnungskauf zu erhalten. Einer Kollegin, ebenfalls mit befristetem Job, sei in einem Elektromarkt sogar ein Haushaltskredit für eine neue Waschmaschine verweigert worden.    Was Arbeitgeber besonders freut: Befristungen schwächen die Kampfkraft und Verhandlungsmacht von Gewerkschaften und untergraben die Mitbestimmung. Wer um den nächsten Vertrag bangt, äußert seltener Kritik, verzichtet auf die Unterstützung des Betriebsrats und zögert, sich an Streiks zu beteiligen.    Das Problem ist das Teilzeit- und Befristungsgesetz. Es bietet Unternehmen und Verwaltungen die Möglichkeit, Dauerarbeitsplätze legal durch Zeitverträge zu ersetzen. Sie können beispielsweise Gründe, die sie für eine Befristung anführen, kombinieren: Beschäftigte bleiben so über einen langen Zeitraum, manche sogar dauerhaft, in Kettenbefristungen gefangen.  Zudem dürfen Unternehmen Beschäftigte für die Dauer von zwei Jahren ohne Angabe konkreter Gründe befristet einstellen. Die Zahl dieser sachgrundlosen Befristungen ist in den Jahren 2001 bis 2013 von etwa 550.000 auf 1,3 Millionen gestiegen.    Mit der Kampagne „Das muss drin sein.“, die im Mai gestartet wurde, will DIE LINKE auf diese Missstände aufmerksam machen und unbefristete Arbeitsverhältnisse wieder zur Regel machen. Weniger befristete Arbeitsverträge bedeuten mehr gute Arbeit. Ein unbefristeter Arbeitsvertrag ist eine Voraussetzung, um für die Zukunft planen zu können. Deshalb hat DIE LINKE schon mehrere Anträge in den Deutschen Bundestag eingebracht, in denen unter anderem die Abschaffung von sachgrundlosen Befristungen und Kettenbefristungen gefordert wird.   Auch Judith Hoffmann wehrt sich gegen befristete Arbeitsverträge. Sie hat mit ihren Kolleginnen und Kollegen über das Problem gesprochen. Gemeinsam haben sie den Personalrat kontaktiert, einen Aushang an der Uni gemacht und eine Informationsveranstaltung organisiert. Ende September ist ihr Vertrag, der insgesamt zwölfmal verlängert wurde, ausgelaufen. Jetzt klagt sie mithilfe der Gewerkschaft ver.di auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag.     Und was fordert DIE LINKE?   1. DIE LINKE fordert die Streichung der „sachgrundlosen Befristung“ aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz.   2. DIE LINKE will Befristungen auf ein unvermeidbares Maß reduzieren. Sie verlangt die Streichung des Sachgrundes „Befristung zur Erprobung“. Bei öffentlicher Finanzierung soll die Befristung der Haushaltsmittel kein Grund mehr für die Befristung von Arbeitsverträgen sein.   3. DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass spätestens jeder dritte Vertrag beim selben Arbeitgeber ein unbefristeter Vertrag sein muss. Denn wenn eine Arbeitskraft mehr als zweimal einen Vertrag erhält, kann ihr Einsatz als regelmäßig und dauerhaft angesehen werden.