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"Bundeswehr unterstützt Drogenbarone"

erschienen in Clara, Ausgabe 26,

Anfang September 2009 starben in der Nähe von Kunduz 137 Zivilisten bei einem Luftangriff, der von einem Oberst der Bundeswehr angefordert worden war – es war der verheerendste Einsatz der Bundeswehr seit dem Zweiten Weltkrieg. Rechtsanwalt Karim Popal reiste mehrfach in die Region, traf sich mit den Familien der Opfer und machte sich für eine angemessene Wiedergutmachung für die Hinterbliebenen stark. Karim Popal, Anwalt der Opfer von Kunduz, im Interview

Wie geht es den Hinterbliebenen heute?

Karim Popal: Den Familien der Opfer geht es sehr schlecht. Insbesondere die Waisen und Witwen sind in einer verzweifelten Lage. Zum Beispiel suchen wir weiterhin Waisenhäuser, die Kinder aufnehmen können.

Wie verhält sich die Bundesregierung?

Die Regierung stellt sich nicht ihrer Schuld und verweigert Wiedergutmachung. Dadurch hat sie die Opfer gezwungen, Klage zu erheben. Diese Klagen sind noch immer vor dem Landgericht Bonn anhängig.

Um diese Klage vorzubereiten und die Hinterbliebenen zu unterstützen, sind Sie mehrfach auf eigene Kosten nach Afghanistan gereist. Wie haben Sie in Kunduz die Präsenz der Bundeswehr erlebt?

Rund um die Bundeswehrstandorte in Kunduz sind afghanische Soldaten und Milizen zum Schutz stationiert. Es besteht dort eine enge Zusammenarbeit zwischen verhassten afghanischen Kommandanten, der korrupten Regierung und Milizen, die schikanieren und vergewaltigen. Auf diese Weise unterstützt die Präsenz der Bundeswehr Kriegsverbrecher, Drogenbarone und Milizen.

Offiziell soll die Bundeswehr bis zum Jahr 2014 aus Afghanistan abziehen. Gleichzeitig wird ein fortdauernder Einsatz der Bundeswehr, auch von Kampftruppen, über das Jahr 2014 hinaus nicht ausgeschlossen.

Es gibt begründete Anhaltspunkte, dass zumindest Berater der Armee in Afghanistan bleiben sollen. Ein vollständiger Abzug der Bundeswehr stünde im Widerspruch zu den Interessen der USA, die offensichtlich beabsichtigen, einen dauerhaften Militärstützpunkt in Afghanistan vorzuhalten. Die strategische Lage Afghanistans ist für die USA sehr wichtig aufgrund der Nachbarschaft zu China, Iran und den nördlich angrenzenden Ölgebieten. Ich kann nicht glauben, dass die Bundesregierung ihren Verbündeten, die USA, in diesem politischen Ziel allein lässt.

Würde denn ein vollständiger Truppenabzug die Situation in Afghanistan verbessern?

Wir Afghanen sind in der Lage, unser Problem allein zu lösen. Zahlreiche afghanische Organisationen sind zusammengekommen, um Wege zum Frieden zu diskutieren. Versöhnung ist allerdings nur möglich, wenn die Besatzer Afghanistan vollständig verlassen.

 

Das Interview führte Alexander King.