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Alles Extremismus? Antifaschismus unterstützen, nicht kriminalisieren

Von Ulla Jelpke,

Liebe Leserinnen und Leser,

die notwendige Arbeit gegen Nazis und die NPD, gegen Rassismus und Antisemitismus steht seit mehr als einem Jahr massiv unter Druck. Denn die konservative Bundesregierung und allen voran die Familienministerin Kristina Schröder (CDU) setzen zunehmend Neofaschisten mit linken Aktivisten gleich, verunsichern engagierte Antifaschistinnen und Antifaschisten und behindern zunehmend die wichtige Arbeit antifaschistischer Projekte. Mit der Schwächung der demokratischen Zivilgesellschaft droht ein Wiedererstarken der extremen Rechten. Diejenigen, die seit Jahren aktiv gegen Neofaschismus in Kommunen und ländlichen Regionen vorgehen, werden inzwischen von der Bundesregierung selbst unter »Extremismus«-Verdacht gestellt. Warum sonst soll ihnen ein schriftliches Bekenntnis (»Extremismusklausel«) zur freiheitlich demokratischen Grundordnung abverlangt werden? Dieses schriftliche Bekenntnis  wird ab dem 1. Januar 2011 vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend auf Betreiben der Ministerin Schröder zur Bedingung für die Bewilligung von Projektmitteln für die Arbeit gegen Rechts gemacht. Initiativen gegen Rechtsextremismus müssen dementsprechend sogar ihre Partner in der Arbeit gegen Nazis darauf hin überprüfen, ob diese womöglich »extremistisch« sind. Diese Politik der Gesinnungsschnüffelei hat Folgen. Etliche Initiativen haben aufgrund der Extremismusklausel keine Anträge auf Förderung mehr gestellt. Viele engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die seit Jahren in Projekten gegen die extreme Rechte aktiv waren, ziehen sich resigniert zurück. Währenddessen frohlockt die NPD über die Knüppel, die Frau Schröder den Projekten gegen Rechts zwischen die Beine wirft.DIE LINKE hingegen will Antifaschismus entkriminalisieren und im Kampf gegen Nazis, Rassismus, Antisemitismus und Rechtspopulismus unterstützen.

 

Mit solidarischen Grüßen

Ihre Ulla Jelpke

 

Hintergrund der Extremismusdebatte

Die Gleichsetzung von rechts und links unter dem Stichwort »Extremismus« ist nicht neu, erfreut sich aber gegenwärtig einer neuen Konjunktur. Ziel dieser Bundesregierung und des von ihr vertretenen Extremismusansatzes ist es, jede Form von radikaler linker Kritik zu kriminalisieren und mit Neofaschismus, Rassismus und Antisemitismus auf eine Stufe zu stellen. Dies bekommt nicht nur eine Partei wie DIE LINKE zu spüren, deren radikale Kritik an Kapitalismus und den Verwerfungen des Wirtschaftssystems regelmäßig zu Einträgen im Verfassungsschutzbericht, zur Überwachung ihrer Abgeordneten und der Einordnung als »extremistisch« führt.

Viele andere Initiativen sind ebenfalls betroffen: 
So hat z. B. die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen (VVN-BdA), selbst immer mal wieder mit dem Vorwurf des Links
extremismus konfrontiert, auf einen Antrag im Rahmen des Bundesprogramms verzichtet, um die (Un-)Kultur des Verdachts nicht weiter zu legitimieren. Folge: 
Die geplante Verlegung von Stolpersteinen zur Erinnerung an NS-Opfer kann in Berlin nicht erfolgen. Die in München ansässige und mehrfach ausgezeichnete Antifa-Recherchestelle a. i. d. a. wurde aufgrund ihrer Nennung im Verfassungsschutzbericht des Landes Bayern aus den Landesprojekten gegen Rechtsextremismus geworfen und ihr damit die Förderung entzogen. Obwohl der bayrische Verwaltungsgerichtshof später feststellte, dass der Verfassungsschutz das Projekt ohne jeden Anhaltspunkt als linksextremistisch eingestuft habe und dieser Eintrag zu streichen sei, gab es für a. i. d. a. kein Zurück ins Landesprogramm gegen Rechts.

 

Extremismusansatz: Was ist das?

Rechts und links werden, wenn sie mit dem Schlagwort »Extremismus« belegt werden, von den Vertretern des Extremismusansatzes als wesensgleiche Angriffe auf den demokratischen Verfassungsstaat gesehen. Unterschieden wird zwischen der demokratischen Mitte, die als einzig legitimer politischer Raum angesehen wird und den davon abweichenden Extremen rechts und links. Nicht die Inhalte eines »Rechts-« oder »Linksextremismus« sind für die Bewertung als extremistisch entscheidend, sondern die behauptete Distanz zum demokratischen Verfassungsstaat.Nicht die Inhalte sondern das formale Bekenntnis zum diesem Verfassungsstaat sind der Maßstab. Was taugt aber eine politische Bewertung, 
die nicht über Inhalte redet?

 

  • Rassismus, Nationalismus und die aggressive Ablehnung von Zuwanderung gelten zweifellos als wichtige Merkmale der extremen Rechten. Sie sind jedoch, wie z. B. die Sarrazin-Debatte gezeigt hat, keineswegs auf den rechten Rand beschränkt. Themen der extremen Rechten finden sich auch in der Mitte der Gesellschaft. 
Die einfache Gegenüberstellung von Extremismus und Mitte stimmt also mit den Realitäten nicht überein.
  • Zu den zentralen Werten unserer Verfassung gehören Demokratie, Menschenrechte und soziale Grundrechte. In der Logik des Extremismusansatzes müssten »Links-« und »Rechtsextremisten« diese Werte gleichermaßen ablehnen. Die Realität sieht aber anders aus wie die Arbeit der Fraktion DIE LINKE in den folgenden drei Bereichen verdeutlicht:

Demokratie: DIE LINKE steht für die Ausweitung der Demokratie (in der Wirtschaft, für Menschen ohne deutschen Pass, in Schulen und Hochschulen etc.); die extreme Rechte will die Demokratie dagegen einschränken und abschaffen.

Menschenrechte: DIE LINKE bezieht sich positiv auf die allgemeinen Menschenrechte, beklagt vielmehr, dass sie nicht allen Menschen im Land gewährt werden. Die extreme Rechte bestreitet, dass es überhaupt so etwas wie allgemeine Menschenrechte gibt.

Soziale Grundrechte: DIE LINKE tritt vehement für die Ausweitung sozialer Grundrechte ein, sie steht für die Verteidigung bürgerlicher und sozialer Rechte. Die extreme Rechte knüpft soziale Teilhabe an Herkunft und Geburt und tritt für den starken, alles überwachenden Staat ein.

 

Für die Fraktion DIE LINKE ist der Extremismusansatz ein untaugliches Instrument zur Beschreibung der Gefahren für die Demokratie. Er verharmlost die extreme Rechte: Mehr als 150 Todesopfer rechter und rassistischer Gewalt seit 1990 werden begrifflich auf eine Stufe mit brennenden Autos gestellt, die einer angeblich extremistischen Linken zugerechnet werden, auch wenn es hierfür keinen Nachweis gibt. DIE LINKE lehnt Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung ab. Der Extremismusansatz verdeckt jedoch die Ursachen für vorhandene Gewalt und deren Ausmaß in unserer Gesellschaft und macht damit ihre wirksame Bekämpfung unmöglich.

 

Antifaschismus nicht kriminalisieren sondern unterstützen

Wer die Ursachen von Rassismus und Nationalismus thematisiert und ihre Ausformungen auch in der Mitte der Gesellschaft benennt, kann mit der Etikettierung als »Extremist« schnell mundtot gemacht werden. DIE LINKE sieht in solchen Formen der Ausgrenzung keine Politik für eine demokratische Zivilgesellschaft. Ganz im Gegenteil: Die Extremismusdebatte ist ein Zeichen der Einschüchterung dieser Zivilgesellschaft. Für die Fraktion DIE LINKE kommt es dagegen darauf an, alle zu ermutigen, die sich gegen Nazis, Rassismus, Nationalismus und eine Ideologie der Ungleichheit engagieren und den unsinnigen Vorwurf des Extremismus zurückweisen.

 

DIE LINKE fordert:

  • Rücknahme der Extremismusklausel im Rahmen der Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus
  • Keine weitere Schwächung der Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus
  • Politische und gesellschaftliche Anerkennung des Engagements gegen die extreme Rechte
  • Keine weitere staatliche Förderung des umstrittenen Extremismusansatzes