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Alle für Kalle

erschienen in Klar, Ausgabe 40,

„Hallo Kalle“, rufen Kinder dem Mann aus der Fontanestraße in Köln zu, den in der Millionenstadt am Rhein inzwischen viele kennen. Die Geschichte von Karl-Heinz Gerigk und der Zwangsräumung seiner Wohnung hat die Stadt bewegt. Kalle, wie der Kölner von allen genannt wird, musste seine Wohnung vor zwei Jahren wegen umstrittenen Eigenbedarfs des Besitzers verlassen. „In so einer Situation fühlst du dich allein und verlassen, kannst nicht schlafen“, erzählt Kalle, „und du versuchst zu kämpfen.“

Begeistert berichtet er von der Solidarität der Nachbarn und Freunde, die für ihn auf die Straße gingen. An den Straßenschildern im Viertel prangten überall Aufkleber mit dem Spruch „Kalle bleibt, alle anderen auch“. Der Widerstand wuchs. Am Tag der Zwangsräumung standen über 300 Menschen vor Kalles Mietshaus. Bei diesem Fall war vielen klar: Die Reichen wohnen, wo sie wollen, die Armen, wo sie müssen. Der Termin für die Zwangsräumung konnte mehrfach verschoben werden, aber am Ende half alles nichts, Kalle musste raus.

Kalle Gerigk hatte seine Wohnung verloren, aber viele Freunde gewonnen. „Mir haben so viele Menschen geholfen, das hat mein Leben verändert. Seitdem weiß ich die Solidarität richtig zu schätzen und gebe nun etwas zurück“, sagte Kalle damals und hat sich genau deshalb in Köln einen Namen gemacht. Mit Hilfe von Nachbarn hat er mittlerweile eine andere Wohnung in derselben Straße gefunden, aus der er einst verjagt worden war. „Als ich wieder einzog, gab es ein großes Straßenfest“, sagt er.

Der jüngste Fall, um den Kalle sich kümmert, ist eine bevorstehende Zwangsräumung einer Wohnung im Kölner Stadtteil Mülheim. Bewohner Helmut K. hatte zwei Jahre vergeblich beim Vermieter auf den miesen Zustand seiner Wohnung aufmerksam gemacht: Große Löcher prangen in der Wand, Rohre liegen frei und sind undicht, unangenehme Gerüche vom Abwasser dringen durch Bad und Küche. Als Helmut K. vom Vermieter keine Reaktion auf sein Drängen, die Mängel zu beseitigen, erfuhr, minderte er die Miete. Kurz darauf wurde ihm gekündigt.

Kalle ist vor Ort, sieht sich den Fall an, versucht, sofort zu helfen. „Solche Menschen wie Helmut werden alleingelassen, brauchen unsere Hilfe. So etwas wie hier und in vielen anderen Fällen darf man doch nicht zulassen“, kommentiert Kalle Gerigk den Fall.

Kurz darauf steht er auf dem Gelände einer Wagenburg, spricht mit den Bewohnern alter Bauwagen. Nun sollen die Bauwagen, Transporter und Behausungen aus Paletten, Kisten und Gerüsten plattgemacht werden. „Man kann die Menschen nicht einfach wegjagen“, sagt Kalle. Er arbeitet beim Wohnungsamt der Stadt Köln und formuliert sein Motto im Job so: „Wir als Wohnungsamt sind nicht dazu da, die Leute obdachlos zu machen.“

Nachdem es einst „Alle für Kalle“ hieß, wissen viele Kölnerinnen und Kölner, dass es bei Kalles Widerstand gegen Unrecht in Sachen Wohnen, Mieten und Zwangsräumung längst heißt: „Kalle für Alle!“

Neustart für den sozialen Wohnungsbau

In Metropolregionen und Hochschulstädten herrscht Wohnungsnot. Die Mieten steigen, die Menschen werden aus ihren Wohnungen vertrieben. Deswegen fordert die Fraktion DIE LINKE eine Neugestaltung des sozialen Wohnungsbaus:

1. Einen dauerhaften Investitionszuschuss von jährlich 5 Milliarden Euro zweckgebunden für die Schaffung von jährlich 150.000 Sozialwohnungen mit dauerhafter Mietpreis- und Belegungsbindung an öffentliche oder gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen, zunächst begrenzt auf einen Zeitraum von zehn Jahren.

2. Die Erhöhung der Städtebauförderung auf jährlich 2 Milliarden Euro zur Ertüchtigung leerstehender Wohnungen und Verbesserung des Wohnumfeldes.

3. Eine langfristige Förderung von jährlich 5 Milliarden Euro für eine sozialverträgliche energetische Gebäudesanierung.