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Privatisierung der Deutschen Bahn AG ist wieder offen

Pressemitteilung von Dorothée Menzner,

Nach einer ersten Durchsicht des Booz-Allen-Hamilton-Gutachtens erklärt die verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE., Dorothée Menzner:

Anders als erwartet favorisiert das Gutachten keines der untersuchten Privatisierungsmodelle; es vergleicht diese im Für und Wider und überlässt die Entscheidungen der Politik, was ich begrüße.

Die bei einem Börsengang der Bahn durch den Bund zu erzielenden Haushalts- und Vermögenseffekte belaufen sich je nach Modell auf rund sieben bis gut 23 Milliarden Euro. Dies wäre ein bescheidener Erlös im Vergleich zu jenen 200 Milliarden Euro, die der Bund im vergangenen Jahrzehnt durch die Bahnreform aufgewendet hatte. Angesichts dessen erscheint jeder Börsengang der Deutschen Bahn AG als Verhöhnung der Steuerzahler: Bund, Bahn und nicht zuletzt die Eisenbahner selbst hatten tief in die Taschen zu greifen oder ihre Arbeitsplätze zu opfern, damit die Bahn auf neuen Kurs gebracht werden konnte. Dem soll jetzt die Privatisierung folgen, damit andere Renditen schöpfen? Schlimmer noch: Es ist davon auszugehen, dass auch nach einer Privatisierung der Bahn Jahr für Jahr Steuergelder in Milliardenhöhe in das Verkehrssystem Schiene fließen müssen. Diese Gelder flugs in Börsengewinne umzusetzen, ist der falsche Weg.

Je nach Modell errechneten die Gutachter eine unterschiedliche Stärkung des Anteils der Schiene, sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr. Offensichtlich sind dabei jeweils optimale Bedingungen zugrunde gelegt. Egal, welches Börsengang-Modell greifen sollte: Es ist wenig wahrscheinlich, dass die reale Entwicklung hier den Prognosen tatsächlich folgen würde. Interessanterweise ist im Gutachten nachzulesen, was Verkehrspolitiker der Linkspartei schon seit Jahren sagen. Es bestätigt, dass der Erfolg der Bahn nicht vom Eigentümermodell abhängt. Ein bedarfs- und kundenfreundliches Angebot, die anzustrebende ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit, guter Kundenservice, ein flächendeckendes Bundesschienennetz und nicht zuletzt die Wirtschaftlichkeit der Bahn sind in jeder Eigentumsform erreichbar.

Verkehrspolitik ist eine zutiefst soziale Frage. Der barrierefreie Zugang zum öffentlichen Schienenpersonenverkehr muss auch für ärmere Bevölkerungsgruppen und für Menschen in ländlichen Regionen problemlos möglich sein. Eine wie auch immer geartete (Teil)Privatisierung darf nicht zu Strecken-, Sicherheits-, und Mobilitätseinbußen für Millionen führen.

Kurzfristige Haushalteffekte sind hinter der dauerhaften Aufgabe staatlicher Daseinsvorsorge nachrangig. Das Gesamtsystem Bahn - ein aus Geldern der Allgemeinheit (Steuern) über Generationen geschaffenes Infrastrukturnetz - darf nicht zugunsten kurzfristiger Haushaltseffekte "versilbert“ werden. Es kann und darf nicht darum gehen, Renditen zu erzielen, während Kosten und Risiken bei der Allgemeinheit verbleiben. Wenn der Verlust von 50 000 Arbeitsplätzen droht, werden sich vermeintlich positiven Haushaltseffekte eines wie auch immer gearteten Börsengangs der Bahn sich schnell ins Gegenteil verkehren und Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmern und Gesellschaft teuer zu stehen kommen.

Vorausschauende Verkehrspolitik, sowohl im Güter- als auch im Nah- und Fernverkehr, muss sich an Kriterien der ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeit messen lassen. Die Bahn muss allenfalls Kosten decken. Die wichtigste Rendite der Bahn ist nicht die für Börsianer, sondern der unerlässliche Beitrag der Bahn, deutlich den Energieeinsatz und den Schadstoffausstoß im Transportsektor zu mindern.