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Mehrwertsteuererhöhung - kapitale Fehlentscheidung für Deutschland, Nackenschlag für das Vertrauen der Menschen in Politik und Demokratie

Pressemitteilung von Axel Troost,

Anlässlich der heute vorgestellten Stellungnahme der Deutschen Sektion des Internationalen Netzwerks Steuergerechtigkeit (www.campact.de/img/mwst/tjnthesen.pdf) zur geplanten Mehrwertsteuererhöhung auf 19 % erklärt der finanzpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE., Axel Troost:

"Die Mehrwertsteuererhöhung um drei Prozentpunkte kann nur als verheerendes Signal für die Wirtschaft und die Menschen in Deutschland bezeichnet werden. Schon mit ihrem ersten Aufschlag bekundet die bevorstehende Große Koalition nicht nur ihre Fantasielosigkeit über machbare finanzpolitische Konzepte zur Lösung der Krise der Staatsfinanzen, sondern zeigt auch die Skrupellosigkeit, mit der Wahlkampfversprechen ad acta gelegt werden.

Im Wahlmanifest der SPD war zu lesen:

"Die Erhöhung der Mehrwertsteuer ist unsozial. Familien und sowie kleine und mittlere Einkommen sind besonders betroffen. ... Angesichts einer ohnehin zu geringen Binnennachfrage ist dies Gift für unsere Konjunktur. ... Sie gefährdet Arbeitsplätze: Die Leistungen des Handwerks würden sich verteuern. Das schreckt potenzielle Auftraggeber ab. Viele Betriebe wären in ihrer Existenz bedroht. Der Einzelhandel wäre ebenfalls unter massivem Druck."

Ich bestreite die große Bedeutung der Senkung der Lohnnebenkosten für die deutsche Wirtschaft. Aber die Union hatte immerhin im Wahlkampf die Mehrwertsteuererhöhung als Nullsummenspiel verkauft:

"Wir senken den Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung ab 01.01.2006 um zwei Prozentpunkte von 6,5 % auf 4,5 %. Im Gegenzug erhöhen wir die Mehrwertsteuer ab 01.01.2006 um zwei Prozentpunkte von 16 % auf 18 %."

Axel Troost, Geschäftsführer der Arbeitsgruppe Memorandum Alternativen der Wirtschaftspolitik, weiter: Ich werde SPD und Union bei der Debatte zur Regierungserklärung zur Rede stellen und fragen: Ist die Mehrwertsteuererhöhung nun unsozial oder nicht? Ist sie Gift für die Binnenkonjunktur oder nicht? Bedroht sie Handwerk und Einzelhandel oder nicht? Soll sie zur Senkung der Arbeitslosenversicherung verwandt werden oder nicht - oder nur noch zum Teil?

Der Sachverständigenrat hat einer solchen Maßnahme zur Haushaltssanierung soeben eine vernichtende Abfuhr erteilt. Mit ihrem Vorhaben beteiligen sich die Großkoalitionäre zudem kräftig an der weiteren Untergrabung des bereits massiv beschädigten Vertrauens der Menschen in unsere Demokratie. SPD und Unionsparteien hatten im Wahlkampf auf großen Lettern um "Vertrauen für Deutschland" geworben. Die Langfristwirkungen ihrer Vereinbarungen auf die Stabilität der Demokratie interessieren sie ganz offensichtlich überhaupt nicht.

Die Staatsfinanzen müssen saniert werden - völlig richtig. Zum Einen aber muss darüber gesprochen werden, wodurch sie in den jetzigen Zustand gebracht wurden. Hier steht in erster Linie die geradezu aberwitzige Fehlentscheidung der ersten rot-grünen Bundesregierung zur Debatte, unmittelbar nach dem Platzen der "New Economy", d.h. mitten in einem sich ankündigenden weltweiten und heimischen Abschwung und einer erneuten Zuspitzung der öffentlichen Finanzkrise in 2000 eine Steuerentlastung von 50 Mrd. Euro jährlich zu beschließen. Es ist skrupellos, wenn führende Sozialdemokraten wie der stellv. Fraktionsvorsitzende Jochen Poß heute die im internationalen Vergleich deutlich zu niedrige Steuerquote in Deutschland bejammern, wenn man selbst entscheidend dazu beigetragen hat.

Zum Anderen gibt es Wege zur Sanierung der Staatsfinanzen, über die SPD und Union sich zu sprechen weigern oder an die sie nur sehr zaghaft herangehen. Unter rotgrün hat sich das Verhältnis von Gewinn- und Vermögensteuern zu den sog. Massensteuern (Umsatz-, Mineralöl-, veranlagte Einkommensteuer etc.) weiter zugunsten der Ersteren abgesenkt. Eine Besteuerung großer Vermögen in Deutschland wie in den USA würde Mehreinnahmen von 50 Mrd. jährlich erbringen! Bei der Besteuerung von Immobilien müssen sowohl bei Vermögens- als auch bei der Erbschaftsteuer realistische Verkehrswerte zugrunde gelegt werden. Das BVG-Urteil zum Halbteilungsgrundsatz aus der Feder von Prof. Kirchhof ist unter Verfassungsrechtlern umstrittener denn je.

Ich unterstütze deshalb ausdrücklich die Forderungen des Netzwerks:

1. Fortschrittliche Sparpolitik besteht in erster Linie darin, legale Steuersparmodelle auszudünnen und Steuerschlupflöcher zu stopfen. Der Spitzensteuersatz, der unter Rot-Grün von 53 auf 42 Prozent gesenkt wurde, muss wieder auf mindestens 45 Prozent angehoben werden. Die "Reichensteuer" ab einem (wohlgemerkt zu versteuerndem!) Einkommen von 250.000 (für Ledige) mit einem Aufkommen von knapp über 1 Mrd. ist lächerlich und reine Kosmetik.

2. Große Privatvermögen sind in den letzten Jahren massiv angewachsen, sie müssen verstärkt an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligt werden.

3. Die Unternehmensteuersenkungen durch die rot-grüne Steuerreform haben nicht zu mehr Investitionen geführt - im Gegenteil. Die effektive Steuerbelastung der Unternehmen liegt unter dem europäischen Durchschnitt. Weitere Steuerentlastungen für Unternehmen durch niedrigere Steuersätze, erleichterte Abschreibungsmöglichkeiten oder gar den faktischen Verzicht auf die Erbschaftsteuer bei Betriebsvermögen sind nicht akzeptabel. Profitable Unternehmen müssen wieder einen höheren Finanzierungsbeitrag leisten.

4. Jährlich entgehen dem Staat bis zu 80 Milliarden Euro, die von Steuerbetrügern hinterzogen werden (nach Angaben des schleswig-holsteinischen Finanzministeriums). Die Bundesländer handeln nach dem Motto: Wer am laxesten Steuern eintreibt, bei dem wird investiert. Deshalb muss die Steuerverwaltung von einer Länder- zu einer Bundesaufgabe werden. Personal und Ausstattung müssen erheblich aufgestockt werden. Jeder zusätzliche Steuerfahnder spielt ein Vielfaches seines Gehalts wieder ein."