Zum Hauptinhalt springen

Mehr Demokratie wagen

Nachricht,

Betriebs- und Personalräte fordern auf der 3. Zentralen Betriebsrätekonferenz der Bundestagsfraktion DIE LINKE einen Kurswechsel hin zu echter Mitbestimmung in Unternehmen.

Fast 250 Gäste konnte Werner Dreibus auf der 3. Betriebs- und Personalrätekonferenz der Bundestagsfraktion in Nürnberg begrüßen. „Immer mehr gute Arbeit wird zu schlechter Arbeit“, fasste der gewerkschaftspolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE die Situation in den Betrieben zusammen. Ob DIE LINKE im Bundestag mit ihren parlamentarischen Initiativen zur Stärkung von Beschäftigten und Gewerkschaften auf dem richtigen Weg sei, wolle er zur Diskussion stellen. Denn um den Druck auf Löhne und Arbeitsbedingungen etwas entgegen zu setzen, seien betriebliche und tarifliche Gegenwehr und gesetzliche Schutzregeln notwendig.

Der Vorsitzende der LINKEN in Bayern, Harald Weinberg, betonte in seinem Grußwort die Ursachen: „Der Neoliberalismus hat die Gewerkschaften gezielt geschwächt“, sagte Weinberg und führte die unsozialen Auswirkungen der Politik der Agenda 2010 an.
Der Verfassungsschutz solle statt der LINKEN lieber die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ beobachten, schlug der Landesvorsitzende des DGB Bayern, Fritz Schösser, in seiner Rede vor. Diese neoliberale Propagandamaschine wolle die soziale Marktwirtschaft nicht erneuern, sondern abschaffen.
Insgesamt benehme sich die Wirtschaftselite „wie eine Bande von Abzockern“. Die Gründung von Pseudo-Gewerkschaften, die Bespitzelung von Beschäftigten und Arbeitnehmervertreterinnen und -vertretern in Aufsichtsräten stünden auf der Tagesordnung. Angesichts dieser Skandale sprach sich Schösser vehement für Demokratie in Unternehmen aus und forderte eine ehrliche und saubere Mitbestimmung.

Über Macht oder Ohnmacht von Betriebsräten und Gewerkschaften bei der Bekämpfung von Leiharbeit und Massenentlassungen wurde in einer darauf folgenden Podiumsrunde angeregt debattiert. Gleichzeitig wurden die Anträge der Linksfraktion zur sozialen Regulierung von Leiharbeit und zur Stärkung von Arbeitnehmerinteressen bei Massenentlassungen zur Diskussion gestellt.
Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter verdienen bei der Supermarktkette Real Mainz fast die Hälfte weniger als ihre festangestellten Kolleginnen und Kollegen, berichtete die dortige Betriebsratsvorsitzende, Roswitha Basting-Göttelmann. Diese Form des modernen Sklaventum im Betrieb zu verhindern, sieht sie sich als Betriebsrätin nicht in der Lage: „Man kann nur Steine in den Weg legen und hin und wieder einen werfen.“, sagt sie.
Dominik Kreuzpainter, JAV-Vorsitzender bei BMW Dingolfing, gab zu bedenken, dass sich Betriebsräte häufig durch die Standortkonkurrenz einschüchtern ließen. Bei BMW Dingolfing habe der Betriebsrat deshalb der Einstellung von fast 2000 Leihwerkern zugestimmt. Um sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen, sei eine enge Abstimmung zwischen Betriebsräten einzelner Standorte wichtig.
Durchsetzungsstarke Belegschaften seien aber durchaus in der Lage, Verbesserungen durchzusetzen, so Anny Heike von der IG Metall Fürth. Im Rahmen der Leiharbeitskampagne der IG Metall seien schon einige Vereinbarungen abgeschlossen worden, die gleichen Lohn und gleiche Arbeitsbedingungen für Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter, eine zeitliche Begrenzung der Einsatzdauer und eine Begrenzung der Anzahl der im Betrieb eingesetzten Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter beinhalten.
Um den Missbrauch von Leiharbeit in allen Bereichen zu stoppen, sei es notwendig die jetzigen windelweichen Gesetze zu ändern. Der Antrag der LINKEN, der mit der Streichung des Tarifvorbehalts im Arbeitsnehmerüberlassungsgesetz dem Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" wieder Geltung verschafft, stieß auf einhellige Zustimmung.

Auch in Bezug auf Massenentlassungen plädierte der Betriebsratsvorsitzende von Electrolux, Stefan Stroheker, für gesetzliche Regelungen: „Konzerne müssen in die Pflicht genommen werden für die gesellschaftlichen Verwüstungen, die sie anrichten.“ Aus der Auseinandersetzung um die Schließung von AEG Nürnberg sei klar ersichtlich, dass die jetzige Mitbestimmung stark ausgeweitet werden müsse, um Werkschließungen wirklich verhindern zu können.
Sybille Stamm, ehemalige Landesleiterin von ver.di Baden-Württemberg, schloss sich dieser Einschätzung an. Sie warnte allerdings davor, sich auf Parlament und Regierung zu verlassen. „Gewerkschaften müssen besser und radikaler werden“, sagte Stamm, und rief die Kolleginnen und Kollegen dazu auf, angesichts neuer Herausforderungen neue Kampfformen auszuprobieren. Anregungen dazu gab es einige: Die Betriebsratsvorsitzende von Real Mainz berichte, wie der Einsatz von Leiharbeiterinnen und Leiharbeitern, die zum Streikbruch gezwungen worden seien, den Arbeitskampf erschwert habe. Deshalb seien sie zum Arbeitskampf aus dem laufenden Betrieb heraus übergegangen; Kundinnen und Kunden würden möglichst einbezogen. Eine abschließende Bitte richtete Basting-Göttelmann an die Anwesenden: „Wenn gestreikt wird, dann kauft nicht im Einzelhandel.“

„Umso stärker die LINKE, desto sozialer wird Deutschland.“ Mit diesen Worten leitete Oskar Lafontaine, Partei- und Fraktionsvorsitzender, nach der Pause seine Rede ein. Er sehe DIE LINKE als Partei der demokratischen Erneuerung. Insbesondere der sich ausweitende Niedriglohnsektor, der inzwischen mit 25 Prozent den höchsten Wert aller Industriestaaten erreicht habe, sei eine Gefährdung für die Demokratie. Die neoliberale Politik verschlechtere die Bedingungen für die Lohnentwicklung, Hartz IV diszipliniere die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Angst gehe um unter den Beschäftigten. „Die Verhältnisse im Betrieb haben sich verändert“, so Oskar Lafontaine. „Deswegen fordert die LINKE eine echte paritätische Mitbestimmung, die den Beschäftigten Möglichkeiten zum Widerstand gibt.“ Aus Lafontaines Sicht sind es insbesondere die sogenannten Finanzinvestoren, die durch ihre horrenden Renditeerwartungen dazu beigetragen haben. „Wenn Mitbestimmung jemals wichtig war, dann heute im Finanzmarkt getriebenen Kapitalismus.“
Lafontaine lud die Teilnehmenden zudem zur Diskussion darüber ein, wie die Beschäftigten wieder stärker am Produktivvermögen beteiligt werden können. Denn: “Die jetzige Wirtschaftsordnung ist eine permanente Enteignung der Arbeitnehmerschaft.“ Beschäftigte sollten aus seiner Sicht die Frage aufwerfen, wem gehören solle, was sie mit ihrer Arbeit geschaffen haben.

Abschließend bedankte sich Klaus Ernst bei Referentinnen und Referenten und den Teilnehmenden für die spannende Diskussion, die sich wohltuend von Plenardebatten im Bundestag abgehoben habe. Wichtig sei aber, dass Linke nicht nur redeten, so Ernst, der alle Anwesenden zur aktiven Mitgestaltung aufforderte. „Wer den Kopf in den Sand steckt, wird in den Hintern getreten und weiß noch nicht mal, wer es war.“

„Bayern voran! Mindestlohn jetzt!“
Empfang für bayerische Betriebs- und Personalräte

Auf Einladung der bayerischen Bundestagsabgeordneten Eva Bulling-Schröter, Kornelia Möller und Klaus Ernst, fanden vor der Konferenz 180 bayerische Betriebs- und Personalräte zusammen. Diskutiert wurde, gemeinsam mit dem DGB-Landesvorsitzenden Fritz Schösser, über gewerkschaftliche Anforderungen an die bayrische Landespolitik. Im Vorfeld der Landtagswahlen am 28. September 2008 bringen die bayrischen Gewerkschaften das Volksbegehren „Bayern voran! Mindestlohn jetzt!“ auf den Weg, um die Möglichkeiten der bayerischen Verfassung für einen gesetzlichen Mindestlohn auszuschöpfen. Die Gründe lägen auf der Hand, so Schösser: „Arbeit macht arm - das gibt es auch in Bayern.“ Sowohl die Bundestagsfraktion DIE LINKE. als auch die gesamte Betriebs- und Personalrätekonferenz sicherte ihre größtmögliche Unterstützung für den Erfolg des Volksbegehrens zu.
Solidarische Unterstützung galt und gilt auch den Metallerinnen und Metallern, die derzeit für eine tarifvertragliche Lösung zur Fortführung der Altersteilzeit streiten. Die Konferenz solidarisierte sich mit den Warnstreiks und Protesten und äußerte ihre Enttäuschung darüber, dass es seitens der Bundesregierung keine Klarheit in dieser Frage gebe. Klaus Ernst kritisierte dazu das Verhalten der SPD: „Erst schafft sie die geförderte Altersteilzeit ab und danach stellt sie sich als vermeintliche Retterin der Altersteilzeit hin.“

Romana Dietzold (Büro MdB Klaus Ernst), Pamela Strutz (Büro MdB Dreibus), Fanny Zeise (Kontaktstelle Soziale Bewegungen)