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Krankenhauskeime wirksam bekämpfen

Rede von Frank Spieth,

Frank Spieth, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE zum eigenen Antrag, die Krankenhauskeime wirksam zu bekämpfen.

Die Rede ging zu Protokoll

Anrede,

stellen Sie sich vor, Sie bringen Ihre Mutter ins Krankenhaus, der ein Herzschrittmacher implantiert werden soll. Bei der erforderlichen Operation infiziert sie sich mit Krankenhauskeimen. Die Folge: Es entstehen Entzündungen an unterschiedlichen Körperstellen, die an den Händen so schlimme Auswirkungen haben, dass einzelne Fingern amputiert werden müssen.

Sie mögen glauben dies sei ein Horrorszenario - weit gefehlt. Diese Erfahrung habe ich selbst gemacht. Wenn ein Patient ein geschwächtes Immunsystem hat, und der Keim besonders aggressiv ist, breiten sich solche Entzündungen aus und können im schlimmsten Fall zum Tode führen. Gemeinhin nimmt man an, dass man Krankenhausentzündungen mit Antibiotika behandeln kann. Wenn Sie Glück haben, gelingt dies. Wenn Sie Pech haben, nicht.

Nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, muss man davon ausgehen, dass in Deutschland jährlich etwa 20000 bis 50000 Menschen an Krankenhauskeimen sterben. Zum Vergleich: In Deutschland sterben an Brustkrebs jährlich rund 17.000, im Straßenverkehr 5.000, an illegalen Drogen 1.400 und knapp 500 Menschen an AIDS. Auch das ist unakzeptabel, der Vergleich zeigt aber: Krankenhauskeime sind ein gewaltiges Gesundheitsrisiko in Deutschland.

Jedes Jahr infizieren sich etwa 500.000 bis 800.000 Menschen in den deutschen Krankenhäusern, also etwa jeder zwanzigste bis dreißigste Patient. Als besonders gefährlicher Keim erweist sich der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA). 1992 hat dieser Keim nur zwei Prozent der Krankenhausinfektionen ausgemacht. Bis 2007 hat sich diese Zahl jedoch verdreizehnfacht. Auf Intensivstationen beträgt das Infektionsrisiko mittlerweile durchschnittlich 15 Prozent.

Die starke Ausbreitung der Keime kommt unter anderem daher, dass das Krankenhauspersonal unter einem enormen Zeitdruck steht und die erlernten Hygienemaßnahmen unzureichend einhält. Oft geht es um Basishygiene: Der eine wäscht sich zu selten die Hände, der andere trägt wochenlang denselben Kittel. Die Medizin am Fließband fordert so ihren Tribut.

Besonders tückisch: Immer mehr Erreger sind resistent gegen Antibiotika. Die Keime lernen, mit den Antibiotika umzugehen und vererben diese Eigenschaft an die nächsten Generationen weiter. Der falsche oder übertriebene Einsatz von Antibiotika fördert die Verbreitung resistenter Keime. Folgt dann noch ein zu lascher Umgang mit Desinfektionsmitteln und anderer Hygienemaßnahmen im Krankenhaus, verschärft sich das Problem immer weiter.

Die jetzige Bundesregierung und ihre Vorgängerregierung packen das Problem nicht konsequent an. Es gibt lediglich Programme, an denen Krankenhäuser auf freiwilliger Basis mitmachen können; was wir brauchen sind verbindliche Vorschriften, damit dem Schlendrian in der Hygiene in den Krankenhäusern ein Ende gemacht wird.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Bundesländer über Landesrichtlinien größtenteils für die Hygiene in den Krankenhäusern zuständig sind. Gutes Beispiele geben Berlin, Sachsen und Bremen ab. Hier wurden verpflichtend Hygieneärzte in Krankenhäusern eingeführt. Durch die bundesweite Aufsplittung von Kompetenzen entsteht aber ein Flickenteppich von Regelungen. Krankenhauskeime machen jedoch an den Grenzen der Bundesländer nicht halt und so werden gute Ansätze einzelner Länder wieder zunichte gemacht.

Andere europäische Staaten, z.B. die Niederlande, zeigen uns, wie es funktionieren kann. Dort hat man bereits Anfang der 1980er Jahre mit offensiven Maßnahmen gegen MRSA begonnen. Ergebnis: Bei uns ist das MRSA-Risiko bis zu 20 mal höher als dort - mit steigender Tendenz. Die positiven niederländischen Zahlen sind kein Zufall, sondern Ergebnis eines ganzen Bündels von Maßnahmen, den die Politik den dortigen Krankenhäusern verordnet hat.

Wir fordern, dass auch in Deutschland das Problem der Krankenhauskeime wirkungsvoll angepackt wird. Präventionsmaßnahmen stehen dabei an erster Stelle. Die Ausbreitung von Keimen muss ständig beobachtet und in ihrer Entstehung verhindert werden. Dazu wären Screenings sinnvoll. Bei den derzeitigen Vergütungsmechanismen hätten Krankenhäuser, die konsequent Screenings durchführen und Maßnahmen gegen Keime ergreifen, jedoch einen Wettbewerbsnachteil. Die Fallpauschalen in den Krankenhäusern führen mehr und mehr zu Fließbandmedizin. Hygiene und das Patientenwohl sind unter diesen Bedingungen leider nur zweitrangig, weil sie sich betriebswirtschaftlich für das Krankenhaus nicht rechnen. Auch das muss sich schnell ändern.

Wir fordern, dass jedes Krankenhaus Hygieneärzte einstellen muss. Nicht nur in den Krankenhäusern, sondern auch in den Gesundheitsämtern muss das Personal geschult und aufgestockt werden, damit die Gesundheitsämter ihrer Kontrollfunktion auch ernsthaft nachkommen können. Die Bundesregierung muss Einfluss auf die Bundesländer nehmen, da vieles nur über Landesrecht zu regeln ist. Die Richtlinie des Robert-Koch-Instituts zum Umgang mit MRSA muss konsequent und verbindlich umgesetzt werden. Für MRSA muss eine Meldepflicht her, damit endlich systematisch gegen diesen Keim vorgegangen werden kann und damit nicht jedes Krankenhaus auf sich allein gestellt ist. Diese Absicht hatte die Bundesregierung auch bereits im Januar 2008 bekundet und immer noch ist nichts passiert. Und schließlich man muss nicht alles neu erfinden: Andere Länder, nicht nur die Niederlande, machen uns erfolgreich vor, wie die gefährlichen Keime zu stoppen sind. Daran sollten wir uns orientieren.

Das wird erstmal Geld kosten, das ist klar. Aber es geht um die Gesundheit und das Leben von zehntausenden Menschen jedes Jahr. Das alleine sollte uns das Geld wert sein. Es ist aber zudem zu erwarten, dass die Präventionsmaßnahmen rentierlich sein werden, da durch die Vermeidung von Erkrankungen auch viel Geld eingespart werden kann. Ich bitte Sie daher diesem Antrag zuzustimmen, im Sinne der Patienten!