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Zwischen den friedenspolitischen Vorstellungen der Linken und der NATO-Strategie der Bundesregierung gibt es nichts Verbindendes

Rede von Wolfgang Gehrcke,

zur Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum G 8-Gipfel am 18./19. Mai 2012 in Camp David und zum NATO-Gipfel am 20./21. Mai 2012 in Chicago

Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE):

(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber nach Brüderle ist das einfach, Wolfgang!)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, der Brüderle hat was, das ist immer eine Mischung zwischen Karneval, Angriff und seiner Art, von oben herab zu reden. Herr Brüderle, um Ihnen zu antworten: Ich möchte gerne meiner Fraktion und den Menschen in diesem Lande empfehlen, doch ein Stück weit von Griechenland zu lernen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was?)

Von Griechenland zu lernen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Der griechische Widerstand gegen eine Politik, die das Land kaputtmacht, ist vorbildlich und, wie ich finde, auch demokratisch.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn die Linke in Griechenland nicht agieren würde, hätten wir längst andere Zustände in diesem Land.

Herr Kauder meinte ja, Europa müsse deutsch lernen. Ich würde empfehlen, dass Europa ein Stück weit Griechisch und vor allem Französisch lernen sollte, damit man eine andere Politik auch in Europa durchsetzen kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Hierzu wollen wir sehr gerne beitragen.

Verehrte Frau Bundeskanzlerin, manchmal gibt es ein Zusammentreffen, das zufällig erscheint, das aber doch einen tiefen inneren Zusammenhang hat. Sie haben über Camp David geredet, wo weiter über die globale Aufteilung der Welt verhandelt wird, wo es um Zukunftsressourcen und -märkte geht. Sie haben über den NATO-Gipfel geredet, auf dem das Ganze militärisch abgesichert werden soll. Sie haben schon recht: Beides geht zusammen. Ich finde auch - das ist das Einzige, was ich an Ihrer Rede teile : Es geht um die Zukunft der Welt.

In dem Zusammenhang empfehle ich Ihnen ein anderes Dokument. Dieser Tage ist ein Text zum 40-jährigen Jubiläum des Berichtes „Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome erschienen. Ich empfehle, dass alle Teilnehmer von Camp David und vom NATO-Gipfel den aktuellen Bericht des Club of Rome als Pflichtlektüre in ihrem Gepäck haben sollten.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann erkennen Sie die wirklichen Probleme der Welt. Der Club of Rome warnt: Wenn nicht anders produziert, anders konsumiert und anders verteilt wird, geht die Welt und damit die Gattung Menschheit ihrem Ende entgegen. Das heißt, es muss einen energischen Kurswechsel, einen grundsätzlichen Politikwechsel geben. Hierzu schlägt der Club of Rome sechs Ziele vor:

Erstens gesellschaftliche Werte für eine nachhaltige und gerechte Gesellschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Die Volkswirtschaften der Welt müssen die Märkte in einer fairen und transparenten Art und Weise handhaben.

Drittens eine gerechtere Verteilung von Einkommen darüber sollten die FDP und die CDU/CSU einmal nachdenken

(Beifall bei der LINKEN)

zwischen den Ländern und zwischen den Menschen.

Viertens einen garantierten Zugang zu sinnvoller Arbeit. Das heißt, dass das Recht auf Arbeit endlich auch in die deutsche Verfassung aufgenommen werden muss und umgesetzt werden muss.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Fünftens. Ökologie muss verbindliche Grenze für alle Formen menschlicher Tätigkeit werden.

Sechstens die weltweite Etablierung von geeigneten Regierungssystemen, nämlich von Demokratie.

Ich finde, das sind die eigentlichen Aufgaben, über die debattiert werden muss. Das bedeutet, dass wir weltweit Regulierung statt Deregulierung brauchen. Wir müssen weltweit die Privatisierung stoppen, wenn wir die Welt retten wollen. Um nichts anderes geht es, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Unter diesen Bedingungen muss man auch Ressourcen bündeln. Es ist doch nicht auszuhalten, dass die NATO 2010 1,1 Billionen Dollar in Rüstung investiert hat, obwohl man dieses Geld in die Bekämpfung von Hunger und Armut in der Welt investieren müsste.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist doch nicht akzeptabel, dass Deutschland bislang zwischen 12 und 22 Milliarden Euro für den Krieg in Afghanistan ausgegeben hat.

Wir wollen daraus mache ich überhaupt kein Hehl ein neues Denken. Das, was die Kanzlerin vorgetragen hat, war alte Politik und altes Denken, und ziemlich langweilig dazu.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Für uns ist die NATO als Militärbündnis eine Hinterlassenschaft des Kalten Krieges. Natürlich möchte die Linke, dass die NATO aufgelöst wird und im Rahmen einer Reform der Vereinten Nationen durch Formen der kollektiven Sicherheit ersetzt wird. Es wäre vernünftige Politik, eine solche Debatte einmal anzustoßen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen eine andere Philosophie, nämlich eine Philosophie der globalen Gerechtigkeit, des Völkerrechtes, der Demokratie und der Abrüstung, wie sie der Club of Rome vorschlägt. Wir sind an der Seite des Club of Rome. Die Regierung steht auf der anderen Seite. Das ist auch nichts Neues.

Ich will gleich dazusagen: Zwischen den friedenspolitischen Vorstellungen der Linken und der NATO-Strategie der Bundesregierung gibt es nichts Verbindendes. Ich sehe dort keine Brücke, sondern klare Widersprüche. Beides ist unvereinbar - auch von unserer Seite aus. Das möchte ich betonen. Eigentlich bin ich darauf auch stolz.

(Beifall bei der LINKEN)

Schauen wir uns einmal den Krieg in Afghanistan an. Wir sind im elften Jahr dieses Krieges. Er ist politisch gescheitert. Er ist militärisch gescheitert. Er war moralisch schändlich, weil er nicht den Menschen geholfen hat, sondern bisher über 30.000 Menschen in Afghanistan das Leben geraubt hat. Was unter dem Signal „Menschenrechte“ angefangen worden ist, hat das Leben von Menschen vernichtet. Das ist der größte Vorwurf, den man gegen diesen Krieg erheben muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Bislang haben alle Bundesregierungen diesen Krieg betrieben. Ich bin froh, dass jetzt endlich über einen Abzug diskutiert wird, möchte aber, dass auch wirklich abgezogen wird und nicht nur so getan wird, als ob man abzieht, und dann doch Truppen in Afghanistan hinterlassen werden.

Ich füge hinzu: Stellen Sie auf dem NATO-Gipfel in Chicago eindeutig klar, dass Deutschland sich nicht an einem neuen Krieg im Nahen Osten, an einem Krieg gegen den Iran, beteiligen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn beides, Krieg in Afghanistan und Krieg im Iran, zusammengeht, bedeutet das die Vernichtung der Welt. Das kann man doch nicht einfach so akzeptieren. Hier muss ein klares Wort gesprochen werden.

Zum Schluss mache ich Ihnen einen Vorschlag. Ich möchte gern, dass im September dieses Jahres, zum dritten Jahrestag von Kunduz, dieses Menetekels, der letzte deutsche Soldat Afghanistan verlassen hat. Machen Sie das am besten zusammen mit der französischen Armee; denn die Ankündigung des neuen französischen Präsidenten, 2012 alle Soldaten Frankreichs aus Afghanistan abzuziehen, war doch auch ein Signal.

(Beifall bei der LINKEN Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Nein, er hat „Kampftruppen“ gesagt!)

Es wäre eine gute deutsch-französische Aktion, im September dieses Jahres alle deutschen und alle französischen Soldaten aus Afghanistan abzuziehen. Das wäre einmal ein Stück weit neue und europäische Politik.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)