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Zur Mandatsausweitung von Atalanta

Rede von Norman Paech,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Erler und Herr Jung, ich kann ja verste­hen, dass Sie optimistisch sein und sich ein schönes Bild malen müssen. Ich bin aber sehr viel mehr bei Herrn Stinner, der realistisch aufgezeigt hat, was dort wirklich geschehen ist.

Ich will nur zwei Zahlen nennen. Sie können es im Augenblick vielleicht als Erfolg werten, dass 2008 nur 42 Schiffe erfolgreich gekapert worden sind und 2009 bis jetzt nur 29. Warten Sie aber die kommenden Monate ab. Die Rechnung wird am Schluss gemacht. Sie werden sehen, dass in 2009 sehr viel mehr Schiffe gekapert wer­den.

(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Dann rech­nen Stinner und Paech ab!)

Im Grunde ist Ihnen allen doch klar, dass diese Art der Piratenjagd gar keinen Erfolg haben kann. Jetzt wol­len Sie das Einsatzgebiet von 3,5 Millionen Quadratkilo­metern auf 5 Millionen Quadratkilometer ausweiten. Das ist ungefähr 14-mal so groß wie die Bundesrepublik. Sie wissen ganz genau, dass diese paar Dutzend Schiffe auf diesem Gebiet noch weniger ausrichten können als bisher.

Schon kommen der Verband Deutscher Reeder, aber auch die FDP - das war vorauszusehen - mit der Forde­rung nach mehr Schiffen. 150 Schiffe bringt Frau Homburger schon ins Spiel. Der „Atalanta“-Komman­deur Philipp Jones spricht von Hunderten Schiffen, die notwendig wären.

Jetzt haben Sie erst einmal die Seychellen im Visier, und dann kommt natürlich irgendwann Madagaskar hinzu. Das hat doch alles keinen Sinn. Sie kaschieren Ihre Hilflosigkeit durch militärische Muskeln. Das erin­nert mich historisch ein wenig an Wilhelm II., der ein­mal vor Marokko aufkreuzte.

(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Verharmlosung von Wilhelm II.! - Wolfgang Wieland [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie sprechen ja von Kriegsmarine, nicht von der kaiserlichen Marine!)

Im neuesten Friedensgutachten der fünf größten For­schungsinstitute stehen zu unserem Thema zwei bemer­kenswerte Aussagen, die ich zitieren möchte:

Eine fast kriminell zu bezeichnende Untätigkeit der entwickelten Länder hat mit dazu beigetragen, dass sich ein zunächst unbedeutendes lokales Ärgernis zu einer internationalen wirtschaftlichen Bedro­hung auswirken konnte.

Und:

Piraterie ist ein ständiges Phänomen, sie reagiert vor allem auf fehlende Regierungsführung, extreme Einkommensunterschiede und auf politische Miss­stände.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist der Kern des Problems und auch der Schlüssel für eine nachhaltige Lösung.

Es gibt im Grunde drei Arten internationaler Krimina­lität vor Somalia, die von dem Zerfall dieses Staates pro­fitiert haben und profitieren. Das sind der illegale Fisch­fang durch industrielle Fangflotten, die Verklappung von Giftmüll und die Piraterie. Alle drei sind sehr eng mit­einander verbunden, und für alle drei Probleme sind die großen Industrieländer hauptverantwortlich.

(Beifall der Abg. Sevim Daðdelen [DIE LINKE])

Wessen Schiffe waren es denn, die den Fisch aus dem Meer geholt und stattdessen Unmengen von Giftmüll dort verklappt und versenkt haben? Erst die Angriffe auf die Schiffe der großen Industrienationen haben für öf­fentliche Empörung gesorgt und das Militär auf den Plan gebracht.

In der Debatte vor ungefähr 14 Tagen wollten Sie nichts von dem illegalen Fischraub hören. Deshalb hier noch einmal zwei Zahlen: Schon 2005 belief sich der jährliche Verlust für die somalische Wirtschaft auf 94 Mil-lionen Dollar, und 2008 haben Europäer und Asiaten Fisch im Wert von 300 Millionen Dollar aus den Gewäs­sern vor Somalia geholt. Was blieb den armen Küstenbe­wohnern eigentlich noch übrig? Sie konnten entweder flüchten und auf dem Meer sterben oder angreifen.

Um nicht missverstanden zu werden: Piraterie darf die Seeschifffahrt nicht gefährden und muss bekämpft werden. Aber solange Sie nicht mit zivilen Mitteln an die Wurzeln herangehen, ist jede militärische Aktion sinnlos und destabilisiert die gesamte Region. Deswegen lehnt die Linksfraktion dieses ganze unsinnige Unter­nehmen ab.

(Beifall bei der LINKEN - Rainer Arnold [SPD]: Gibt es auch eine Perspektive nach die­ser Analyse?)