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Zum VW-Gesetz

Rede von Dorothée Menzner,

VW-Gesetz muss erhalten bleiben

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Ich gebe das Wort der Kollegin Dorothée Menzner,
Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Dorothée Menzner (DIE LINKE):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen
und Kollegen! Dass wir die Novellierung des VW-Gesetzes
zu einer Zeit diskutieren, die durch die aktuelle
Finanzkrise geprägt ist, ist ein Zufall. Es besteht aber
durchaus ein Zusammenhang zwischen VW-Gesetz und
Finanzkrise.
(Zuruf von der CDU/CSU: Was?)
Diesen müssen wir uns bewusst machen. Schließlich
bieten Krisen die Chance, aus Fehlern zu lernen. Die
Finanzkrise ist verursacht durch Profitgier und Deregulierung,
durch mangelnden Einfluss der arbeitenden
Menschen und durch das Fehlen demokratischer Kontrolle
durch den Staat.
Das alte VW-Gesetz begründete für das Unternehmen
eine besondere sozialstaatlich geprägte Unternehmensverfassung.
Die VW-Beschäftigten und der Staat erhielten
durch das Gesetz größere Einflussmöglichkeiten, um
willkürliche Betriebsverlagerungen gegen den Willen
der Belegschaft und eine Übernahme durch Spekulanten
zu verhindern. Viereinhalb Jahrzehnte kam niemand auf
die Idee, dass diese Festlegungen einmal gegen das
Recht der Europäischen Gemeinschaft verstoßen könnten,
bis die EU-Kommission 2005 vor dem Europäischen
Gerichtshof geltend machte, das Gesetz schränke
die Kapitalverkehrsfreiheit unzulässig ein. Der EuGH
gab dem in einigen, nicht allen Punkten statt.
Wir von der Linken haben schon im März dieses Jahres
einen Gesetzentwurf eingebracht, um das VW-Gesetz
so zu verändern, dass es nicht im Widerspruch zu
dem Urteil des EuGH stehen würde. Wir hatten zum einen
vorgeschlagen, die Stimmrechtsbeschränkung auf
maximal ein Viertel der Stimmen zu streichen, aber eine
qualifizierte Mehrheit von vier Fünfteln für bestimmte
Beschlüsse der Hauptversammlung bestehen zu lassen.
Dem ist die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf
gefolgt.
Zum anderen hatten wir vorgeschlagen, die Stimmrechtsdelegation
durch öffentliche Anteilseigner im Hinblick
auf das EuGH-Urteil zu modifizieren. Die Bundesregierung
will im Gegensatz dazu diese Möglichkeit
ersatzlos streichen. Das ginge zulasten des demokratischen
Einflusses der Allgemeinheit, und zwar, wie wir
meinen, ohne dass dies durch das EuGH-Urteil gefordert
würde. Darüber werden wir im Laufe der Beratungen
kontrovers diskutieren müssen.
Darüber hinaus müssen wir aber ganz grundsätzlich
der profitorientierten und deregulierten marktradikalen
Rechtsprechung des EuGH entgegentreten. Diese Rechtsprechung
finden wir auch in aktuellen Urteilen zur Einschränkung
des Streikrechts, zum Grundsatz der Tariftreue
im niedersächsischen Landesvergabegesetz und
gegen wichtige soziale Elemente des luxemburgischen
Arbeitsrechts. Dadurch wird den Marktfreiheiten des
Kapitals, der Niederlassungsfreiheit, der Dienstleistungsfreiheit
und der Kapitalverkehrsfreiheit Vorrang
vor den Grundrechten und dem Sozialstaatsprinzip gegeben.
Diese EuGH-Rechtsprechung hat nichts mit den ursprünglichen
Intentionen der Verträge und auch nichts
mit einem sozialen Europa zu tun.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir brauchen nicht ein VW-Gesetz, sondern wir brauchen
insgesamt Unternehmensverfassungen, durch die
Mitbestimmungsrechte gesichert werden und die Unterordnung
von Unternehmen unter bloßes Spekulantentum
verhindert wird. Um das auch europarechtlich gegenüber
dem EuGH abzusichern, benötigen wir Klarstellungen
im Primärrecht der EU. Deshalb haben wir gemeinsam
mit dem DGB die Aufnahme eines sozialen Fortschrittsprotokolls
in die Verträge gefordert. Kurzfristig geht es
aber darum, das VW-Gesetz möglichst weitgehend zu
(
erhalten. Über den besten Weg dazu werden wir in den
Beratungen zu streiten haben.
Ich danke.
(Beifall bei der LINKEN)