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Zu Protokoll gegebene Rede

Rede von Thomas Lutze,

Eine grundsätzliche Reform des deutschen Kammerwesens und damit auch des IHK-Gesetzes von 1956 ist längst überfällig. Wir haben bereits in der 16. Legislaturperiode einen eigenen Antrag dazu vorgelegt, dessen Begründung und Forderungen heute mehr denn je zutreffen.

Seit Jahren kritisiert eine wachsende Mehrheit der Unternehmen selbst die Arbeit und Vertretung ihrer Interessen durch die 69 IHKen in Deutschland und insbesondere die Aufgabe des DIHK. Die Pflichtmitgliedschaft in einer IHK und der oft als ungerecht empfundene Beitragssatz sind hier nur ein Ärgernis.

Entscheidend sind für uns aber nicht die Frage der Pflichtmitgliedschaft oder die Selbstorganisation der Unternehmen und die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben der Kammern als solches. Dies alles ist für die Linke wichtig; allerdings kommt das Kammerwesen nicht um eine generelle Reform herum, um die bekannten Probleme zu lösen und die Arbeits- und Organisationsweise zu ändern.

Ursächlich sind für uns die weitgehend vermachtete Grundstruktur, die Intransparenz, fehlende Verantwortlichkeit und Rechenschaft gegenüber den Pflichtmitgliedern und mangelnde interne Demokratie. Die IHKen und insbesondere der DIHK sind zunehmend Sprachrohre sehr spezifischer Unternehmensinteressen, und viele kleine und mittlere Unternehmen und progressive Unternehmerinnen und Unternehmer fühlen sich übersehen, übergangen und nicht vertreten.

Klar ist, dass vor allem in den Stellungnahmen und Positionierungen die Interessen ökonomisch starker, großer Unternehmen – oft mit hoher Exportorientierung – der klassischen Branchen und Industrie berücksichtigt werden. Auch das ist nicht neu, sondern hinlänglich über Jahrzehnte bekannt und belegt durch eine Vielzahl kritischer Stimmen und Kampagnen in und um die Kammern aus dem Unternehmenssektor selbst.

Die IHKen und der DIHK vertreten auch nie die Wirtschaft als Ganzes; denn zumindest der wichtige Teil der Beschäftigten ist in dieser Verbandsstruktur gar nicht vertreten oder berücksichtigt. Auch hier hat sich seit den 1950er-Jahren nichts Wesentliches geändert, und mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden eher Konflikte im Hinblick auf die Arbeits- und Sozialpolitik der klassischen Tarifparteien und anderer Organisationen eher möglich. Zumindest fehlt es an klaren Abgrenzungen und Definitionen im Gesetzentwurf, wie in den Anhörungen von den Gewerkschaften aufgezeigt wurde.

Die Bundesregierung hat es wieder einmal versäumt, eine zukunftsfähige Reform des Kammerwesens aktiv auf den Weg zu bringen und schützt lediglich die Struktur und die Akteurinnen und Akteure, denen nicht allein durch die jüngsten Gerichtsurteile ein strukturell fehlerhaftes Verhalten bescheinigt worden ist. Das ist eine völlig verpasste Chance, wodurch der interne Reformunwille auch noch belohnt wird.