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Zeit für Taten - jetzt einen gesetzlichen Mindestlohn

Rede von Inge Höger,

Statement Inge Höger am 23. August 2006 bei einer Aktion vor dem Bundeskanzleramt anlässlich der Kabinettsberatung über die Ausweitung des Entsendegesetzes für Gebäudereiniger

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

zur Stunde tagt hier gegenüber das Bundeskabinett. Auf der Tagesordnung steht das Thema Mindestlohn. Mit einem Gesetzentwurf zur Ausweitung des Entsendegesetzes für Gebäudereiniger soll der Grundstein für einen Mindestlohn in unserem Land gelegt werden. Mindestlohn für eine Branche ist besser als gar keinen Mindestlohn. Doch dieser Einstieg ist für uns LINKE zu zaghaft, zu zauderhaft! Ich habe eher den Verdacht, dass die Regierung durch ihre Klein-Klein-Debatte einen gesetzlichen Mindestlohn, so wie wir ihn als Fraktion DIE LINKE fordern, verhindern möchte.
Das macht sich auch an der Tatsache deutlich, dass entgegen den Ankündigungen die Beschäftigten bei Zeitarbeitsfirmen draußen vor bleiben sollen. Arbeitsminister Franz Müntefering tut das mit Rücksicht auf die Union.

Etwa 650.000 Beschäftigte in der Gebäudereinigerbranche werden unter Umständen in den Genuss eines Mindestlohnes kommen. In unserem Land sind aber gut sechs Millionen Menschen von unanständigen Hungerlöhnen betroffen. Für ein reiches Industrieland ist das eine Schande.

Schon mehrfach hat das Bundesarbeitsgericht den Arbeitgebern ins Stammbuch geschrieben, Tarifverhandlungen dürfen nicht zur kollektiven Bettelei verkommen. Doch genau das sind Tarifverhandlungen inzwischen. Landauf- landab werden Beschäftigte, ihre Betriebsräte und die Gewerkschaften erpresst.

Während in andren Ländern, beispielsweise in Großbritannien, Frankreich oder den USA in den vergangenen 15 Jahren die Reallöhne um 15 bis 25 Prozent gestiegen sind, sind sie in Deutschland um gut ein Prozent gesunken. Löhne und Gehälter befinden sich auf einer rasanten Talfahrt.
Der Niedriglohnbereich, den wir angeblich so dringend brauchen, gibt es bereits und er wird stetig ausgeweitet.

Mit den Mitteln der Tarifpolitik alleine ist diese Entwicklung nicht zu stoppen. Deshalb fordern wir einen gesetzlichen Mindestlohn. Acht Euro pro Arbeitsstunde. Wir fordern dies, weil die Schwachen Schutz brauchen. Wir fordern dies, weil die Tarifautonomie gestärkt werden muss. Menschen dürfen nicht schutzlos den Kapitalinteressen ausgeliefert sein!

Beim Thema Mindestlohn hinkt unser Land der europäischen Entwicklung hinterher. Unsere Nachbarländer machen seit vielen Jahren vor, dass der Mindestlohn funktioniert. Sie sehen hier sechs Fahnen aus sechs europäischen Ländern mit einem Mindestlohn etwa in der Höhe, die wir LINKE fordern. Ist eines dieser Länder untergegangen? Recherchieren Sie!

Nur bei uns geht immer gleich das Abendland unter, wenn die Gewerkschaften etwas fordern. Selbst die Arbeitgebervertreter dieser Länder bestätigen uns, dass der Mindestlohn keinen Schaden angerichtet hat. Ich rufe Frau Merkel und Herrn Müntefering zu: Seien Sie nicht so ängstlich, nicht so zaghaft. Haben Sie Mut. Nehmen Sie sich ein Beispiel an unseren Nachbarn und legen einen Gesetzentwurf für einen flächendeckenden Mindestlohn vor. Es ist Zeit zum Handeln - im Interesse der Menschen und im Interesse der Kaufkraft. Es darf nichtsein, dass Menschen von ihrer Hände Arbeit kein anständiges Leben führen können. Von Arbeit muss Mensch leben können. Arbeit darf nicht arm machen. Deshalb hat die Fraktion DIE LINKE den Antrag "Für einen sozial gerechten Mindestlohn in Deutschland" in den Deutschen Bundestag eingebracht. Acht Euro pro Stunde sind das Mindeste. Gesetzlich garantiert.

Ich danke Ihnen für ihr Interesse und ihre Aufmerksamkeit.