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"Wohnriester" knüpft nahtlos am Skandal der Riester-Rente an

Rede von Barbara Höll,

Rede zur Zweiten und dritten Beratung des von der Regierungskoalition eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur verbesserten Einbeziehung der

selbstgenutzten Wohnimmobilie in die

geförderte Altersvorsorge (Eigenheimrentengesetz

- EigRentG)

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das System der Riester-Rente ist der Einstieg in die Privatisierung und Individualisierung der Rentenversicherung. Das lehnen wir als LINKE ab.

(Beifall bei der LINKEN - Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das ist die Wohnblockbetrachtung!)

Damit wird die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich weiter vorangetrieben. Zukünftige Rentnergenerationen werden aus einem wachsenden Teil von Rentnern mit kärglichen Renteneinkommen und einem privilegierten kleinen Teil von Rentnern mit guter Absicherung bestehen.

Die Zeitschrift Finanztest hat im letzten November ermittelt, dass der Abschluss eines Riester-Vertrages erst ab einem Bruttomonatseinkommen von 1 900 Euro zu einer Aufbesserung der Alterseinkünfte führt. Wer weniger verdient, erleidet reale Einkommensverluste im Lebensverlauf. Sie oder er landet am Ende bei der Altersgrundsicherung, mit der dann die Riester-Rente verrechnet wird. Das heißt im Klartext: Ein Leben lang umsonst gespart, im Alter trotzdem arm und auf staatliche Hilfe angewiesen! Ich zitiere einmal Norbert Blüm:

Das ist die Riester-Hilfe für den Staatshaushalt, finanziert von denen, die eine geringe Rente, nämlich unterhalb der Höchstgrenze der Grundsicherung, haben.
Er hat damit recht - leider.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber selbst für Menschen mit einem höheren Monatseinkommen erweist sich die Riester-Rente als Mogelpackung. Fachleute und Presse machen darauf aufmerksam, dass bei der Riester-Rente höchst unfair kalkuliert wird. Der Mechanismus der Riester-Rente und die Nachbesteuerung sorgen dafür, dass rein rechnerisch die gewährten staatlichen Zuschüsse erst nach circa 20 Jahren der Rentnerin oder dem Rentner zugute kommen.

(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Da muss man schon verdammt alt werden!)

Dank der von der Regierung beschlossenen schrittweisen Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre müsste sie oder er also mindestens 87 Jahre alt werden, um etwas von den Zuschüssen zur Riester-Rente zu haben.
Nun lag im Jahr 2007 die durchschnittliche Lebenserwartung für Neugeborene um über fünf Jahre darunter. Für die Angehörigen der anderen Generationen ist sie noch niedriger. Hinzu kommt: Je geringer das Einkommen ist, umso geringer ist in Deutschland auch die Lebenserwartung der Menschen. 44 Prozent aller Riester-Sparerinnen und -Sparer sind Geringverdiener mit einem Jahreseinkommen von unter 20 000 Euro. Im Durchschnitt wird diese Gruppe daher nicht von der Riester-Rente profitieren. Von der staatlichen Förderung hat sie nichts.

Es stellt sich natürlich die Frage: Wer profitiert dann? Das ist ganz eindeutig zu beantworten: die privaten Versicherungskonzerne. Sie bekommen 25 Prozent von den Risikoüberschüssen, also von den Beträgen, die dank des Jonglierens mit Sterbetafeln unterm Strich übrig bleiben. Ist die Riester-Rente also ein Erfolgsmodell ohne Wenn und Aber, wie Sie von der Koalition uns weismachen wollten? Mitnichten! Die Riester-Rente ist ein Skandal.

Ihr Konzept, die Riester-Rente nun mit der Förderung des Wohneigentums zu kombinieren, knüpft nahtlos daran an.

(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das durchlöchert den Antagonismus der Klassen! Das ist ja klar!)

Das Eigenheimrentengesetz soll jetzt kräftigen Rückenwind für die Eigentumsbildung bringen; Herr Oswald hat es noch einmal bestätigt. Es soll kurzfristig wirken. Wunderbar! Sie beklagen den Einbruch beim Häuserbau. Wer hat denn die Eigenheimzulage gestrichen, sodass es zu diesem Einbruch kam? Wer hat denn dieses Gesetz verabschiedet?

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist skurril, was Sie hier bieten.
Man muss einmal die Zahlen vergleichen. Die Eigenheimzulage verursachte 2004 Steuermindereinnahmen - über alle Gebietskörperschaften hinweg - in Höhe von knapp 7,2 Milliarden Euro. Demgegenüber kalkulieren Sie beim Eigenheimrentengesetz mit einer vollen Jahreswirkung in Höhe von 940 Millionen Euro, also nicht einmal 1 Milliarde Euro. Die volle Wirkung entfaltet sich - das kommt ja schrittweise - allerdings erst in 25 Jahren. Für das nächste Jahr planen Sie immerhin schon mit ganzen 20 Millionen Euro. Und das soll dann den Boom in der Bauwirtschaft auslösen?

(Dr. Hans-Ulrich Krüger [SPD]: Aber bestimmt!)

Im Vergleich dazu war mit der damaligen Eigenheimförderung mit ihren klaren Einkommensgrenzen und der sonstigen Ausgestaltung wenigstens eine soziale Ausrichtung verbunden. Ihr Wohn-Riester hingegen ist in erster Linie ein Förderprogramm für die Versicherungswirtschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie sonst ist es zu erklären, dass Sie auch Kombinationsmöglichkeiten aus tilgungsfreiem Darlehen und einem Bausparvertrag mit in die Förderung einbeziehen? Es macht ja nun wirklich keinen Sinn, parallel zu einem Kredit zu sparen, da der Kreditzins in der Regel höher als der Sparzins ist. Diese Finanzierungskombinationen sind für diejenigen, die das nutzen wollen, überhaupt nicht zu durchblicken und in vielen Fällen nachteilig. In die gleiche Richtung weist auch, dass Sie die wohnungswirtschaftliche Zweckbindung der Wohnungsbauprämie für Jüngere aufgehoben haben. Unwirtschaftliche Produkte werden durch Subventionen für junge Menschen attraktiv gemacht. Das ist doch eigentlich Betrug.

(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Na, na! Den Betrug an der Bevölkerung, den Sie angerichtet haben, bezahlen wir noch immer! - Eduard Oswald [CDU/CSU]: Da kann man nur den Kopf schütteln!)

Bei Ihrem eigentumsfixierten Ansatz blenden Sie völlig die Risiken aus, die mit der Einbeziehung von Wohneigentum in die Altersvorsorge verbunden sind. Angesichts der Turbulenzen auf den Immobilienmärkten und der demografischen Entwicklung ist nicht sichergestellt, dass Wohneigentum überhaupt einmal oder werterhaltend verkauft werden kann. Hierfür sprechen immer mehr Gründe: Es gibt steigende Mobilitätsanforderungen, und die Notwendigkeit altersgerechten Wohnens nimmt zu. Das wird oftmals in frühen Lebensphasen nicht so beachtet. Verbraucherschützer warnen deshalb davor, tatsächlich Wohn-Riester zu nutzen.

Während Sie hier jetzt Wohneigentum als die beste Altersvorsorge verkaufen, haben Sie an anderer Stelle den Schutz des Wohneigentums längst unterhöhlt.

(Dr. Hans-Ulrich Krüger [SPD]: Wir respektieren die Entscheidungsfreiheit des Riester-Sparers!)

Hier liegt der Zusammenhang mit dem Arbeitslosengeld II. Da wir uns darüber im Ausschuss schon intensiv unterhalten haben, bringe ich Ihnen jetzt einmal ein Beispiel.

Eine 55-jährige Frau hat 30 Jahre gearbeitet. Sie hat 1995 als Mutter von zwei Kindern mit staatlicher Förderung und Eigenmitteln von über 80 000 DM ihr Haus in Eigenverantwortung als Alterssicherung gebaut. Die Kinder sind zwischenzeitlich erwachsen und ausgezogen. Das selbstgenutzte Haus hat eine Wohnfläche von 102 Quadratmetern auf einem 776 Quadratmeter großen Grundstück. Seit 2005 ist sie Bezieherin von Hartz IV, also ALG II. Nach langem Kampf bekommt sie nunmehr Leistungen der Grundsicherung und angemessene Kosten der Unterkunft in Höhe von insgesamt 663 Euro. Ihre laufenden Wohnkosten betragen circa 500 Euro monatlich. Sie hat die Wahl, entweder von 163 Euro zu leben und weiter ihr Haus zu unterhalten oder zuzusehen, wie die Bank ihr Haus kassiert, weil die Verbindlichkeiten nicht weiter beglichen werden können. Nach ihrem letzten Rentenbescheid kann sie eine Rente von 520 Euro erwarten.

Erzählen Sie doch nicht, dass Wohneigentum ohne jedes Wenn und Aber eine gute Form der Alterssicherung ist, wenn solche Fälle im Gesetz noch nicht einmal richtig geklärt sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Es bleibt als Fazit: Es gab und gibt keine Notwendigkeit, das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung abzusenken. Selbst die Berechnungen der Versicherungswirtschaft haben gezeigt, dass es möglich ist, zum früheren Rentenversicherungssystem zurückzukehren und dabei das ursprüngliche Niveau zu halten. Dies würde im Jahre 2030 einen Beitragssatz von 25,2 Prozent erforderlich machen.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Ich komme zum Ende. - Unter der Bedingung, dass ein solcher Beitragssatz paritätisch aufgeteilt würde, also auch die Arbeitgeber ordentlich daran beteiligt würden, wäre eine solidarische gesetzliche Rentenversicherung tatsächlich möglich.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Frau Kollegin!
(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Es wird der Stecker herausgezogen, wenn nicht gleich Schluss ist!)

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE):
Es gibt keine bessere Alternative für ein würdevolles Leben im Alter als eine solche Regelung. Für diese treten wir ein.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)