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Wohngelderhöhung vorziehen

Rede von Dorothée Menzner,

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Ich darf mal etwas provozieren und fragen: Ist Karl Marx tot? Nein, Marx war tot. Er starb 1883. Die Grabrede hielt sein Freund Friedrich Engels, und der sagte damals:

„Wie Darwin das Gesetz der Entwicklung der organischen Natur, so entdeckte Marx das Entwicklungsgesetz der menschlichen Geschichte: die bisher unter ideologischen Überwucherungen verdeckte Tatsache, dass die Menschen vor allen Dingen zuerst essen, trinken, wohnen und sich kleiden müssen, ehe sie Politik, Wissenschaft, Kunst, Religion usw. treiben können … “

Wohnen gehört zu den Grundbedürfnissen. Das gilt auch für Jene, denen es schwerfällt, die Wohnung zu finanzieren und die auf Wohngeld angewiesen sind. Da ist es gut, dass wir hier dass Vorziehen der Wohngelderhöhung beraten.

In der Sache sind wir uns ja nun offenbar alle einig, Auch die CDU/CSU-Fraktion hat sich letztlich für diese soziale Leistung ausgesprochen. Fast könnte man an einen Linksrutsch bei der Koalition glauben. Die Entscheidung, Hunderttausenden nun mehr Wohngeld zu bezahlen, ist ein gutes Signal. Doch ohne Druck von links wäre das wohl nicht passiert.

Wer wissen will, wie es um das Wohngeld gerade jetzt, angesichts der Wirtschaftskrise, bestellt ist, der sollte mal die Internet-Präsenz des Arbeitslosenforums Deutschland - www.arbeitslosennetz.de - ansehen. Da wendet sich jemand mit einem dramatischen Hilferuf an das Forum, der mit einer Einschränkung seines Wohngelds rechnen muss. Eine Sachbearbeiterin wollte die Zahlung nicht verlängern. Er solle sich doch jemanden suchen, der ihm zusätzlich Unterhalt gewähre. Glücklicherweise habe er jemanden in der seiner Familie, der ihm kurzfristig helfen könne. Allerdings, so fügt er hinzu, betrage sein Einkommen nun 585 Euro. Davon werden circa 455 Euro angerechnet. Das Ergebnis ist, dass er dafür nur noch 109 Euro Wohngeld bekommt.

Grund dafür sind die Wohngeldtabellen und die gerade neu festgelegten Mietenstufen, auf die ich hier eingehen möchte. Es ist zwar erfreulich, wenn Staatssekretärin Karin Roth in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Linken im Bundestag antwortet:

„Auch im Falle einer Änderung der Mietenstufe kommen daher 90 Prozent der Wohngeldempfänger in den betroffenen Gemeinden in den vollen Genuss der durchschnittlichen Leistungsverbesserungen. Nur für die Überschreiter der Höchstbeträge fallen die Verbesserungen unterschiedlich aus. Eine Hochstufung der Gemeinde bedeutet für sie eine überdurchschnittliche, eine Herabstufung eine unterdurchschnittliche Verbesserung. Eine Herabsetzung führt aber nicht zu einer geringeren Wohngeldzahlung als bisher.“

Aber -so füge ich hinzu! - sie führt eben auch nicht in allen Fällen zu einer höheren Wohngeldzahlung. Nach Angaben der Bundesregierung haben zehn Prozent der Betroffenen überhaupt nichts von der Wohngelderhöhung. Bei rund 800 000 Betroffenen sind das immerhin rund 80 000 Menschen, für die sich nichts verbessert.
jeder davon ist einer zuviel.

Wie gesagt, der Grundtenor der Antwort von Frau Roth ist erfreulich. Aber zehn Prozent gehen offenbar leer aus. Ist das Absicht?

Im Bundesdurchschnitt geben die Haushalte übrigens rund 35 Prozent ihres Nettoeinkommens für Miete und Betriebskosten aus - das ist ein erheblicher Teil. In manchen Medien war daher zu lesen, dass die Miete ein Drittel des Einkommens „frisst“. Besonders bei ärmeren Menschen steigt dieser aufgefressene Anteil mitunter auf 50 Prozent. So beschreibt der Immobilienverband Deutschland (IVD) die Belastungen für Geringverdiener, die in Städten leben, als „besonders massiv“.

Doch wie gesagt: Menschen müssen zuerst essen, trinken, wohnen und sich kleiden, ehe sie Politik, Wissenschaft, Kunst, Religion treiben. Wohnen ist ein Menschenrecht. Und daher ist es keine Frage: Unsere Fraktion stimmt dem eigenen Antrag zu und erklärt gleichzeitig: Es darf nicht sein, dass Menschen mit niedrigem Einkommen immer mehr Geld für die Miete ausgeben müssen.

Auch wenn das Wohngeld hier lindernd wirkt: DIE LINKE lässt sich damit noch nicht abspeisen!