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Woher nehmen und nicht stehlen?

Rede von Jörn Wunderlich,

Mit der Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts legt die Bundesregierung wieder einmal ein Gesetz vor, dessen Finanzierung nicht nur offen ist, sondern die auch noch den ohnehin finanzarmen Kommunen übergeholfen werden soll.

Der vorgelegte Gesetzentwurf kommt den Bedarfen der Wirklichkeit nach. Nach den bekanntgewordenen Fällen von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung sieht sich die Regierung genötigt endlich aktiv zu werden.
Die Probleme werden damit allerdings nicht behoben, es soll jedoch Schadensminimierung betrieben werden.

Vom Ansatz her ist der Gesetzentwurf auch in seiner Zielrichtung begrüßenswert. So soll der schon jetzt erforderliche persönliche Kontakt zum Mündel durch den Vormund gesetzlich festgeschrieben werden.
Dies wird auch der Kontrolle des Familiengerichts unterstellt, indem der Vormund dem Familiengericht über die persönlichen Kontakte, welche mindestens monatlich erfolgen müssen, berichten soll.

Fraglich ist, wie es sich in der Praxis darstellen soll, dass der Vormund die Pflege und Erziehung persönlich fördern und gewährleisten soll.

Schön ist, dass im Kinder-und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) die Zahl der zu übernehmenden Vormundschaftfälle bei hauptamtlichen Beschäftigten auf 50 begrenzt werden soll, wobei aber bereits bei dieser Anzahlt sich die Frage nach effektiver Pflege und Erziehung stellt. Hier wird Druck aufs Personal ausgeübt, was der Qualität zuwiderläuft.
Bei der zulässigen Maximalzahl stünde pro Mündel ein halber Tag pro Monat zur Verfügung, im Grunde ist abzusehen, dass diese Zeit kaum ausreicht, um der Zielstellung des Gesetzes gerecht zu werden.
Abgesehen davon, dass die Kosten, welche auf die Kommunen zukommen, angeblich nicht beziffert werden können.
Die Zahl der Stellen in den Kommunen dürften im Bereich der Amtsvormundschaft zum Teil, so sagt es der Gesetzentwurf ja selbst aus, bis zu 100 % erhöht werden. Und zwar muss es sich dabei um qualifiziertes Personal handeln.

Fraglich bleibt in diesem Zusammenhang, wie die Kommunen in Zeiten knapper Kassen und schwindender Landeszuweisungen diese Kosten tragen sollen, ohne dass in den Ämtern an andere Stelle gespart wird.

Hinsichtlich der Änderung zu § 1840 BGB (Jahresbericht) scheint dies entbehrlich zu sein, zumal der Vormund dem Gericht laufend über die persönlichen Kontakte entsprechend § 1837 BGB zu berichten hat.
In diesem Kontext dürfte auch ein erhöhter Arbeitsaufwand bei der Justiz anfallen, da sämtliche Fälle von Amtsvormundschaften permanent kontrolliert werden müssen, um notfalls auch den Amtsvormund abzubestellen, falls dieser seiner monatlichen Kontaktpflicht nicht nachkommt.
Von daher sind nicht nur die Gebietskörperschaften, wie der Gesetzentwurf nahelegt, sondern auch die Länder selbst im Rahmen der Stellen in der Justiz betroffen; wenn auch nicht in dem Maße wie die Jugendämter.
Zu den genauen Kosten dürfte es einigermaßen problemlos sein, die entsprechenden Zahlen von den Landesjustizverwaltungen und Landesjugendämtern einzuholen, um dann hochzurechnen, mit welche Mehrausgaben Länder und Kommunen zu rechnen haben und wie die Finanzierung gestaltet werden soll.

Aufgabe der Bundesregierung ist es nicht nur neu Gesetze zu schaffen, sondern auch deren Durchsetzbarkeit zu gewährleisten. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf stiehlt sich die Regierung einmal mehr aus der Verantwortung, denn sie überträgt den Ländern und Kommunen weitere Aufgaben, wohlwissend, dass die dafür erforderlichen finanziellen Mittel bei den Kommunen nicht vorhanden sind. Damit wird den Bedürfnissen der Betroffenen keine Rechnung getragen.
Ich hoffe, dass wir im Ausschuss noch entsprechende Lösungen konstruktiv erarbeiten können.