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Wirtschaft und Menschenrechte: Bundesregierung muss endlich handeln statt verhandeln

Rede von Niema Movassat,

„Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis“ scheint das Motto der Bundesregierung zu sein. Mit einem langjährigen Beratungsprozess versucht sie, dem steigenden Druck für gesetzliche ökologische, soziale und menschenrechtliche Mindeststandards bei Geschäftstätigkeiten deutscher Unternehmen im Ausland etwas entgegen zu setzen, ohne wirklich handeln zu müssen. Letze Woche hat sie deshalb im Auswärtigen Amt mit der Konferenz „Wirtschaft und Menschenrechte“ einen Dialogprozess mit Wirtschaft und Zivilgesellschaft, Wissenschaft Regierung, Verwaltung und politischen Parteien gestartet. Das klingt natürlich hervorragend. Nur leider erweckt es ein wenig den Eindruck, als sei auch genau das das primäre Ziel der ganzen Aktion: Das sie hervorragend klingt.

Bis Ende 2016 soll also in mehreren Konferenzen und unter Einbeziehung vieler Ministerien dem Kabinett ein fertiger Aktionsplan zur Abstimmung vorliegen. Anfang 2017 wird das Kabinett diesen dann beschließen. Dann wird er in eine Hochglanzbroschüre gegossen. Dann kommt der Bundestagswahlkampf. Danach gibt es eine neue Bundesregierung. Die muss dann erstmal prüfen, wie sie vom Aktionsplan der vorherigen Bundesregierung steht. Das dürfte ungefähr so Mitte bis Ende 2018 abgeschlossen sein.

Ich möchte nicht alles schlecht reden: Es ist ein Fortschritt, dass auch die Union im vorliegenden Bundestagsantrag ankündigt, ein Unternehmensstrafrecht wenigstens zu prüfen. Es ist ein Fortschritt, dass die Bundesregierung das Thema Wirtschaft und Menschenrechte auf so breiter Basis zur Debatte stellt. Der konkrete Output für die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Textilfabriken Asiens ist jedoch gleich null. Die sklavenartigen Arbeitsbedingungen sind ein dringendes Problem – heute! Wir können doch nicht ernsthaft die betroffenen Menschen damit abspeisen, dass wir sagen:

„Wir haben das Problem nun endlich alle erkannt und arbeiten daran. Aber sorry, vor 2019 werden wir wohl keine gesetzlichen Änderungen bei uns in die Wege leiten, die euch helfen könnten.“

Es ist ja eben nicht so, dass wir es hier mit einer neuen Problematik zu tun haben. Dass wir erstmal Fakten sammeln, Analysen erstellen und das alles wirken lassen müssten. Das Thema steht seit Jahrzehnten auf der Tagesordnung der Zivilgesellschaft, von Gewerkschaften und fortschrittlichen  Organisationen. Bereits vor fünf Jahren, als ich in den Bundestag kam, besuchten mich Fischer aus Brasilien, denen Thyssen-Krupp mit seinem desaströsen Stahlwerkprojekt die Lebensgrundlage entzogen hatte. Textilarbeiterinnen haben in Gesprächen mit mir geklagt, sie würden in Fabriken, die für deutsche Textilunternehmen produzieren, eingeschlossen und dürften nur einmal am Tag die Toilette aufsuchen. Die EU-Kommission hat bereits im Jahr 2011 alle EU-Mitgliedsstaaten aufgefordert, die Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte des Sonderbeauftragten John Ruggie voranzutreiben. Das war 2011. 2014 startet die Bundesregierung einen Beratungsprozess, der bis 2017 andauert. Und am Ende wird ein Aktionsplan stehen, der völlig unverbindlich ist.

Ich halte das ganze Projekt insgesamt deswegen leider für Augenwischerei. Sicher gibt es innerhalb der Union und der SPD Abgeordnete, die gesetzliche Regeln für deutsche Unternehmen im Ausland tatsächlich in Erwägung ziehen. Entwicklungsminister Müller hat sich auch glaubwürdig für ambitionierte Ziele im Rahmen seiner Verhandlungen mit der Wirtschaft um ein Textilsiegel eingesetzt. Dennoch ist die Bundesregierung insgesamt weit davon entfernt, die Interessen der betroffenen Menschen in den Ländern des globalen Südens gegen die Profitinteressen der deutschen Wirtschaft durchzusetzen. Es ist sehr bedauerlich, aber freiwillig werden auch in Zukunft deutsche Firmen der Profitmaximierung im Zweifel immer Vorfahrt geben. Das haben sie eben erst bewiesen, als sie Minister Müller kurz vor Abschluss des Textilsiegels mit Argumenten von vor 15 Jahren auflaufen ließen.

Die Zeit ist überfällig, dass die Politik ihre Aufgabe erfüllt und regulierend eingreift. DIE LINKE. fordert das auch schon seit vielen Jahren. In der juristischen Fachdebatte gibt es auch bereits heute schon ausreichend Vorschläge um sofort zu handeln, nicht erst in fünf Jahren. Es ist sinnvoll, ein Unternehmensstrafrecht einzuführen. Und im Zivilrecht ist es dringend nötig, Sorgfaltsanforderungen für die Tätigkeit von Unternehmen zu definieren. Im Zivilprozessrecht müssen wir dafür sorgen, dass die Beweislast nicht einseitig bei den Betroffenen liegt, die oft gar nicht nachweisen können, wie unternehmensintern gehandelt worden ist. Und natürlich müssen wir auch europaweit und international für verbindliche Standards eintreten und Klagemöglichkeiten für Betroffenen einrichten.

Wenn wir nicht handeln, wenn wir nicht konkrete Änderungen auch im deutschen Recht auf den Weg bringen, dann wird es weiter die massiven Menschenrechtsverletzungen gegen Arbeiterinnen und Arbeiter geben, ohne dass Unternehmen Konsequenzen zu befürchten haben. Das darf nicht länger sein. Bringen Sie also endlich den politischen Willen auf, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und SPD, endlich konkret etwas zu ändern, statt weitere Jahre nur zu debattieren.