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Wir stimmen keinem Gesetz zu, das über das Grundgesetz hinwegzielt

Rede von Petra Pau,

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung

eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur

Änderung des Artikel 10-Gesetzes

1. Es geht um die Änderung des G10-Gesetzes. Und deshalb möchte ich den Zuhörern hier auf der Tribüne oder daheim vorm Fernseher kurz erklären, warum es eigentlich geht. G10 ist ein Verweis auf das Grundgesetz, konkret Artikel 10. Dort heißt es unter Punkt 1: „Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich.“

Punkt 2 wiederum bestimmt: „Beschränkungen“ des Post- und Fernmeldegeheimnisses „dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden.“ Und das wiederum nur, wenn diese Beschränkungen dem Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder dem bestand des Bundes bzw. der Länder dient.

Die Kontrolle über die tatsächlichen Eingriffe in das Post- und Fernmeldegeheimnis obliegt Organen der Volksvertretung. Auch das regelt Artikel 10 des Grundgesetzes. Mit dem G10-Gesetz wiederum werden Geheim- oder Nachrichtendienste befugt, das beschriebene Grundrecht gezielt außer Kraft zu setzen. Darin liegt seine Brisanz.

2. Das bisherige G10-Gesetz stammt aus dem Jahre 2001. Ich habe damals bereits mit Nein gestimmt - übrigens im Unterschied zu den Grünen. Seinerzeit hatten Datenschützer und Bürgerrechtler bereits moniert, dass der Eingriff in das Fernmeldegeheimnis von einer absoluten Ausnahme immer mehr zu einem üblichen Regelfall wird.

In diese Negativ-Richtung zielen nun auch die Änderungen, die heute beschlossen werden sollen. Die Befugnisse des BND werden ausgeweitet, ebenso die Fälle, bei denen das Fernmeldegeheimnis außer Kraft gesetzt werden darf. Es ist also naheliegend und nachvollziehbar, dass die Fraktion DIE LINKE dazu erneut Nein sagen wird.

Hinzu kommt: Alle Fraktionen beschweren sich aktuell darüber, dass der Bundes-Nachrichten-Dienst sich nicht in die Karten gucken lässt. Wenn es aber keine hinreichende parlamentarische Kontrolle über das Tun oder Lassen des BND gibt, dann ist es regelrecht unlogisch, ihn mit weiteren Befugnissen und Sonderregeln auszustatten.

3. Ein weiterer Kritikpunkt: Der vorliegende Gesetzentwurf ist rund drei Jahre alt. Kurz vor Toresschluss wurden allerdings noch ein paar Änderungen vorgenommen. Allerdings ohne den Bundesbeauftragten für Datenschutz davon in Kenntnis zu setzen, geschweige denn, seinen Rat einzuholen. Ein Schelm, wer da an puren Zufall denkt.

Trotzdem hat Peter Schaar dem Bundestag eine erste Stellungnahme zugeschickt. Der Kern seines Kurz-Gutachtens ist: Er hält den vorliegenden Entwurf nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Nun weiß man, dass es manche Experten der Union und der SPD mit dem Grundgesetz nicht so genau nehmen. DIE LINKE indes sehr wohl.

Gerade weil es um verbriefte Bürgerrechte geht, wird sich DIE LINKE auf die Seite der Verfassung stellen und sie schützen. Wir werden folglich keinem Gesetz zustimmen, das über die Bestimmungen des eingangs beschriebenen Artikel 10 Grundgesetz hinwegzielt und dessen Einhaltung obendrein durch den Bundestag nicht kontrollierbar ist.

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