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»Wir sind die Repräsentanten des Volkes und nicht die irgendwelcher Lobbyisten«

Rede von Gregor Gysi,

Antwort auf die Rede der Kanzlerin in der Haushaltsdebatte über den Etat des Bundeskanzleramtes - Elefantenrunde

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Ich habe festgestellt, dass Sie sich nach dem völligen Fehlstart der Bundesregierung wirklich lange Beifall klatschen mussten, um sich aufzumuntern. Aber das ändert nichts daran.
Fangen wir doch mit Ihrer Militäraußenpolitik an, also mit Afghanistan. Was mich in den letzten Wochen entsetzt hat, ist der Umgang mit der Vorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Frau Käßmann.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU/CSU)

Ich sage Ihnen auch, warum. Herr Klose hat gesagt, wenn man die Truppen der NATO aus Afghanistan abzöge, dann hätten neun Wochen später die Taliban wieder die Macht. Wenn das stimmt, lieber Herr Gabriel, dann frage ich Sie, was Sie eigentlich neun Jahre lang gemacht haben, wenn sich nichts geändert hat und nach neun Wochen wieder die alten Kräfte die Macht hätten. Wozu wurde dann neun Jahre dieser Krieg geführt? Das ist doch skandalös.

(Beifall bei der LINKEN - Sigmar Gabriel (SPD): Das ist ja wie bei euch in der Partei! Da haben auch die alten Kräfte wieder die Macht!)

Ein weiterer Punkt ist, dass Ralf Fücks von den Grünen, Herr Robbe von der SPD und auch Unionsabgeordnete auf eine Art und Weise über Frau Käßmann hergefallen sind, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte, und zwar aus einem Grunde: Wenn sich nicht einmal mehr eine führende Kraft einer christlichen Kirche für den Frieden engagieren darf und Sie ihr vorwerfen, dass sie nicht für Krieg ist, dann ist das ein einzigartiger Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich verlange von einem christlichen Menschen, dass er sich besonders für Frieden engagiert. Im Übrigen kennen wir inzwischen den NATO-Bericht vollständig. Herr zu Guttenberg, wenn Sie ihn gelesen haben den wollen Sie ja gelesen haben , dann ist mir völlig schleierhaft, wie Sie den Kunduz-Einsatz jemals als angemessen bezeichnen konnten. Aus dem Bericht geht ganz klar hervor, dass er völlig unangemessen war, und zwar sowohl moralisch als auch völkerrechtlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Präsident von Afghanistan, Karzai, will eine politische Versöhnung selbst mit bestimmten Taliban. Er will einen politischen Prozess. Ohne einen politischen Prozess werden die Probleme in Afghanistan auch nicht zu lösen sein. Ihre ewige Debatte darüber, die Zahl der Soldaten aufzustocken, hilft Afghanistan nicht. Wir brauchen endlich zivile Hilfe, und deshalb muss die Armee das gilt für unsere wie auch für die anderen Armeen aus Afghanistan abziehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eines hat die Linke erreicht, nämlich dass jetzt alle über den Abzug debattieren. Das war noch in der letzten Legislaturperiode anders. Wenn Sie alle über einen Abzug debattieren, dann muss man allerdings genau hinhören. Herr Bundesaußenminister Westerwelle, ich höre Ihnen, wie Sie wissen, genau zu. Sie haben gesagt, dass in dieser Legislaturperiode „eine Abzugsperspektive in Sicht kommen“ müsse. Darf ich das für die Bevölkerung übersetzen? Das heißt, Sie wollen bis 2013 wissen, ob und wann der Abzug beginnt, also sagen wir mal 2020 oder 2025. Das ist dann eine Perspektive.
Nein, Herr Westerwelle, so kommen wir nicht weiter. Ziehen Sie die Bundeswehr ab, und zwar noch in diesem Jahr 2010! Das wäre ein konkreter Schritt.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Bundeskanzlerin, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass wir in einer der schwersten Krisen seit 1931/32 leben. Die Exporte sind eingebrochen. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung in Höhe von 5 Prozent ist gigantisch. Das hatten wir noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Nun analysieren wir einmal, was mit der Beschäftigung in den Jahren zuvor und jetzt passiert ist. Es handelt sich leider um ein Gemeinschaftswerk von SPD, Grünen und Union sowie nun langsam auch von der FDP. Warum? Was ist passiert? Es wird immer über Arbeitslose gesprochen und nicht über die Realitäten. Die Zahl der Vollzeitbeschäftigten hat von 1999 bis 2008 um 1,4 Millionen abgenommen. Es sind also nicht etwa mehr geworden, sondern es sind 1,4 Millionen weniger geworden. Die Zahl der Teilzeitbeschäftigten hat in der gleichen Zeit um 1,3 Millionen zugenommen. Sie liegt nun bei 5 Millionen. Die Zahl der Minijobs hat in der gleichen Zeit um 2,5 Millionen zugenommen. Sie liegt jetzt bei 7,1 Millionen. Die Zahl der Mehrfachbeschäftigungen hat sich verdoppelt. Die Zahl der befristeten Beschäftigungsverhältnisse ist um 50 Prozent gestiegen. Ein Viertel aller abhängig Beschäftigten in Deutschland arbeitet im Niedriglohnsektor. Das ist prozentual der größte Anteil im Vergleich zu allen anderen Industrieländern. Wir haben selbst die USA diesbezüglich überholt. Ich sage Ihnen: Das Ganze ist ein Skandal. Es löst nicht die Probleme, sondern verschärft sie.

(Beifall bei der LINKEN)

Die OECD, keine linke Organisation, hat jetzt festgestellt, dass die Spaltung zwischen Vollbeschäftigten und prekär Beschäftigten nirgendwo so tief ist wie hier in Deutschland. Was wir dringend brauchen das verweigert Ihre Koalition , ist ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn die EU-Richtlinien hören auf zu wirken. Angesichts der vorhandenen Strukturen benötigen wir Mindestgarantien im sozialen Bereich. Ich verstehe die FDP nicht. Sie können doch selbst den Hoteliers mal erklären, dass wir Mindestlöhne in Deutschland brauchen. Warum geben Sie sich nicht einen Ruck und machen das, was 21 andere EU-Länder längst beschlossen haben? Nur in Deutschland gibt es keinen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Das ist ein Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun komme ich zur Leiharbeit, eingeführt von SPD und Grünen und nun von Ihnen ausgebaut. Sie wollen sie nicht abschaffen; das haben Sie gesagt, Frau Bundeskanzlerin Merkel. Darf ich Sie daran erinnern, was eigentlich bei Schlecker passiert ist? Schlecker hat seine Leute entlassen und in eine Zeitarbeitsfirma gesteckt. Dort verdienen die Menschen viel weniger, obwohl sie die gleiche Arbeit leisten. Soll das die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland werden, oder ist das ein Skandal? Wenn das ein Skandal ist: Warum stellen Sie sich dann nicht hierhin und sagen Schlecker, dass es ein Skandal ist und dass wir das nicht dulden können?

(Beifall bei der LINKEN)

Der SPD-Abgeordnete Brandner hat damals gesagt, man wolle die Leiharbeit aus der Schmuddelecke herausführen. Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Steinmeier: Die Leiharbeit ist voll in der Schmuddelecke drin. Dafür haben Sie mit gesorgt.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt gibt es aber eine Lösung. Frau Bundeskanzlerin, wenn Sie die Leiharbeit nicht abschaffen wollen, können wir uns durchaus verständigen. Machen wir es wie in Frankreich. Das ist kein sozialistisches Beispiel. Das müsste doch erträglich sein. Was macht man in Frankreich? In Frankreich sagt man einer kleinen Firma, deren Elektromeister erkrankt ist: Gut, ihr könnt euch einen Elektromeister ausleihen; aber dem müsst ihr dasselbe plus 10 Prozent zahlen. Es ist für euch teurer. Weil es teurer ist, bekommt es den Charakter einer absoluten Ausnahme. Nur bei uns sparen die Unternehmen, wenn sie Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter beschäftigen. Dadurch kommt Missbrauch zustande und werden die Belegschaften so lange unter Druck gesetzt, bis sie einverstanden sind, die Löhne zu reduzieren. Genau das geht nicht. Dagegen werden wir strikt kämpfen, und zwar überall, auch im Landtagswahlkampf von Nordrhein-Westfalen, um das hier klar und deutlich zu sagen.

(Beifall bei der LINKEN)

Rot-Rot in Berlin hat übrigens etwas sehr Positives erreicht; darüber wird nicht gesprochen. Rot-Rot hat die sogenannten Christlichen Gewerkschaften verklagt, die sittenwidrige Tarifverträge gerade mit Zeitarbeitsfirmen abgeschlossen haben. Nun hat man erreicht, dass die Gerichte gesagt haben: Das geht nicht; das ist unzulässig. Es steht allerdings noch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus. Wenn das Bundesarbeitsgericht das aber bestätigt das hoffe ich sehr , dann stehen Sie, Frau Bundeskanzlerin Merkel, in der Verantwortung, das bundesweit zu überprüfen. Wenn man das Ganze bundesweit überprüfte und alle sittenwidrigen Verträge abschaffte, dann hätten nicht nur die Belegschaften etwas davon, weil sie mehr verdienten, sondern dann nähmen unsere Sozialkassen 500 Millionen Euro mehr ein, die ihnen zuvor durch die völlig sittenwidrigen Verträge, die dort abgeschlossen wurden, entzogen worden sind.

(Beifall bei der LINKEN)

In meiner Bürgerinnen- und Bürgersprechstunde war ein Mann es ist für Sie vielleicht interessant, sich das anzuhören, Frau Merkel und Herr Westerwelle , der Hartz-IV-Empfänger ist. Bei ihm hat man jetzt eine Individualmaßnahme beschlossen, die noch für 200 andere Menschen gilt. Zu dieser Individualmaßnahme gehört, dass er fünf Monate unentgeltliche Praktikumsarbeit leisten muss; da ist nichts mit Zuverdienst. Wissen Sie, was Sie da organisieren? Sie organisieren damit, dass die Unternehmer Arbeitskräfte kostenlos bekommen. Das baut die Vollzeitbeschäftigung ab. Sie schaffen mit solchen Maßnahmen keine neuen Arbeitsplätze, sondern schaffen sie geradezu ab. Hören wir doch endlich damit auf!

(Beifall bei der LINKEN)

Die FDP schimpft immer gegen zu viel Staat und zu viele Subventionen. Ich wundere mich, wieso Sie bei der Aufstockung nie schimpfen. Das ist doch die höchste Form fehlgeleiteter Subventionen. Aufstockung bedeutet nichts anderes, als dass Sie dem Unternehmer sagen: Zahl so wenig Lohn, wie du willst, die Differenz übernimmt der Staat. Auch das finden Sie gut, Frau Bundeskanzlerin Merkel. Ich finde, das ist ein Skandal. Wenn jemand Vollzeitarbeit leistet, dann hat er Anspruch auf einen Lohn, mit dem er in Würde leben kann, nicht einen Anspruch darauf, zum Sozialamt geschickt zu werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Frau von der Leyen ist jetzt verpflichtet, die Rente ab 67 zu überprüfen. Sie hat schon gesagt, sie wird sie zwar überprüfen, aber es wird dabei bleiben. Frau von der Leyen, wenn Sie schon mit dem Ziel überprüfen, dass alles dabei bleibt, dann können Sie es auch gleich bleiben lassen.

(Beifall bei der LINKEN Sigmar Gabriel (SPD): Das hat eine gewisse Logik!)

Es wird immer gesagt, die Älteren müssten länger arbeiten. Wissen Sie aber, wie viele der 63- bis 64-Jährigen heute beschäftigt sind? 7,4 Prozent! Über 90 Prozent sind ohne Beschäftigung. Und Sie sagen diesen über 90 Prozent, sie sollten gefälligst zwei Jahre länger arbeiten. Das ist in einer leicht altersrassistischen Gesellschaft geradezu ein Hohn!

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben gerade eine Kindergelderhöhung erlebt. Herr Schäuble hat sich sehr aufgeregt, als ich gesagt habe, dass die Hartz-IV-empfangenden Eltern für ihre Kinder nicht einen Cent mehr bekommen. Er hat gesagt, sie bekämen einen anderen Kinderzuschlag. Man darf aber nicht vergessen, dass dieser gar nicht erhöht worden ist. Wenn Sie das Kindergeld für alle erhöhen, warum erhöhen Sie dann nicht wenigstens auch den Kinderzuschlag für Hartz-IV-Empfänger? Dazu habe ich keine Erklärung gehört. Das Ganze liegt jetzt beim Bundesverfassungsgericht. Ich hoffe und glaube, dass das Bundesverfassungsgericht Ihnen bescheinigen wird, dass die Regelsätze für Kinder von Hartz-IV-Empfängern zu niedrig und daher verfassungswidrig sind. Sie sprechen von Chancengleichheit für Kinder, sorgen aber dafür, dass so viele Kinder in Armut aufwachsen, dass von Chancengleichheit nicht einmal im Ansatz die Rede sein kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Übrigen brauchen wir endlich die Rentenangleichung zwischen Ost und West; dazu werde ich ein anderes Mal etwas sagen.
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben erklärt, dass Sie keine Zweiklassenmedizin wollen. Ich habe aber den Eindruck, Sie wollen eine Dreiklassenmedizin. Was organisieren Sie eigentlich? Sie wollen eine Kopfpauschale. Ich bitte Sie! Sie wollen, dass die Lidl-Verkäuferinnen und Herr Ackermann den gleichen Betrag in die Versicherung einzahlen. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass eine Lidl-Verkäuferin etwas weniger verdient als Herr Ackermann und dass man das deshalb anders organisieren muss?

(Beifall bei der LINKEN)

Außerdem haben Sie über Bildung gesprochen. Sie haben Recht, bei Bildung geht es nicht nur um Geld. Aber uns fehlen jährlich 40 Milliarden Euro. Ihr Hinweis, die Kommunen sollten darauf hoffen, dass Sie ihnen jetzt das Geld wegnehmen, damit später etwas zurückkommt, nutzt den Schülerinnen und Schülern absolut gar nichts.
Wenn Sie es mit der Chancengleichheit, von der Sie geredet haben, ernst meinen, muss endlich die soziale Ausgrenzung bei der Bildung aufhören. Wer die Kinder, wie zum Beispiel in Bayern, nach der vierten Klasse trennt, der betreibt nicht anderes als soziale Ausgrenzung. Wir kämpfen für Gemeinschaftsschulen, damit alle Kinder in Deutschland eine Chance auf eine gute Bildung haben.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP))

Ich weiß, dass Sie das nicht wollen. Sie wollen immer die Eliteförderung. Das Professorenkind soll ganz schnell von dem Hartz-IV-Empfänger-Kind getrennt werden. Wir wollen das nicht. Wir wollen, dass auch das Hartz-IV-Empfänger-Kind eine Chance bekommt.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU/CSU: So ein Blödsinn!)

Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gesagt, dass Sie alles Notwendige gegen die Krise getan haben. Aber auch Selbstüberschätzung muss doch Grenzen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Nicht eine einzige Regulierungsmaßnahme für die Finanzmärkte ist eingeführt worden. Der größte Skandal in Ihrer Rede war, dass Sie gesagt haben, die Kosten der Krise müssten von allen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern bezahlt werden, und dass Sie das gerecht finden. Die Krise wurde aber von den Managern der Banken und den verantwortlichen Politikern angerichtet. Und jetzt sagen Sie der Lidl-Verkäuferin, sie solle dafür mit ihren Steuern bezahlen. Das finde ich grob ungerecht, und daher schlagen wir andere Lösungen vor.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber zurück zum Spendenthema von gestern. Herr Westerwelle, 1,1 Millionen Euro von Baron von Finck von Mövenpick im Zusammenhang mit den ermäßigten Mehrwertsteuersatz bei Hotels das werden Sie nicht los. Zudem gab es 820 000 Euro für die CSU.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist immer noch besser als SED-Geld!)

Nun sagen Sie zu Recht: Auch andere Parteien kriegen Spenden. Die Allianz ist ein tolles Beispiel. Die Riester-Rente wurde eingeführt. Seitdem bekommen CDU,CSU, FDP, SPD und Grüne jährlich je 60 000 Euro von der Allianz. Ich habe mich sehr über das geärgert, was Herr Schäuble gestern gesagt hat. Das will ich begründen. Er hat hier am Pult gesagt, dass er es als einen Skandal empfindet, dass wir das öffentlich machen, weil wir damit die parlamentarische Demokratie gefährden. Das war seine Aussage. Ich sage Ihnen: Das ist eine Unverschämtheit. Die Spenden und die Annahme der Spenden gefährden die parlamentarische Demokratie, nicht die Tatsache, dass man etwas dagegen tut.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Politik gerät doch immer stärker in den Ruf, korrupt zu sein, käuflich zu sein. Wenn wir das nicht wollen, dann lassen Sie uns doch gemeinsam eine Verständigung darüber herbeiführen, dass Spenden von größeren Unternehmen, von Versicherungen, von Banken und von Wirtschaftsverbänden an die Parteien verboten sind. Lieber würde ich die staatlichen Mittel erhöhen,

(Zurufe von der FDP: Aha!)

als von Spenden abhängig zu werden, wie Sie es inzwischen sind, und dann die Politik derjenigen zu betreiben, die spenden.

(Beifall bei der LINKEN Zuruf des Abg. Jörg van Essen (FDP))

Herr van Essen, wie soll das denn enden? Wollen wir Verträge schließen? Dann schließen wir Verträge mit bestimmten Unternehmen und bringen anschließend entsprechende Anträge ein, und Sie machen dasselbe mit anderen Unternehmen. Wo leben wir denn hier? Wir sind die Repräsentanten des Volkes und nicht die irgendwelcher Lobbyisten. Das muss deutlich werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Bundesminister Rösler, auch Sie pflegen dies, indem Sie einen Lobbyisten der privaten Krankenversicherungen einstellen, der Ihnen die Gesetze entwerfen soll. Auch das kennen wir schon seit längerer Zeit. Was soll denn eigentlich dabei herauskommen? Ich kenne Gesetzentwürfe, die britische Anwaltskanzleien geschrieben haben. Sie wissen noch, das war in der letzten Legislaturperiode. Wo soll denn das Ganze enden? Wozu bezahlen wir eigentlich die Beamtinnen und Beamten, wenn sie nicht einmal mehr einen Gesetzentwurf schreiben dürfen? Ich sage Ihnen: So geht das nicht. Wenn wir die Demokratie diesbezüglich stärken wollen, müssen wir hier andere Regelungen treffen. Es geht nicht darum, dass der Einzelne annimmt oder nicht annimmt. Wir müssen das unterbinden. Anders werden wir nicht glaubwürdig.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun haben Sie gesagt, die Steuersenkungen seien so wichtig und würden so viel bringen. Sie treiben die Kommunen in die Pleite, das stimmt. Sie schaden insgesamt der Binnenwirtschaft, weil Ihre Vorstellungen, bestimmte Steuern zu senken, dazu führen, dass Sie genau diejenigen schwächen, auf die wir dringend angewiesen sind, wenn wir zum Beispiel mehr Vollbeschäftigung organisieren wollen.
Lassen Sie mich zu einem Beispiel kommen, dem Stufentarif. Das ist eine Lieblingsidee der FDP. 10 Prozent, 25 Prozent und 35 Prozent Steuern je nach Höhe des Einkommens, das ist Ihre Vorstellung. Ich stelle fest: Für die unteren Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bedeutete das eine Einsparung von 1 Prozent, für die Topverdiener von 16,8 Prozent. Finden Sie das nicht ein bisschen ungerecht? Darf ich mal daran erinnern, dass der Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer unter dem Christdemokraten Kohl bei 53 Prozent lag, dass er vom Sozialdemokraten Schröder auf 42 Prozent gesenkt und von der Großen Koalition für die Spitzeneinkommen wieder auf 45 Prozent erhöht wurde? Und jetzt wollen Sie auf 35 Prozent runter? Sie können den Besserverdienenden gleich sagen, sie sollten überhaupt keine Steuern bezahlen. Wie wollen Sie denn auf dieser Basis jemals Steuergerechtigkeit herstellen? Das ist doch überhaupt nicht mehr nachzuempfinden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben von dem größten Defizit in Höhe von 86 Milliarden Euro gesprochen. Das verstößt natürlich gegen die Maastricht-Kriterien. Auch mit der künftigen Schuldenbremse, die Sie fälschlicherweise beschlossen haben, hat das nichts zu tun.
Nun kommt eine Sache, die wir Ihnen nicht durchgehen lassen können. Sie sagen, was Sie vorhaben, könnten Sie leider erst nach der Steuerschätzung im Mai 2010 erklären. Für wie doof halten Sie denn die Leute? Die merken doch alle, dass Sie ihnen erst nach der NRW-Wahl sagen werden, was auf sie zukommt. Das ist ein Wahlbetrug mit Ansage. Das ist überhaupt nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Alle Kernzahlen sind Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, doch bekannt. Sie müssen doch keine Steuerschätzung abwarten, die im Übrigen sowieso noch nie gestimmt hat. Sie können sich darauf gar nicht verlassen. Sie haben doch jetzt alle Kernzahlen, um sagen zu können, was Sie eigentlich vorhaben. Immerhin, Herr Schäuble hat es angedeutet. Er sprach davon, dass kein Politikbereich ausgenommen sei, dass es keine Besitzstandswahrung gebe, dass Einschnitte in Leistungsgesetze zu erwarten seien. Welche denn? Warum sagen Sie das den Leuten nicht? Ich empfinde das als höchst unehrlich. Seien Sie so offen und sagen Sie jetzt, was Sie vorhaben, damit wir uns im Rahmen der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen damit auseinandersetzen können. Kommen Sie nicht mit dem Trick, zu sagen: Das erklären wir eine Woche nach der Wahl. Das ist nicht hinnehmbar. Das ist indiskutabel.
Ich möchte wissen: Was haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, was haben Hartz-IV-Empfängerinnen und Hartz-IV-Empfänger, was haben Rentnerinnen und Rentner zu erwarten von den Plänen, die Sie schmieden, um die Neuverschuldung, die Sie mit Ihrem sogenannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz gerade vergrößert haben, abzubauen? Die anderen werden es bezahlen müssen.

(Beifall bei der LINKEN Zuruf von der FDP: Eben nicht!)

Stichwort „Steuergerechtigkeit“: Wir können gerne mal über Steuergerechtigkeit diskutieren. Wir sind zum Beispiel dafür, dass diejenigen, die bis zu 6 000 Euro im Monat verdienen, in Zukunft weniger Steuern zahlen als heute. Diejenigen, die mehr verdienen, sollen aber endlich mehr zahlen. Auch das gehört nämlich zur Steuergerechtigkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben Ihnen gesagt: Wir wollen eine Börsenumsatzsteuer, auch zur Dämmung der Spekulationen. Wir haben Ihnen gesagt: Wir wollen endlich eine Vermögensteuer als Millionärsabgabe. Was ist denn daran so schlimm, dass jemand, der mehr als1 Million Euro Vermögen hat, darauf eine Steuer zahlt? Warum verweigern Sie sich denn? Mein Gott, es gibt sogar eine Gruppe von Millionären, die fordern, endlich mal Steuern bezahlen zu können. Richten Sie sich nach denen und nicht nach den anderen!

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben gesagt: Wir wollen eine höhere Erbschaftsteuer bei großen Erbschaften und natürlich auch eine gerechte Körperschaftsteuer. Wie ich schon gesagt habe, ist trotz der Finanzkrise so gut wie nichts passiert. Der amerikanische Präsident hat eine Idee, die ich Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, einmal erläutern muss. Ich weiß nicht, wann Sie das letzte Mal mit ihm telefoniert haben. Ich habe von seiner Idee gelesen. Sie scheinen sich damit zu wenig zu beschäftigen.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE))

Was hat Obama gemacht? Obama hat gesagt, er wolle von den Banken etwa 120 Milliarden Dollar kassieren. Er wolle jeden Cent zurück, den die Banken dem amerikanischen Volk direkt oder indirekt schuldeten. „Direkt oder indirekt“, das ist sehr spannend. Eine solche Abgabe, nämlich die „Finanzkrisenverantwortungsgebühr“, fordern wir, und zwar deshalb, weil die Banken inzwischen wieder riesige Bonuszahlungen leisten; dagegen haben Sie nichts unternommen. Die Deutsche Bank etwa hat darüber hinaus einen Gewinn von 10 Milliarden Euro angekündigt. Das ist doch der Gipfel! Wir zahlen hier täglich riesige Summen, die Banken erwirtschaften riesige Gewinne, leisten Bonuszahlungen, und Sie ziehen die Banken mit keiner einzigen Steuer zur Bezahlung des Ganzen heran.

(Beifall bei der LINKEN)

Um es klar zu sagen: Bei den direkten und indirekten Zahlungen geht es, lieber Herr Kauder, um die Aufwendungen der Steuerzahler zur Bankenrettung. Es geht um den Ausgleich für Steuermindereinnahmen; durch Abschreibungen ihrer Verluste haben die Banken nämlich deutlich weniger Steuern gezahlt. Es geht darum, dass wir für die Rettung der HRE 12,8 Milliarden Euro an Forderungen gesichert haben. Wenn wir diese Forderungen nicht mit staatlichen Mitteln gesichert hätten, dann wären sie abgeschrieben worden. Damit wären wieder Steuerverluste verbunden gewesen. Es geht also auch ich muss das ganz deutlich sagen um indirekte Verluste. Wenn der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika den Mumm hat, seine Banken zur Kasse zu bitten, dann erklären Sie mir, warum Ihnen hier in Deutschland dieser Mumm fehlt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern doch nur genau das, was dort geschieht.

Im Übrigen planen auch Frankreich und Großbritannien die Einführung einer solchen Abgabe; Sie nicht, Frau Merkel. Ich bitte, dass Sie den Bürgerinnen und Bürgern erklären, warum Sie immer nur die Banken schonen, immer nur die Hoteliers schonen, immer nur bestimmte Lobbygruppen schonen, während die anderen bis hin zu den Verkäuferinnen und Verkäufern, den Rentnerinnen und Rentnern das alles bezahlen müssen. Ich finde das unerträglich.

Eines werden Sie verstehen, Frau Bundeskanzlerin wir haben hin und her diskutiert; es bleibt dabei : Wir können Ihrem Etat leider nicht zustimmen.

(Anhaltender Beifall bei der LINKEN Volker Kauder (CDU/CSU): Oh, das ist aber eine Überraschung! Überraschung am Morgen!)