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Wir müssen über eine weitere Demokratisierung des Bundesverfassungsgerichts sprechen

Rede von Halina Wawzyniak,

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf aller Fraktionen – das ist schon gesagt worden – soll die Wahl der Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts vom Richterwahlausschuss und dem Bundesrat auch auf das Plenum des Bundestages übertragen werden. Das stellt die Legitimation der Richterinnen und Richter auf eine breitere Grundlage. Dies ist ein Mehr an Demokratie. Wir finden das gut, und deshalb sind wir selbstverständlich mit dabei.

(Beifall bei der LINKEN)

Zumindest in der Theorie wird diese Entscheidung dazu führen, dass die Entscheidung über Bundesverfassungsgerichtsrichterinnen und -richter nicht mehr einfach einem Richterwahlausschuss überlassen bleibt. Nun ist es so, dass der eine oder andere – ich nehme mich persönlich da gar nicht aus – in der Lage ist, sich nach der Entscheidung von Richterinnen und Richtern ein Urteil zu bilden. Wir glauben, dass es möglich ist, dass man sich, bevor man Richterinnen und Richter wählt, ein Urteil über dieselben bildet. Deswegen ist das, finden wir, eine gute Idee.

Wir finden aber – da besteht ein kleiner Dissens zum Vorredner –, dass es nicht zwingend ist, dass der Wahlausschuss einen Vorschlag unterbreitet. Man kann darüber nachdenken, ob man nicht weitergehen kann und ob nicht tatsächlich das Plenum insgesamt über Vorschläge, die vorliegen, entscheiden kann. Wir würden uns wünschen, dass wir in diesen Gesetzentwurf so etwas wie eine Befristung oder Überprüfung dieser Regelung schreiben. Vielleicht kann man irgendwann weitergehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir glauben aber auch, dass der Vorschlag, den wir hier gemeinsam unterbreiten, ein Anlass sein kann, eine weiter gehende Debatte zu führen. Ich finde, dass man eine ergebnisoffene Debatte – wenn ich ergebnisoffen sage, meine ich tatsächlich auch ergebnisoffen – führen kann, zum Beispiel ob es wirklich sinnvoll ist und hilfreich sein kann, wenn man Laienrichterinnen und Laienrichter in ein Verfassungsgericht schickt. Ich bin noch nicht entschieden, ich bin unsicher. Ich weiß, dass es das  in einigen Bundesländern gibt. Ich finde, das kann man einfach einmal evaluieren.

Wir sollten darüber nachdenken, ob es sinnvoll und angemessen ist – darüber sprechen wir heute Abend noch –, eine Karenzzeit einzuführen, in der aktive Politikerinnen und Politiker nicht in das Bundesverfassungsgericht wechseln dürfen. Es gab Fälle, in denen unmittelbar nach dem Ausscheiden aus dem politischen Amt in das Bundesverfassungsgericht gewechselt wurde. Das ist vielleicht nicht ganz so prima.

Wir finden, dass man darüber nachdenken muss – das habe ich schon angedeutet –, ob man nicht möglicherweise das Vorschlagsrecht etwas verbreitert. Wenn man schon dabei bleibt, dass der Richterwahlausschuss dem Plenum einen Vorschlag unterbreitet, sollte man vielleicht überlegen, ob es auch anderen Institutionen als Fraktionen, Landesregierungen oder der Bundesregierung möglich sein soll, dem Richterwahlausschuss Wahlvorschläge zu unterbreiten. Da wir in dem eigentlichen Punkt einig sind, nämlich dass wir im Plenum die Bundesverfassungsrichterinnen und -richter wählen lassen wollen, sollten wir uns vielleicht doch die Zeit nehmen, den einen oder anderen Punkt, den ich hier angesprochen habe, zu debattieren und zu überlegen, ob man nicht auch an anderen Stellen etwas machen muss. Das muss nicht gleich in diesem Gesetz sein, das kann auch in einem weiteren Gesetz erfolgen. Ich würde mir wünschen, dass wir diese Debatte führen.

Ich will noch einen letzten Punkt ansprechen. Wir sollten darüber diskutieren, ob es wirklich überzeugend ist, dass das Bundesverfassungsgericht mit einstimmigem Beschluss unzulässige und offensichtlich unbegründete Anträge ohne Begründung ablehnen kann. Ich weiß, diese Begründungspflicht ist mit erheblichem Arbeitsaufwand verbunden, aber ich glaube auch, dass die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch darauf haben, wenigstens ansatzweise zu erfahren, warum mit ihrer Beschwerde so oder so umgegangen worden ist. Letztendlich glaube ich, dass wir diese konkrete Regelung relativ unproblematisch und ohne großes Gezänk über die Bühne bringen. Ich will aber noch ausdrücklich darum bitten, dass wir die anderen Punkte – vielleicht haben auch Sie noch Themen – diskutieren und die Debatte nutzen, um über eine weitere Demokratisierung des Bundesverfassungsgerichts in Ruhe zu sprechen.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)