Zum Hauptinhalt springen

Wir brauchen einen Krisenreaktionsfonds

Rede von Michael Leutert,

Der Etat des Auswärtigen Amts wird den Anforderungen angesichts internationaler Krisen nicht gerecht

Michael Leutert (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, Sie haben in letzter Zeit die Situation oft mit den Worten beschrieben: Die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein. - Das ist ein Zitat Ihrer Worte. Das stimmt, aber dagegen muss man etwas tun. Ihr Haushalt wird dieser Situation allerdings nicht gerecht, ganz im Gegenteil.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Noch immer bewegt sich der Etat des Auswärtigen Amtes wie jedes Jahr bei knapp über 1 Prozent des Gesamthaushaltes, als wenn die Welt immer noch in Ordnung wäre. Wie kann das sein, wenn Deutschland mehr Verantwortung in der Welt übernehmen möchte?

Schauen wir uns die Fakten an. Das sind die Fakten, die die Menschen in unserem Land verunsichern. Wir haben Krieg in der Ukraine, im Irak, in Syrien, eigentlich im ganzen Nahen Osten, in Afrika herrscht Krieg im Südsudan, in Nigeria und Mali. Die Bundeswehr ist derzeit an 13 Einsätzen beteiligt, weltweit gibt es 15 Friedensmissionen. Die meisten bei uns denken immer: Das alles ist sehr weit weg, das geht uns nichts an. - Dem ist aber nicht so.

Der Konflikt, der mit zehn Flugstunden am weitesten entfernt ist, ist der Afghanistan-Konflikt. Bis auf eine einzige UN-Mission, die in Haiti, gruppieren sich alle Konfliktherde um uns herum. Man findet sie, wie gesagt, in Afrika und im Nahen Osten, und immerhin fünf internationale UN-Einsätze gibt es mitten in Europa. An dreien davon ist Deutschland beteiligt.

Es ist also kein Wunder, dass die Menschen in unserem Land verunsichert sind. Es sind eben keine Krisen irgendwo weit draußen, es sind Konflikte vor unserer Haustür, manchmal auch schon auf unseren Straßen, und trotzdem gibt es nicht mehr Geld, um diesen internationalen Krisen entgegenzutreten. Das halten wir für falsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Kanzlerin, Sie, Herr Außenminister, die Verteidigungsministerin und natürlich, nicht zu vergessen, der Bundespräsident werden nicht müde, immer wieder zu betonen, dass Deutschland auf internationaler Ebene mehr Verantwortung übernehmen will bzw. muss oder soll. Das bestreiten nicht einmal wir Linken. Umstritten sind aber die Methoden.

In zwei Monaten, liebe Kolleginnen und Kollegen, am 27. Januar 2015, jährt sich die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee zum 70. Mal. Nächstes Jahr begehen wir zudem den 50. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland. Diese Ereignisse sind für uns Verpflichtung, Verpflichtung, dass ziviler Außenpolitik stets die höchste Priorität eingeräumt wird. Ich hätte mir gewünscht, dass sich dieser Gedanke im Haushalt deutlicher niederschlägt, nicht nur indem wir Feierlichkeiten begehen und mahnende Worte verlieren, sondern auch indem wir mehr Geld, insbesondere nächstes Jahr, in die Hand nehmen, um den vielen Flüchtlingen vor Ort zu helfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Knapp 400 Millionen Euro gibt das Auswärtige Amt dieses Jahr für humanitäre Hilfe aus. Der Vorschlag   so war zumindest der erste Entwurf  , diese Gelder nächstes Jahr auf 187 Millionen Euro zu kürzen, war selbst der Koalition zu absurd.

(Zuruf von der CDU/CSU: Na, na, na! - Niels Annen (SPD): Was heißt denn hier „selbst“?)

Dies hat Ihr Haus, auch Sie selbst, Herr Minister, nicht gewollt; das weiß ich. Das war ein Ergebnis des Knebelungsversuchs durch Minister Schäuble,

(Lachen des Abg. Niels Annen (SPD))

um seinen Plan von der schwarzen Null durchzusetzen.

Das Auswärtige Amt hat dann auch einen alarmierenden Brief an uns Haushälter geschrieben, dessen Dramatik keine Zweifel zulässt. Ich möchte hieraus zitieren:

Wir sind Zeugen der schlimmsten humanitären Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg. ... momentan kann auch Menschen in existenzieller Not nicht ausreichend geholfen werden! ... Deutschland fällt hinter andere Geberländer zurück ... Bereits 2014 befinden wir uns in einem Feld mit Geberländern, die durch erheblich kleinere Bevölkerungen und Volkswirtschaften gekennzeichnet sind (z. B. Norwegen, Schweden, Schweiz, Kanada).

Die Linke, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat einen Vorschlag unterbreitet, wie wir diesen Problemen entgegentreten können. Wir brauchen einen Krisenreaktionsfonds.

(Beifall bei der LINKEN)

Heutzutage ist die Situation so: Krisen haben die unangenehme Eigenschaft, dass sie unangekündigt kommen. Dann müssen die betroffenen Ministerien   zum Beispiel im Falle von Ebola das Auswärtige Amt, das BMZ, das Gesundheitsministerium, das Verteidigungsministerium und das Innenministerium   alle Gelder mobilisieren, was natürlich zulasten von schon geplanten Projekten geht. Ausreichend sind sie zum Schluss meistens nicht. Um diesem Zustand vorzubeugen, ist unser Vorschlag, im Einzelplan 60 unter der Bewirtschaftung des Auswärtigen Amtes einen Krisenreaktionsfonds mit anfänglich zusätzlichen 250 Millionen Euro einzurichten.

(Beifall bei der LINKEN)

Brauchen wir das Geld im Krisenfall, ist Vorsorge getroffen. Wenn es nicht benötigt wird, kann sich Finanzminister Schäuble freuen und es am Jahresende wieder einsammeln. Besser wäre es natürlich, wenn wir das Geld dann für die Entwicklungszusammenarbeit verwenden würden.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sonja Steffen (SPD))

Auf alle Fälle, liebe Kolleginnen und Kollegen, könnte man so auch Verantwortung auf internationaler Ebene übernehmen. Die Bundesrepublik wäre damit Vorbild für andere Nationen. Sie wissen: Am Freitag haben Sie alle noch einmal die Chance, unter anderem diesem sinnvollen Antrag der Linken zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)