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Wir brauchen eine Transformationsstrategie für eine sozial-ökologische und emanzipatorische Wende

Rede von Birgit Menz,

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste!

Ich würde mich freuen, wenn die Frage, wie wir eine nachhaltige Zukunft erreichen und gestalten wollen, häufiger den Platz im Parlament einnehmen würde, den sie verdient.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Denn Nachhaltigkeit ist im Kern ein hochpolitischer Begriff. Das sehen wir auch an den Debatten, die wir im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung führen. Dass am Ende dieser Debatten Konsensentscheidungen stehen, wie auch bei der vorliegenden Stellungnahme, ist gut so, bedeutet aber vor allem für die Opposition viele Kompromisse.

Die Linke steht für eine sozial-ökologische Transformation unserer Gesellschaft. Dieses Leitbild unterscheidet sich zum Teil deutlich von dem, was in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie abgebildet wird. Wir werden deshalb im Rahmen des Beirats darauf hinarbeiten, dass die Umsetzung der globalen Nachhaltigkeitsziele in Deutschland neue, auch politisch unbequeme Schwerpunkte setzen kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit den Forderungen nach neuen Zielen zur Förderung nachhaltigen Konsums und zur Bekämpfung von Ungleichheiten weist die Stellungnahme hier in eine richtige Richtung. Was aber in der Nachhaltigkeitsstrategie bisher deutlich zu kurz kommt, ist die Tatsache, dass Nachhaltigkeit längst zur sozialen Frage unseres Jahrhunderts geworden ist. Wir müssen zum Beispiel folgende Fragen neu denken: Wie schaffen wir einen fairen globalen Lastenausgleich bei der Bekämpfung des Klimawandels? Was erkennen wir als Gesellschaft jenseits der klassischen Lohnarbeit als Arbeit an, und wie kann Arbeit gerecht verteilt werden?

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben im vergangenen Jahrzehnt erlebt, wie eine zunehmende soziale und wirtschaftliche Verunsicherung der Bevölkerung den Widerstand gegen die stete Ausdehnung der Verwertungslogik auf den Menschen, seine Fähigkeiten und seine Arbeit erfolgreich gebrochen hat. Wirtschaftlicher Nutzen wurde immer mehr zum Kern der Möglichkeit, Anerkennung in der Gesellschaft zu erfahren. Diesen Zusammenhang müssen wir aufbrechen. Wir werden eine nachhaltige Gesellschaft nur erreichen können, wenn wir allen eine sichere Grundlage geben, auf der sie frei und mutig neue Zukünfte denken und gestalten können.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb brauchen wir endlich gute Arbeit und Teilhabechancen für alle, wir brauchen eine gerechte Umverteilung von Wohlstand und Ressourcen.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Umverteilung müssen wir unter der Vorgabe erreichen, dass Wachstum nicht grenzenlos ist. Wir müssen anerkennen, dass unser Wachstum oftmals zulasten anderer geht und schon jetzt seine klaren Grenzen an der ökologischen Belastbarkeit unserer Umwelt gefunden hat. Das schulden wir unseren Mitmenschen weltweit ebenso wie den nachfolgenden Generationen. Denn auf einem toten Planeten gibt es nicht nur keine Arbeit, wie die Gewerkschaft treffend mitteilt, sondern auf einem toten Planeten gibt es auch keine Zukunft. Um den Einwand „Müssen wir uns also einschränken?“ vorwegzunehmen, antworte ich: Wenn damit gemeint ist, dass wir weniger verbrauchen, weniger Müll produzieren und auf umweltschädliche und unverantwortliche Technologien wie zum Beispiel das Fracking verzichten müssen, dann lautet die Antwort: Ja.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn damit aber der Mangel an Lebensqualität gemeint ist, dann lautet die Antwort ebenso eindeutig: Nein. Denn Lebensqualität hängt nicht vom Massenkonsum ab. Umverteilen setzt Umdenken voraus. Wir müssen den strukturellen Wachstumszwang überwinden, der soziale Ungerechtigkeit verschärft und unsere Umwelt zerstört, und wir müssen Räume schaffen, in denen gemeinwohlorientiertes Wirtschaften entstehen und funktionieren kann. Das betrifft zum Beispiel die Frage, wie wir in Deutschland zentrale Wirtschaftssektoren wie Energie und Mobilität demokratisch und nachhaltig gestalten können. Das betrifft aber auch die Architektur des Handels, die Steuerpolitik, das Arbeitsrecht und den Sozialschutz, all das, was aktuell einem für Mensch und Umwelt verheerenden globalen Standortwettbewerb unterworfen ist. Hier müssen wir globale Übereinkünfte und entsprechende Strukturen anstreben; denn wir haben auch die Verantwortung dafür zu übernehmen, welche Auswirkungen unser Handeln, unsere Politik für die Chancen auf eine gerechte, ökologisch verträgliche soziale Entwicklung weltweit hat. Die überarbeitete Nachhaltigkeitsstrategie muss diese internationale Verantwortung als Aufgabe aller Politikbereiche definieren. Die drei großen Gipfel in Addis Abeba, New York und Paris haben noch einmal klargemacht, dass es ein „Weiter so!“ nicht geben darf. Dazu haben wir uns alle bekannt. Nun gilt es zu beweisen, dass wir es ernst meinen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Schluss möchte ich mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die gute Zusammenarbeit im Beirat bedanken. Lassen Sie uns weiter streiten und jene Irritationen schaffen, die es uns ermöglichen, aus den bekannten Denkmustern auszubrechen, sie zu hinterfragen und Neues zu denken. Lassen Sie uns mutig sein!

Danke.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder (CDU/CSU): Brechen Sie mal aus Ihrem ideologischen Denken aus!)