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Wir brauchen eine konsequente Hungerbekämpfung!

Rede von Niema Movassat,

Seit langem wissen wir: der weltweite Hunger ist kein Ausdruck von Knappheit, sondern von falscher Verteilung. Hunger wird gemacht. Ich freue mich, dass sich diese Erkenntnis auch langsam bei anderen Fraktionen dieses Hauses durchsetzt und sie zunehmend die strukturellen Ursachen des Hungers in den Blick bekommen.

Doch was draufsteht sollte bekanntlich auch drin sein! Von den zwei Anträgen von Bündnis 90/Die Grünen und von der SPD kann man das aber leider nicht behaupten. „Für eine kohärente Politikstrategie zur Überwindung des Hungers“, so lautet der Titel des Grünen-Antrags. Der formulierte Anspruch auf Kohärenz werden die Grünen jedoch nicht gerecht, denn im Antrag reihen sie dann selbst ein Sammelsurium von Forderungen wahllos aneinander. Auch wenn das Augenmerk auf politische Weichenstellungen in Deutschland und Europa liegt, tasten sie den erzwungenen Freihandel mit den Ländern des Südens  nicht an. Doch genau dieser Neoliberalismus untergräbt die Ernährungssouveränität, weil Kleinbäuerinnen und Kleinbauern mit hochsubventionierten Agrarprodukten aus dem Norden schlichtweg nicht konkurrieren können.

Eine kohärente Strategie gegen den Hunger muss sich deshalb gegen die Freihandelsabkommen, Investitionsschutzabkommen und öffentlich-private Partnerschaften richten, weil diese eine systematische Umverteilung von unten nach oben, von öffentlich zu privat und letztlich von Süd nach Nord organisieren. Die Folgen sind Verarmung und Hunger. Obwohl die lokale Landwirtschaft die Menschen versorgen sollte, leben über 70 Prozent der Hungernden auf dem Land. Das scheint paradox. Doch den Meisten fehlt schlichtweg der Zugang zu Land oder sie verfügen nicht über die finanziellen Möglichkeiten dieses auskömmlich zu bewirtschaften.

Als Gegenmaßnahmen schlägt die SPD in ihrem Antrag „Ernährung sichern“ Land- und Bodenreformen in den Partnerländern sowie die Anhebung derer Staatsausgaben für ländliche Entwicklung auf 10 Prozent vor. Prinzipiell unterstützen wir diese Vorschläge. Doch der Appell an die „Eigenverantwortung“ und die Kritik an „hausgemachten Problemen“ laufen nicht nur politisch ins Leere, sondern zeugen von Arroganz und Besserwisserei. Wer im Befehlston mit Partnern spricht, verrät die eigene Doppelzüngigkeit und degradiert den oft zitierten Partner auf Augenhöhe zum schlichten Empfänger der eigenen Forderungen.

Doch selbst wenn die Analyse viele richtige Aspekte aufweist, wer den Hunger in der Welt ernsthaft bekämpfen will, der muss denen ans Leder, die vom Elend profitieren. Zuallererst den Banken, den Rüstungs- und Agrarkonzernen. Doch davor schrecken SPD und Grüne noch immer zurück: Sie halten still, während die Bundesregierung die staatlichen Förderprogramme für die globale Saatgut- und Düngemittelindustrie weiter ausbaut.

Denn seit dem Anstieg der weltweiten Nahrungsmittelpreise 2007/2008 treten westliche Regierungen – unter anderem die Bundesregierung – , Investoren und Agrarkonzerne unverfroren als die vermeintlichen Retter der Hungernden auf. Die Initiative der G8 beispielsweise – fälschlicherweise als neue Allianz zur Ernährungssicherung bezeichnet – demonstriert den Schulterschluss mit der Großindustrie. Für Monsanto und Co. werden die westlichen Regierungen zum Handlanger, um neue Märkte in afrikanischen Staaten zu erobern. Solche Programme machen immer mehr Bäuerinnen und Bauern von Krediten für patentiertes Saatgut, Mineraldünger und Pestizide abhängig. Sie sind deshalb sofort zu stoppen!

Zwar thematisiert der Antrag der Grünen die Initiative, es fehlt jedoch die erforderliche Konsequenz: lediglich bei vermeintlichen „Zielkonflikten“ sei die Zusammenarbeit zu beenden. Das ist eindeutig zu schwach. Das deutsche Pendant ist die so genannte German Food Partnership, ein Bündnis von 35 deutschen und europäischen Unternehmen wie beispielsweise BayerCropScience und BASF. Doch die Kooperation wird weder kritisiert noch zurückgewiesen.

Während der SPD-Antrag sich einseitig auf die Partnerländer fokussiert und wenig Spielraum für deren eigene Vorstellungen lässt, stellt der Grünen-Antrag die politische Weichenstellung in Deutschland und Europa ins Zentrum, bleibt dabei aber vielfach unkonkret und schwammig. DIE LINKE wird sich deshalb bei beiden Anträgen enthalten.