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Wir brauchen ein vielfältiges und kulturelles öffentlich-rechtliches Medienangebot

Rede von Lothar Bisky,

Rede von Herrn Prof. Dr. Lothar Bisky (DIE LINKE.) im Deutschen Bundestag zur abschließenden Lesung verschiedener Anträge zum Rechtsrahmen audio-visueller Mediendienste (EU-Fernsehrichtlinie), am Donnerstag, den 14. Dezember 2006

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Den Koalitionsantrag zur EU-Fernsehrichtlinie tragen wir Linken aus inhaltlichen Gründen weitgehend mit. Maßgeblich für unsere Zustimmung ist, dass Sie bei aller Notwendigkeit, die neuen Entwicklungen im Medienbereich auf EU-Ebene zu revidieren, anerkennen, dass die Mitgliedstaaten weiterhin ihren Rundfunk in den für sie zentralen Bereichen selbstbestimmt regulieren können. Das ist uns ausgesprochen wichtig.
Lassen Sie mich das anhand von zwei Punkten erläutern.

Erstens: Die Fernsehrichtlinie harmonisiert zuallererst Geschäftsbeziehungen. Sie dereguliert Werbebeschränkungen und definiert Bedingungen der kommerziellen Kommunikation, also auch der Werbung, für die Anbieter von audiovisuellen Dienstleistungen auf dem europäischen Binnenmarkt.
In einem dürften wir uns alle einig sein: Den Anbietern geht es primär ums Geldverdienen und um Rendite und zuvörderst nicht um den Jugendschutz, nicht um Verbraucherrechte,

(Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Gilt das auch für die Öffentlich-Rechtlichen?)

nicht um ein vielfältiges kulturelles Programmangebot und schon gar nicht darum, die Autonomie journalistisch-redaktioneller Arbeit abzusichern.

(Beifall bei der LINKEN)

Das aber sind für uns als Linke Kernpunkte einer guten Medienpolitik.
Deshalb gehören insbesondere der Jugend- und Verbraucherschutz, aber auch das Gebot der Trennung von Werbung und Programm in den Verantwortungsbereich der Politik. Diese sollten nicht nach dem Herkunftslandprinzip bewertet werden, sondern nach den jeweils nationalen Schutzbestimmungen der Mitgliedstaaten. Das Herkunftslandprinzip wird nämlich in den Ansiedlungsbemühungen um Medienunternehmen schnell zu einem medienrechtlichen Unterbietungswettbewerb führen. Den lehnen wir eindeutig ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Verbraucherzentrale und andere Interessenverbände darunter übrigens auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken befürchten zu Recht, dass Jugend- und Verbraucherschutz in Europa mit der Fernsehrichtlinie auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert würden. Darum unterstützen wir ihre Forderung, die etablierten Qualitätsstandards zu erhalten und das Herkunftslandprinzip aus dem Richtlinienentwurf herauszunehmen. Dazu haben Sie sich leider nicht durchringen können.

Zweitens: Wir sind für den Erhalt eines öffentlich-rechtlichen Medienangebots. Sicherlich müssen wir uns die zentrale Frage stellen, wie dieses Angebot organisiert und finanziert werden soll, ohne beständig Gegenstand von Beihilfeverfahren der Europäischen Kommission zu sein und ohne sich den Privaten in Inhalt und Form immer mehr anzunähern.
Was die Finanzierung betrifft, so sind wir gegen das einfallslose „Weiter so“ der Ministerpräsidenten. Die beschlossene Ausweitung der Gebührenpflicht auf internetfähige PCs und Handys wird daher von uns abgelehnt. Für eine trag- und zukunftsfähige Grundlage ist eine grundsätzliche Revision des Gebührensystems erforderlich.
Davon unbestritten bedarf es Regulierungen, die auf der Ebene der Mitgliedsstaaten angesiedelt sind und die unterschiedliche nationale Verfassungen, kulturelle Traditionen und medienpolitische Konzepte nicht missachten. Gleiches gilt für die Deregulierungsbemühungen, die die Bedingungen weiter zugunsten des privaten Rundfunks und der kommerziellen Medienanbieter verschieben. Unsere Auffassung ist: Product Placement soll die Ausnahme sein und nicht zur Regel werden. In bestimmten Programmformaten, in denen es die Zuschauer und Zuschauerinnen erkennen können, wie etwa bei Fernsehfilmen und -serien, sollte es maßvoll erlaubt sein, als Themenplacement allerdings nicht. Themenbeiträge als bezahlte Marketingmaßnahmen lehnen wir prinzipiell ab.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss.

Wir brauchen ein vielfältiges und kulturelles öffentlich-rechtliches Medienangebot, das durch Werbung angemessen begleitet sein kann. Darüber, wie dies konkret ausgestaltet werden muss, haben wir in diesem Hause unterschiedliche Auffassungen. Darüber, dass wir es erhalten sollten, hoffentlich nicht.
Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Temperamentvolle Rede!