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Wir brauchen ein Kitaqualitätsgesetz

Rede von Norbert Müller,

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher auf den Tribünen!

Die Qualität der Kindertagesbetreuung soll aktiv weiterentwickelt, finanziell sichergestellt sowie durch eigene Maßnahmen befördert werden. Zudem soll der bedarfsgerechte Ausbau von Betreuungsplätzen, auch für Kinder aus Flüchtlingsfamilien, weiter vorangetrieben werden. Eine gute Kindertagesbetreuung stärkt als erste Bildungsinstitution außerhalb der Familie die Bildungschancen aller Kinder.

Deswegen ist Bildung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

(Beifall bei der LINKEN)

Eigentlich habe ich langanhaltenden Applaus vor allem bei der SPD-Fraktion erwartet.

(Beifall des Abg. Sönke Rix (SPD))

Herr Präsident, vielleicht können wir die Redezeit anhalten, damit die SPD noch darüber nachdenken kann.

Vizepräsident Peter Hintze:

Diesem Vorschlag können wir leider nicht folgen, Herr Kollege.

Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE):

Schade. - Denn dieser Text, Herr Präsident, ist gar nicht von mir, sondern er stammt aus einer Erklärung vom heutigen Tage aus dem Bundesfamilienministerium, und das Bundesfamilienministerium hat in diesem Punkt auch recht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Sönke Rix (SPD): Das hat immer recht! Seit zwei Jahren!)

Frühkindliche Bildung verringert soziale Ungleichheit, weil sie hilft, soziale Benachteiligung zu kompensieren; das Betreuungsgeld war übrigens auch deswegen falsch. Wir wollen frühkindliche Bildung für alle nicht nur, weil sie inklusiv ist, sondern weil das Recht von Kindern auf Bildung eine völkerrechtliche Maßgabe ist, und das muss auch für Kleinkinder gelten.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Deswegen wollen wir, dass frühkindliche Bildung auch Kleinkindern zugutekommt.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir sind mit dem Ausbau der Kindertagesbetreuung und der Kindertagespflege in Deutschland weit gekommen. Aber wir sind noch lange nicht am Ziel. Es gibt hohe Investitionsbedarfe; Herr Kollege Felgentreu hat das beschrieben. Es gibt einen Mehrbedarf zur Deckung der Kosten in Ländern und Kommunen, die diese nicht alleine schultern können.

Es geht auch darum, Qualität auszubauen. Wir wollen bundesweit die Fachkraft-Kind-Relation auf einen guten Standard absenken; in vielen Ländern müssen wir sie absenken. Wir wollen nach Möglichkeit die Elternbeitragsfreiheit, damit nicht am Ende die Beiträge entscheiden, ob ein Kind in die Kita geht oder zu Hause bleibt. Wir wollen gutes, hochwertiges Mittagessen. Wir wollen die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten, die dieses Jahr zu Recht für bessere Arbeitsbedingungen gestreikt haben, durch weniger Stress und bessere Bezahlung deutlich verbessern.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir wollen ein sogenanntes Kitaqualitätsgesetz. Die im Haushalt ursprünglich für das Betreuungsgeld eingestellte Milliarde hätten wir gerne für ein solches Kitaqualitätsgesetz gesichert.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Jetzt werden Sie sagen - das wird vor allen Dingen von den Kollegen der Union kommen -, dass frühkindliche Bildung eine Aufgabe der Länder und Kommunen ist und der Bund im Übrigen schon sehr viel tut; das hat der Kollege Felgentreu ausgeführt. Aber frühkindliche Bildung ist eben nicht nur eine Aufgabe von Ländern und Kommunen, sondern sie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deswegen muss der Bund seiner Verantwortung mehr nachkommen. Er kann nicht nur den Rechtsanspruch schaffen, sondern er muss deutlich stärker in die Grundfinanzierung der Kindertagesbetreuung einsteigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Schwesig hat völlig recht gehabt, als sie nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Juli dieses Jahres gesagt hat, dass wir die Milliarde, die im Haushalt für das Betreuungsgeld vorgesehen war, für frühkindliche Bildung sichern wollen. Genau an dieser Stelle hat sie sich und hat sich die Sozialdemokratie aber nicht durchgesetzt. Das will ich anhand von drei Punkten belegen.

Erstens. Die Milliarde in dem Haushalt ist keine Milliarde. Etwa zwei Drittel dieser Milliarde gehen effektiv an die Länder.

Zweitens. Das Geld geht völlig kontrolllos an die Länder. Ob Bayern damit das Landesbetreuungsgeld finanziert, was ich grundlegend falsch finde, ob anderswo der Betreuungsschlüssel verbessert wird oder ob irgendwo ein Haushaltsloch gestopft wird, unterliegt überhaupt keiner Kontrolle. Deswegen haben Frau Schwesig, die Grünen und wir gefordert: Lasst das Geld im Bundeshaushalt; nur so können wir garantieren, dass es tatsächlich für frühkindliche Bildung ausgegeben wird, nicht für ein Landesbetreuungsgeld und auch nicht zur Stopfung von Haushaltslöchern.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Drittens. 2018 ist Schluss damit. 2018 fließt das letzte Geld an die Länder. Ab 2019, wenn die Schuldenbremse greift, wenn es in den Landeshaushalten interessant wird, gibt es nichts mehr von diesem ehemaligen Betreuungsgeld.

Das ist der falsche Weg. Deswegen lautet unser Antrag - darüber lassen wir namentlich abstimmen -: Lasst das Geld im Bundeshaushalt und setzt es als Basisfinanzierung im Rahmen eines Kitaqualitätsgesetzes ein!

(Beifall bei der LINKEN)

Alles andere ist nicht nachhaltig. Alles andere ist kurzsichtig.

Wenn 2019 die Schuldenbremse greift und die Zuwendungen an die Länder wegfallen - die letzte Zuwendung in Höhe von 870 Millionen Euro fließt 2018 an die Länder -, werden wir wissen, welche Folgen das in einem föderalen System für die frühkindliche Bildung hat - wir können die Folgen jetzt schon erahnen; der Kollege Felgentreu hat sie gut beschrieben -: Am Ende werden die Länder am Betreuungsschlüssel und an den Gehältern der Erzieherinnen und Erzieher sparen, Zuwendungen werden gekürzt werden usw. All das wird eintreten, und das trifft am Ende die sozial Benachteiligten in dieser Gesellschaft. Das Schlimme ist, dass diese Politik am Ende die sozial Benachteiligten in dieser Gesellschaft trifft.

Ich komme zum Schluss. Die Bertelsmann-Stiftung hat Anfang des Jahres eine Studie zur Kinderarmut vorgelegt, über die wir bereits diskutiert haben. Zu den gravierenden Folgen von Kinderarmut will ich jetzt nichts weiter sagen, auch nicht dazu, dass diese Bundesregierung die Aufgabe, Kinderarmut zurückzudrängen, nicht ernsthaft anpackt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie das alles nicht wollen, dann seien Sie wenigstens konsequent. Nehmen Sie die Vorschläge der Bertelsmann-Stiftung, die keine besonders linkslastige Stiftung ist, an, die sagt: Wenn Sie Kinderarmut nicht bekämpfen, dann investieren Sie wenigstens kräftig in die frühkindliche Bildung, um die grassierenden Folgen von Kinderarmut abzumildern. Dazu ist eine gute Kindertagesbetreuung sinnvoll.

Deswegen: Machen Sie den Weg frei für ein Kitaqualitätsgesetz! Stimmen Sie unserem Antrag und unserem Gesetzentwurf zur Aufhebung des Betreuungsgeldgesetzes heute zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)