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Windelweiche Formulierungen bei der "Novelle" des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes

Rede von Ralph Lenkert,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Damen und Herren!

Ich kannte als Betriebsrat die Tücken des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, wusste, wie dieses Gesetz missbraucht wird und wie schwer es Gewerkschaften und Betriebsräte haben, gute Beschäftigungsverhältnisse durchzusetzen. Dann befasste ich mich mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Ehrlich, im Vergleich zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist das Teilzeit- und Befristungsgesetz Gold wert.

Ein Beispiel: Eine junge Frau will Mathematikerin werden und beginnt mit 20 ihr Studium. Nach fünf Jahren hat sie den Master und promoviert. Sie fällt unter das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. In den sechs Jahren der Promotion muss sie halbjährlich um eine Vertragsverlängerung zittern.

25 Stunden die Woche bekommt sie bezahlt. Qualifikation während er Arbeitszeit? Fehlanzeige. Für Lehraufträge und an Drittmittelprojekten schuftet sie mehr als 40 Stunden pro Woche, damit sie die nächste Vertragsverlängerung auch erhält. Ihre Doktorarbeit entsteht nachts und am Wochenende. Mit 32 ist sie Doktorin und darf in Projekten forschen. Sie laufen zwei Jahre und länger. Trotzdem hangelt sie sich weiter mit Sechsmonatsverträgen durchs Leben.

Sie hält durch - in der Hoffnung auf eine Professur -, wird 38 und steht vor einer ungewissen Zukunft. Wie sähe Ihre Familienplanung aus, wenn Sie mit 40 den ersten unbefristeten Arbeitsvertrag bekämen?

Wie sollen unsere Hochschulinstitute bei diesen Rahmenbedingungen im Wettbewerb mit der Industrie und dem Ausland um die besten Nachwuchskräfte bestehen?

Wie kreativ könnten Sie sein, wenn Sie ständig neue Bewerbungen schreiben und um Bestätigung Ihrer Projektanträge bangen müssten?

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, ich hatte und habe kein Verständnis für Ihre Bummelei bei der Verbesserung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes.

Unser wissenschaftlicher Nachwuchs braucht in der Promotionsphase Mindestvertragslaufzeiten von drei Jahren - mit einer Option auf sechs Jahre -, zwei Drittel der vertraglichen Arbeitszeit müssen der Qualifikation dienen, und Mindestanforderungen müssen in das Gesetz.

Windelweich formulierte Wünsche - wie Ihre - nach angemessenen Vertragslängen und danach, dass die Tätigkeit die Qualifikation fördern soll, helfen nicht. Damit sind die Betroffenen weiterhin der Willkür ihrer Chefs ausgeliefert oder auf deren Einsicht angewiesen. Es gilt: schlucken oder aufgeben. Solche Regelungen lehnen wir ab.

Im Interesse der Betroffenen müssten die Verträge den Projektlaufzeiten entsprechen oder mindestens zwei Jahre laufen.

Was bietet die Koalition? Sie wollen eine Befristungsdauer nach Länge der Mittelbewilligung; damit knüpfen Sie Vertragslaufzeiten an Haushaltsplanungen.

Das ist maximale Sicherheit für die Einrichtungen und größtes Risiko für unseren Nachwuchs.

Diese Scheinlösung lehnen wir ab.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, es gibt auch Lichtblicke: Für Verwaltungs- und technisches Personal bei Forschungsprojekten gilt dieses Gesetz nicht mehr. Wir fragen uns nur, warum Sie diese Regelung nicht gleich auch auf das Personal mit überwiegenden Lehraufträgen ausgedehnt haben. Dass zukünftig für Familien-, Betreuungs- und Pflegezeiten und für Menschen mit Benachteiligung bessere Standards gelten, ist begrüßenswert. Wieso nicht auch bei Drittmittelprojekten?

Insgesamt bleibt Ihr Gesetzentwurf mangelhaft. Die Linke hat ihren Vorschlag schon vor langer Zeit eingebracht. Anders als in der Wissenschaft ist Abschreiben bei den Beratungen ausdrücklich erwünscht.