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Whistleblower müssen gesetzlich geschützt werden!

Rede von Karin Binder,

Karin Binder (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf den Besuchertribünen! Wer auf Missstände im Betrieb oder in der Behörde hinweist, wer Betrug oder gefährliche Zustände aufdeckt, kann dafür seinen Arbeitsplatz verlieren, wird möglicherweise gemobbt, von Vorgesetzten schikaniert, verleumdet oder muss mit dem Ende seiner beruflichen Karriere rechnen,

(Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Biermann wurde ausgebürgert!)

und das trotz der bestehenden Gesetzeslage, Herr Kollege Oellers. Ich hoffe, Sie werden gut zuhören.

(Beifall bei der LINKEN - Wilfried Oellers (CDU/CSU): Das tue ich immer! - Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Das braucht der Kollege gar nicht! Das weiß der schon!)

Deshalb ist es höchste Zeit, dass wir endlich, in dieser Legislatur, auch in Deutschland ein Whistleblower-Schutzgesetz auf den Weg bringen. Dass dies dringend notwendig ist, kann ich Ihnen an drei Fällen aufzeigen:

Erstens. Ein Berliner Krankenwagenfahrer wies auf unhaltbare Zustände im Krankentransport hin und wurde entlassen. Zwölf-Stunden-Schichten ohne Pause, fehlende Desinfektion nach Transporten von hoch ansteckenden Patienten, Fahrzeuge, die nicht mehr verkehrssicher sind - was bedeutet das für die Patientinnen und Patienten?

Zweitens. Ein selbstständiger Personalberater hatte die offene Diskriminierung einer Bewerberin durch ein Unternehmen angeprangert und wird zu einer Schadensersatzzahlung an dieses Unternehmen verurteilt. Was sind Diskriminierungsschutz und ein Gesetz wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz wert, wenn Menschen, die sich danach richten und dafür einsetzen, solche negativen Folgen zu erleiden haben?

(Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Richtig!)

Drittens. Elf Altenpflegerinnen im Münsterland wurden erst im September fristlos entlassen. Sie hatten die Leitung des Pflegeheims lange vergeblich auf unhaltbare Zustände, fehlendes Material und absolute Arbeitsüberlastung aufmerksam gemacht und dann die Heimaufsicht angeschrieben. Mit Unterlassungsklagen schüchterte der private Betreiber nicht nur die Heimaufsicht ein, sondern auch das Umfeld dieses Heimes, sodass die Kritik inzwischen verstummte. Die elf Kolleginnen sind jetzt arbeitslos, und die Patientinnen, die Heimbewohnerinnen, haben keinen Ansprechpartner mehr. Hier sind auf einen Schlag elf Fachkräfte aus einem Heim mit 47 Beschäftigten entlassen worden. Ich weiß nicht, ob Sie sich diese Situation für Ihre Angehörigen in einem ähnlichen Fall wünschen. Die oft demenzkranken Menschen verlieren Ansprechpartner, Vertrauenspersonen und Fachkräfte. Ersetzt werden die ausgeschiedenen Personen durch 400 Euro-Jobber, durch Aushilfen, durch Menschen, bei denen es im Prinzip erst einmal lange Zeit braucht, um Vertrauen zu ihnen aufzubauen.

Dass sich diese Altenpflegerinnen im Prinzip im Interesse der Patientinnen, im Interesse der Gesellschaft hier starkgemacht haben, muss Ihnen doch zeigen, dass in unserem Rechtssystem Defizite herrschen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Linke sagt: Diese Menschen leisten einen unverzichtbaren gesellschaftlichen Beitrag, und dafür verdienen sie unsere Anerkennung und unseren Schutz.

(Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Genau!)

Deshalb brauchen wir ein umfassendes Whistleblower-Schutzgesetz. Damit beauftragen wir auch Sie als Regierungskoalition und die Regierung. Denn wir glauben, Nachteile wie der Verlust des Arbeitsplatzes, Mobbing, Verleumdung und andere Dinge, etwa materielle Nachteile, müssen vermieden werden, wenn sich Menschen für ihre Mitmenschen oder für die Gesellschaft einsetzen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In einem solchen Gesetz muss auf jeden Fall der Schutz für Beschäftigte in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst verankert sein. Dieser Schutz muss für Beamtinnen und Beamte ebenso wie für Selbstständige, für Leiharbeiterinnen, für Auszubildende, für Ehrenamtliche, für Militärangehörige oder für Angehörige von Geheimdiensten gelten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen außerdem den Schutz für alle, die im guten Glauben handeln. Die wenigsten Menschen sind juristisch ausgebildet und können die feinen Differenzierungen vornehmen, die ihnen entweder tatsächlich helfen und sie schützen oder auch nicht. Der gute Glaube muss zählen, wenn es darum geht, Gefahren für andere Menschen abzuwenden.

Die Gewährleistung von Anonymität für Whistleblower ist eine ganz wichtige Sache; denn sonst verlieren sie ihren Arbeitsplatz. Es muss auch die Möglichkeit geben, sich an andere Stellen und an die Öffentlichkeit zu wenden, weil der interne Beschwerdeweg leider in vielen Fällen nicht erfolgreich ist, sondern sich, im Gegenteil, gegen diejenigen wendet, die ihn beschreiten.

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn:
Liebe Kollegin, ich war schon sehr großzügig. Deshalb müssen Sie jetzt zum Schluss kommen.

Karin Binder (DIE LINKE):
Letzter Satz. - Wir brauchen ganz dringend unabhängige Beratungsstellen und eine unabhängige Ombudsstelle, am besten angesiedelt hier bei uns, beim Parlament, beim Bundestag.

Deshalb kann ich Sie nur bitten: Schauen Sie sich den Entwurf der Grünen gut an! Wir hätten durchaus noch Vorschläge zur Ergänzung. Ich würde sagen: Ein umfassendes Whistleblower-Schutzgesetz ist wichtig und notwendig.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)