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Weltmädchentag

Rede von Annette Groth,

Rede zum Weltmädchentag

 Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Anlässlich des internationalen Mädchentages beklagen wir einmal die weltweite Benachteiligung, Diskriminie­rung und Gefährdung von Mädchen in vielen Ländern der Welt. Ein Mädchen zu gebären, gilt bei vielen immer noch als Enttäuschung. Mädchen werden zwangsverhei­ratet, sexuell weit häufiger missbraucht als Jungen und auch noch bestraft, wenn sie infolge des Missbrauchs schwanger werden.

Weltweit sind etwa 150 Millionen Frauen Opfer von Genitalverstümmelung. 2 Millionen Mädchen sind jedes Jahr davon bedroht. Das ist eigentlich unglaublich, und ich finde, wir alle sind aufgerufen, aktiv gegen diese bru­tale Art der Körperverletzung zu kämpfen.

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Ein zunehmendes Problem – meine Vorrednerin hat es schon angesprochen – ist das Kidnapping von Mädchen und Frauen, um sie zwecks Zwangsheirat nach China zu bringen. Wir hatten heute ein Gespräch mit Leuten aus Kambodscha, die uns genau das erzählten. Kidnapping von Frauen gibt es nicht nur in Kambodscha; das gibt es auch in Myanmar, in Laos und in anderen Teilen der Welt. In China fehlen Millionen von Frauen, weil – Sie haben es schon gesagt – viele Mädchen abgetrieben wur­den. Jetzt besteht dort ein großes Problem, nämlich Frau­enmangel, und man holt sich Frauen gewaltsam aus an­deren Ländern. Es ist eigentlich ein Non-Thema. Darum sollten wir uns viel stärker kümmern.

Weltweit besuchen 31 Millionen Mädchen im Grund­schulalter keine Schule, 5 Millionen mehr als Jungen. 31 Millionen Mädchen, die im Grundschulalter sind, ge­hen nicht zur Schule! Zwei Drittel aller Analphabeten weltweit sind weiblich. Das ist kein Zufall, sondern ein strukturelles Problem.

Über die Hälfte der Weltbevölkerung sind Mädchen und Frauen. Weltweit erbringen sie – oder wir – zwi­schen 60 und 70 Prozent der Arbeitsleistungen. Bezahlt wird davon aber nur ein Drittel. Es ist ein Skandal, dass Frauen nur einen Bruchteil des Welteinkommens erhal­ten und nur etwa 1 Prozent des weltweiten Eigentums besitzen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord­neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dabei werden allein in Afrika circa 80 Prozent der land­wirtschaftlichen Erzeugnisse nur von Mädchen und Frauen produziert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frauen und Mäd­chen geht es – das wurde schon gesagt – am schlimms­ten in Kriegen und bei anderen Katastrophen. In solchen Ausnahmesituationen wird deutlich, wie verletzlich Mädchen sind. Sie kommen bei Naturkatastrophen nicht nur vierzehnmal häufiger um als Jungen, sondern sie werden in deren Folge auch viel öfter Opfer von Gewalt und Zwang.

Jedes Jahr werden weltweit 1,7 Millionen Mädchen unter 15 Jahren verheiratet; bei Mädchen unter 18 Jahren sind es immerhin noch 10 Millionen. Das ist eigentlich ungeheuerlich.

Ich bin am Dienstag von einer Reise an die syrisch-türkische Grenze bei Kobane zurückgekommen. Dort habe ich Flüchtlingslager besucht und war tief beein­druckt von der Hilfsbereitschaft der lokalen Bevölke­rung. Sie versorgen die Flüchtlinge praktisch allein, ohne internationale Hilfe, die aber angesichts des nahen­den Winters dringend erforderlich ist.

In einem Lager, das ich besucht habe, waren von den circa 2 100 Flüchtlingen 85 Prozent Frauen und Kinder. „Es ist ein Krieg gegen Frauen“, sagten mir türkische und kurdische Feministinnen, die wie ich eine Solidari­tätsreise in diese Region machten. Viele der Frauen sind schwer traumatisiert und waren auf ihrer Flucht teilweise massiver Gewalt ausgesetzt. Die IS-Terroristen benutzen Frauen als Druckmittel, verkaufen sie, vergewaltigen sie und zwingen sie in Ehen.

Ganze Menschenhändlerringe haben sich auf den Handel mit syrischen Mädchen „spezialisiert“. Fast die Hälfte der Opfer ist noch minderjährig. Das Geschäft mit den Mädchen, die für etwa 600 Euro verkauft werden, boomt, so zum Beispiel in Ägypten, weil sich viele Ägypter eine Heirat mit Ägypterinnen aus finanziellen Gründen nicht leisten können.

In vielen Fällen sind die Käufer dieser syrischen Mädchen Scheichs aus Saudi-Arabien und anderen Golf­staaten, aber auch Männer aus Frankreich und sogar aus Deutschland, wie ich in der Türkei erfahren musste. Das ist doch finsterstes Mittelalter und muss wirklich von uns allen bekämpft werden.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Vorrednerin hat es gesagt: Statt immer mehr Gelder in Rüstung zu stecken, in unproduktive Waffen, die töten,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das hat sie aber nicht gesagt!)

sollten wir viel mehr Geld in Bildung stecken und insbe­sondere ins Gesundheits- und Bildungssystem. Das bie­tet Mädchen die einzige Möglichkeit, etwas für sich zu tun. Das sollten Sie bitte auch in den anstehenden Haus­haltsberatungen beherzigen.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)