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Waffenhandel an die Kette

Rede von Inge Höger,

Der Waffenhandelsvertrag ist ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren!
Weltweit sterben jedes Jahr etwa eine halbe Million Menschen durch Waffengewalt. Das entspricht durchschnittlich einem Todesfall pro Minute oder vier Toten während dieser Rede.
Deutschland als Nummer drei unter den globalen Händlern des Todes trägt daran eine wesentliche Mitverantwortung.
Der Waffenhandelsvertrag ATT, über den wir hier abstimmen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ihm müssen jedoch noch viele weitere folgen. Dass es diesen Vertrag überhaupt gibt, das haben wir den Bemühungen zahlreicher ziviler Aktivistinnen und Aktivisten zu verdanken. Sie haben sich weltweit und kontinuierlich für eine Eindämmung der Rüstungsgeschäfte eingesetzt!
Der ATT ist leider kein Abrüstungsvertrag.  Aber er ermöglicht immerhin eine gewisse Kontrolle über die Verbreitung tödlicher Waffensysteme, indem er Regelungen für die Dokumentierung des Handels einführt.
Ob die Möglichkeiten, die der ATT eröffnet, auch tatsächlich genutzt und umgesetzt werden, das liegt am politischen Willen der Verantwortlichen.  Hier ist auch die Bundesregierung gefragt, ihren Sonntagsreden Taten folgen zu lassen. 
So fordert das Vertragswerk die Mitgliedsstaaten auf, jeweils bis zum 31. Mai des Folgejahres die Einzelheiten zum Waffenhandel aus ihrem Land bei den Vereinten Nationen zu melden. Wenn zukünftig bis zu diesem Zeitpunkt auch der Rüstungsexportbericht vorliegt und dabei endlich auch deutsche Exporte von Pistolen und Revolvern mit aufgelistet werden, dann wäre dies ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Transparenz. Die heutige Praxis, Informationen über Waffenexporte erst mit großer Verzögerung und unvollständig zur Verfügung zu stellen, muss ein Ende haben!

Leider verhindert der ATT Lieferungen in Spannungsgebiete – noch - nicht. Doch nichts hindert einzelne Länder daran, sich selbst an strengeren Richtlinien zu orientieren. Der ATT sieht in Kapitel 20 explizit die Möglichkeit vor, den Vertrag weiterzuentwickeln, wenn eine Zweidrittelmehrheit zustimmt.
Verbesserungen am ATT sind auch dringend nötig, nicht zuletzt weil er bis jetzt keine verbindlichen Vorgaben zu Vertragsverstößen macht.
Das Grundproblem des Vertrages ist, dass er der neoliberalen Logik offener Märkte verpflichtet ist. Der Vertrag akzeptiert in seiner Präambel das „legitime Interesse“ von Staaten am Handel mit Waffen.
Die deutsche Rüstungslobby hat deswegen bisher kaum Probleme mit diesem Vertrag. Sie sieht daran sogar einen Verbesserung der Konkurrenzsituation, speziell gegenüber Lieferanten aus Staaten, in denen Exporte bisher noch weniger reglementiert wurden.  Sollte der Vertrag also nur genutzt werden, um der deutschen Rüstungsindustrie weitere Wettbewerbsvorteile zu bringen, dann wird das wenig zur Einschränkung von Rüstungsexporten und zur Akzeptanz des Vertrages beitragen.
Deswegen ist es Notwendig , den ATT als Rahmen zu nutzen um den Druck auf politische Entscheidungsträger zu verstärken. Ziel muss eine generelle Ächtung des Waffenhandels sein.
Wie ernst es den westlichen Staaten mit dem ATT ist, zeigt sich ganz aktuell an der Frage der Waffenlieferungen an syrische Aufständische.
 Solche Lieferungen widersprechen sowohl dem Geist als auch dem Wortlaut des ATT, da dieser legalen Waffenhandel nur mit staatlichen Akteuren vorsieht. Waffenlieferungen nach Syrien – egal an welche Kriegspartei – verschärfen den Konflikt nur. Deswegen fordere ich die Bundesregierung auf, alles in ihrer Macht stehende zu tun, dass hier nicht noch mehr Öl ins Feuer gegossen wird.

Auf Grund der bisherigen Erfahrung rechne ich damit, dass auch in Zukunft erheblicher Druck ziviler Akteure notwendig sein wird um den Waffenhandel wirklich einzudämmen. DIE LINKE wird alles dazu beitragen, den Druck außerhalb der Parlamente zu unterstützen. Und wir werden ihm innerhalb der Parlamente eine Stimme geben. Wir wollen, dass aus dem zur Zeit noch recht zahnlosen Tiger ATT möglichst bald ein effektiver Abrüstungsvertrag wird.