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Wären wir mutiger, wären wir glaubwürdiger!

Rede von Eva Bulling-Schröter,

ZP 11 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott, Viola von Cramon-Taubadel, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENChina als wichtiger Partner im Klimaschutz Drucksache 17/7481

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Antwort auf die Große Anfrage der SPD zur Klimadiplomatie der Bundesrepublik Deutschland hat 34 Seiten. Bei allem Respekt vor der Arbeit der Beteiligten: Was machen wir jetzt damit? Wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen: Es ist bereits jetzt klar, dass die UN-Klimakonferenz auch dieses Jahr wie das Hornberger Schießen ausgehen wird.
Am Mittwoch bemerkte eine Klimazeugin aus Papua-Neuguinea im Umweltausschuss, dass wir uns auf COP 17 in Durban über das Scheitern von COP 16 in Cancún unterhalten.
Da hatten wir uns über die Katastrophe der COP 15 in Kopenhagen verständigt.
Kein Wunder, dass uns immer mehr Menschen aus Umweltbewegungen die Frage stellen, was die jährlichen Treffen der Klimadiplomaten und Lobbyisten überhaupt bringen.
Um eines klarzustellen: Ich bin nicht der Meinung, dass die Klimaverhandlungen überflüssig sind. Globale Probleme müssen auch global geklärt werden.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Matthias Miersch (SPD))

Doch ich frage mich dann schon, ob die debattierte Minimallösung etwa ein bis 2017 verlängertes Kioto-Protokoll mit unveränderten Minderungszielen tatsächlich Sinn macht. Schließlich übernehmen wir dann die gesamte heiße Luft aus den osteuropäischen Staaten, anstatt diese Emissionen mit einem neuen Abkommen zu verhindern. Dann frage ich mich: Ist es vielleicht sogar sinnvoller, ein paar Jahre, bis ein vernünftiges Abkommen geschlossen wird, mit nationalen Verpflichtungen zu überbrücken, um in dieser Zeit die zugesagten, dringend notwendigen Fonds für Klimaschutz, Anpassung und Waldschutz mit Geld und tatsächlich mit Leben zu füllen?
(Beifall bei der LINKEN)

Diese Frage stelle ich jetzt einmal in den Raum.
Wie dem auch sei, für mich wird jedenfalls immer klarer, welche Rolle unsere Klimapolitik hier in Deutschland im internationalen Kontext einnimmt bzw. einnehmen muss. Ich bin der Überzeugung: Die Bundesrepublik kann bei der globalen Energiewende eine Schlüsselrolle spielen, und zwar als praktisches Beispiel dafür, dass ein industrialisierter Staat seine Energieversorgung tatsächlich vollständig auf eine regenerative Versorgung umstellen kann,
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Frank Schwabe (SPD))

und zwar ohne Problemverlagerung ins Ausland, siehe Agrosprit, oder auf Kosten der sozial Schwachen, Stichwort Energiearmut. Die Bundesrepublik hat mit der erkämpften Energiewende, so mangelhaft sie im Detail auch ist, den Weg für eine solche Rolle freigemacht.
(Josef Göppel (CDU/CSU): Sogar die Linken erkennen das an!)

Sie wissen es selbst: Vertreter aus China und anderen Staaten haben mehrmals erklärt, dass sie die Entwicklung hier genau verfolgen; denn mit unserem Fördersystem für die erneuerbaren Energien und dem Atomausstieg könnten wir das solare Zeitalter in absehbarer Zeit erreichen. Jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir das absolut nicht vergeigen; aber wir sind genau auf dem Weg dahin.
Im letzten Jahr stiegen die CO2-Emissionen in Deutschland um 3,7 Prozent, übrigens bei einem Wirtschaftswachstum von 3,6 Prozent. Das sage ich an die Adresse derjenigen, die meinen, das Wirtschaftswachstum hätte sich inzwischen vom Umweltverbrauch abgekoppelt, etwa weil wir jetzt eine Dienstleistungsgesellschaft wären. Offensichtlich sind wichtige Weichen für die Zukunft schlicht falsch gestellt.
In den letzten Tagen wurde allerorts heftig über etwas diskutiert, worauf die Linke seit Monaten unablässig aufmerksam macht die „unabhängigen“ Medien haben das völlig ignoriert, weil es eben nicht von der SPD oder den Grünen kam : Zum einen werden über sogenannte internationale Klimaschutzprojekte nun sogar Kohlekraftwerke in China und Indien gefördert. Das halte ich für pervers; es durchlöchert auch unser Emissionshandelssystem.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Zum anderen sind die Anreize für die Industrie, hierzulande in Energiespartechnologien einzusteigen, fast null. Die Industrie hat zu viele Emissionsrechte erhalten, und das auch noch umsonst. Ja, sie verdient sogar mit dem Berg von Zertifikaten, die sie natürlich verkaufen kann. Die Sandbag-Studie, die in dieser Woche vorgestellt wurde, hat das nachgewiesen. Auch mit EEG-Umlage, Ökosteuer und Stromkostenkompensation verdienen die energieintensiven Unternehmen mehr als sie zahlen, wenn sie überhaupt zahlen. Die Bundesregierung betreibt hier das Geschäft der Konzerne zulasten kleiner und mittlerer Unternehmen sowie der einfachen Leute. Diese müssen nämlich für das alles allein blechen, genauso wie die Menschen in Afrika, Asien oder den Pazifikstaaten. Das wurde in mehreren Anhörungen, die letzte erst am Mittwoch, klar.
Darum: Werden wir endlich glaubwürdig, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deutschland muss sich für eine Reform des Emissionshandels genauso einsetzen wie für ein bedingungsloses 30-Prozent-Minderungsziel der Europäischen Union.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nur durch glaubwürdige Entscheidungen wird die Konferenz ein Erfolg. Das ist ganz wichtig und dringend notwendig.
(Beifall bei der LINKEN)