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Vielfältige Protestformen gegen die Agro-Gentechnik

Rede von Kirsten Tackmann,

Zu Protokoll gegebene Rede zum Antrag der FDP-Fraktion "Eigentumsrechte und Forschungsfreiheit schützen - Entschiedenes Vorgehen gegen Zerstörungen von Wertprüfungs- und Sortenversuchen sowie von Feldern mit gentschnisch veränderten Pflanzen", DS 16/2835

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

wir sprechen heute über einen Antrag, der gar nicht nötig wäre, wenn die Regierung die Skepsis oder Ablehnung der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Agro-Gentechnik respektieren würde.

Diese breite Ablehnung äußert sich in vielen Protestaktionen.

• Anfang November bildeten 13.000 Luftballons in Berlin den Schriftzug: „Gen-Food: Nein Danke!“

Es gibt
• Demonstrationen
• Streitgespräche
• Informationsveranstaltungen
• eMail- oder Postkartenaktionen.

Kurzum: die Menschen, die Agro-Gentechnik aus sehr verschiedenen Gründen ablehnen, verschaffen sich auf sehr unterschiedlichen Wegen Gehör.

Einige Wenige auch durch Vernichtung gentechnisch veränderter Maispflanzen. Meine Fraktion Die Linke. hält das für keine geeignete Protestform.

Aber wir verstehen die Botschaft dieser so genannten „Feldbefreiungen“: Sie fordern uns zum Nachdenken auf. Zum Nachdenken darüber, wie bedrohlich Menschen die Agro-Gentechnik wahrnehmen!

Und das ist ja nicht unbegründet.

Um nur ein paar Beispiele zu nennen:

• Der Reis LL601 gelangt europaweit in Lebensmittelregale, obwohl er angeblich nur in einem kleinen wissenschaftlichen Versuch in den USA angebaut wurde und nicht zugelassen ist.
• Es besteht zumindest das Risiko, dass Felder in der Umgebung kontaminiert werden. Das entwertet das Erntegut der Nichtanwender. Haftung gibt es nur bei Verschulden.
• Nicht-Anwender müssen die Kosten für den Nachweis der gentech-Freiheit ihrer Ernte selbst bezahlen.
• Auf dem Acker verbleibendes Erntegut entwertet Pachtflächen.
• Gentechnisch veränderte DNA wird in Honig nachgewiesen, Imker bekommen daher Vermarktungsprobleme.

Kann man nicht verstehen, dass sich Menschen gegen eine solche Gefahr wehren, wenn die Politik sie nicht durch Gesetze schützt?

Eines habe ich aus meiner eigenen Geschichte gelernt: statt nur über die Art und Weise des Protestes zu debattieren, ist jede Regierung gut beraten, solche Aktionen als Warnsignal ernst zu nehmen.

Der Versuch, die berechtigten Proteste zu kriminalisieren, löst das Problem nicht. Viel klüger wäre es, die dahinter stehenden Ängste und Sorgen endlich ernst zu nehmen.

Es gibt aus Sicht der LINKEN. eine viel wirksamere Form des Protests: die Bildung von Gentechnikfreien Regionen oder Kommunen. Sie ist ein bürgerschaftliches, demokratisches Mittel des Widerstands. Daher unterstützen wir diese Lösung ausdrücklich und sehr konkret vor Ort.

Die Regierung handelt auch bei diesem Thema nicht im Interesse der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger. Anders als zum Beispiel kürzlich in Südtirol - hier sucht die Regierung nach Möglichkeiten eines europarechtskonformen Wegs ohne Agro-Gentechnik. Bis dahin ist der Anbau über ein Moratorium verboten. In der Schweiz besteht das Moratorium nach einer Volksbefragung.

Die Bundesregierung versucht stattdessen das Volk mit zwei Versprechen im Koalitionsvertrag zu beruhigen:

1. die Sicherung der Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher;
2. die Sicherung der Koexistenz zwischen Anwendern und Nicht-Anwendern.

Die Realität sieht anders aus:

1. Es gibt keine wirkliche Wahlfreiheit bei Lebensmitteln.
• Gentechnik-frei heißt nicht wirklich frei, sondern eine zufällige Kontaminationen bis zu 0,9%!
• Weder Milch noch Eier sind gekennzeichnet, wenn genetisch veränderte Futtermittel verwendet werden.

2. Koexistenz ist auf Dauer nicht zu sichern und sehr teuer - aufgrund der großen Anzahl nicht oder kaum kontrollierbarer Verschleppungsrisiken, wie zum Beispiel Wind, Insekten, verunreinigte Erntetechnik, Transportverluste, Resternte auf dem Feld, Eintragsrisiken in die Produktionskette etc.. Das war auch die überwiegende Meinung der Experten in unserer Ausschussanhörung zur Koexistenz vor wenigen Wochen.

In einer Aussage würde ich Minister Seehofer unterstützen. Er will keinen Krieg in die Dörfer tragen, sagte er im Sommer. Aber wer das nicht will, darf auch nicht an der Lunte zündeln, sondern muss sich auf die Seite der Mehrheit stellen.