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Verwertungsgesellschaften: Mehr Demokratie und Transparenz

Rede von Harald Petzold,

(Anrede)

 Sie wissen ja, die GEMA hat keinen Ruf im Land. Wenn die GEMA Gebühren einstreichen will für das Singen von Rolf Zuckowskis „Weihnachtsbäckerei“ im Kindergarten, macht man sich eben keine Freunde. Kinder abzocken? Das geht gar nicht! Aber darum geht es heute ja nicht. Heute geht es um die Demokratie bei der GEMA. Dort herrschen immer noch vordemokratische Zustände, ein Drei-Klassen-Wahlrecht, an dem der olle Kaiser Willem seine wahre Freude hätte! An diesem Drei-Klassen-Wahlrecht bei der GEMA soll sich auch in Zukunft nichts ändern. Auch das ist kein Thema, das das Image aufpolieren würde.

Was, zum Kuckuck, haben sie eigentlich gegen demokratische Binnenstrukturen bei den Verwertungsgesellschaften? Und was haben sie gegen eine wirksame Kontrolle der GEMA oder der VG Wort durch eine staatliche Regulierungsbehörde, die beim Bund angesiedelt ist? In anderen Bereichen funktioniert das ja auch. In der Tat, das System der kollektiven Rechtewahrnehmung, das ja niemand ernsthaft in Frage stellt, steckt auch aus diesem Grund tief in einer Akzeptanzkrise – siehe GEMA! Diese Krise hat natürlich auch etwas mit dem eklatanten Demokratiedefizit bei den Verwertungsgesellschaften zu tun. Daran ändert ihr Gesetzentwurf nichts. Auch in Zukunft soll zwischen vollwertigen Mitgliedern und sogenannten „Berechtigten“ unterschieden werden. Nur den Mitgliedern wird die uneingeschränkte Wahl- und Stimmberechtigung zugebilligt. Aber nicht die Zementierung vordemokratischer Zustände sollte das Programm sein, sondern die umfassende Demokratisierung der Verwertungsgesellschaften. Das bedeutet, die Statusdifferenzierung zwischen Mitgliedern und „Berechtigten“ muss aufhören und allen Mitglieder sind gleiche Rechte einzuräumen. Mit ihrem Gesetzentwurf verpassen sie aber eine große Chance.

Hätten sie sich dazu durchgerungen, die Verwertungsgesellschaften einer Rundumerneuerung zu unterziehen, statt lediglich deutsches Recht an europäische Anforderungen anzupassen, die wohlwollende, wenngleich kritische Begleitung meiner Fraktion wäre ihnen sicher gewesen. Auch wir haben ein großes Interesse daran, dass das System der Verwertungsgesellschaften seiner Krise herausgeführt wird.

An anderer Stelle sind sie in ihrem Gesetzentwurf ja durchaus auf der richtigen Spur. Wir freuen uns natürlich, dass unsere Forderung aus dem Jahre 2012, die Verwertungsgesellschaften wie die GEMA einer weitgehenden, verbindlichen Informations- Transparenzpflicht zu unterwerfen, Eingang in ihren Gesetzentwurf gefunden hat. Unsere Forderung aus dem Jahr 2012 deckt sich im Wesentlichen mit den von der EU formulierten Anforderungen  Deshalb bin ich ja auch so erstaunt, dass sei bei der Demokratisierung ohne Not auf halber Strecke stehen bleiben.

Wenn es nach der Bundesregierung geht, sollen sich auch die Aufsichts- und Kontrollmaßnahmen nur unwesentlich ändern. Da sich die sogenannte VG-Richtlinie der Europäischen Union, um deren Umsetzung es hier geht, dazu nur sehr vage äußert, hat die Bundesregierung das ausgenutzt und die bestehenden Strukturen im Prinzip einfach nur bestätigt. Auch künftig soll das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) mit der staatlichen Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften befasst sein. Das künftige Kontrollmodell unterscheidet sich kaum von jenem, das seit Mitte der 60er Jahre bereits besteht. Hier wurde abermals eine Chance vertan. Und zwar wider besseres Wissen! Sie wären besser der Empfehlung der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ oder der Projektgruppe Urheberrecht der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages gefolgt, die beide unmissverständlich zum Ausdruck gebracht haben, dass Aufsicht und Kontrolle bei einer Regulierungsbehörde des Bundes viel besser aufgehoben sind als beim Patent- und Markenamt sei. Sie halten an der passiven Staatsaufsicht fest und verzichten auf die aktive Rolle einer Bundesbehörde. Das ist falsch.

(Anrede)

Dieser Gesetzentwurf hat den Charme der Echternacher Springprozession, oder, um Günter Grass zu zitieren, damit es die Sozialdemokraten besser verstehen: Der Fortschritt kommt als Schnecke daher: Drei Schritte vor und zwei zurück und das alles im Kriechgang. Wenn sie für diese eigentümliche Strategie plausible Gründe vorbringen könnten, würde ich sagen: Wenigstens ist die Mühe erkennbar. Solche Gründe habe sie aber nicht. Und das ist das Traurige daran.