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Versprochen und gebrochen! Familienetat offenbart die Leerstellen im Koalitionsvertrag

Rede von Diana Golze,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Es wurde heute schon mehrfach gesagt: Ein Haushalt ist in Zahlen gegossene Politik. ‑ Schon nach dem Lesen des Koalitionsvertrags kann man hier jedoch nicht viele Hoffnungen haben, aber bekanntlich soll man die ja nicht aufgeben. Da auf 183 Seiten Koalitionsvertrag das Wort „Kinderarmut“ nicht einmal vorkommt ‑ Frau Schön, auch Sie haben das gesagt ‑, mache ich mir aber nicht viele Hoffnungen, dass man das Problem lösen will.

Wie gesagt: Kindergeld und Kinderfreibetrag kommen bei Kindern von Hartz-IV-Beziehenden überhaupt nicht an.

(Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU): Aber andere Maßnahmen!)

Für sie haben Sie nichts; Sie haben keine Lösungen vorgeschlagen ‑ auch in diesem Haushalt nicht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ‑ Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU): Natürlich!)

Ich habe auch deshalb die Hoffnung gehabt, dass sich hier etwas ändern wird, weil Sie ziemlich viel Zeit gebraucht haben, um uns diesen Haushaltsentwurf vorzulegen. Nach der Lektüre frage ich mich allerdings: Warum? Bis auf die Drucksachennummer entspricht er nämlich fast dem Entwurf, der uns schon im Sommer des letzten Jahres von Schwarz-Gelb zugestellt worden ist. Warum haben wir das dann nicht schon längst diskutiert? Warum muss der Familienausschuss morgen um 8 Uhr zu einer Sondersitzung zusammenkommen und schon in der nächsten Sitzungswoche unseren Einzelplan beschließen? Warum haben wir die Zeit bis zum April nicht genutzt, um eine wirkliche, an der Sache orientierte Diskussion zu führen?

Vor allem frage ich mich aber: Warum unterscheiden sich die Haushalte nicht aufgrund dessen, dass es unterschiedliche Regierungen sind? Warum unterscheiden sie sich im Bereich der Familienpolitik nicht? Worin liegt - das frage ich allen Ernstes - der Mehrwert eines SPD-geführten Familienministeriums?

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte die einzelnen Themengebiete einmal kurz beleuchten:

Sie haben zur letzten Bundestagswahl ein SPD-Wahlprogramm gehabt, in dem es um moderne Familienpolitik, unterschiedliche Lebensentwürfe, die verwirklicht werden können sollen, Partnerschaftlichkeit, Ganztagsbildung und eine gute materielle Absicherung für Kinder ging. Was ist davon im Haushaltsentwurf aber tatsächlich übrig geblieben?

Das Betreuungsgeld - ich muss es einfach noch einmal sagen - wollten Sie, sobald Sie in der Regierung sind, als Allererstes abschaffen. Alleine in diesem Jahr schlägt es mit 515 Millionen Euro zu Buche. Mehr als eine halbe Milliarde Euro wollen Sie dafür ausgeben, dass Eltern ihre Kinder nicht in die Kitas geben,

(Ulli Nissen (SPD): „Wollen“ nicht!)

die ‑ Herr Weinberg, Sie haben es angesprochen ‑ mit 5,4 Milliarden Euro Bundesmitteln gefördert worden sind. Ich verstehe das nicht. Das ist hinausgeschmissenes Geld.

(Beifall bei der LINKEN)

Statt dieses Geld in eine Qualitätsoffensive für Kitas zu stecken, wird davon nicht einmal gesprochen. Das Kita-Qualitätsgesetz steht nicht im Koalitionsvertrag und findet sich deshalb auch nicht im Haushalt wieder.

Sie sagen jetzt, Sie wollen 6 Milliarden Euro ausgeben. Das ist ganz prima. 5,4 Milliarden Euro haben Sie einmal allein für den Kita-Ausbau ausgegeben. Jetzt wollen Sie für insgesamt 6 Milliarden Euro für die Kitas, die Schulen, die Hochschulen und die Forschung gelobt werden.

(Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU): Zusätzlich!)

‑ Das andere war auch zusätzlich. ‑ Dafür kann man nicht gelobt werden. Damit kann man das, was Sie hier behaupten, einfach nicht umsetzen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Im Bundestagswahlkampf haben wir über die Familienförderung und deren Zielgenauigkeit gesprochen. Die SPD hat in ihrem Wahlprogramm zu Recht festgestellt, dass ein Spitzenverdiener für seine Kinder mehr entlastet wird als ein Normalverdiener, und Sie haben das zu Recht als ungerecht beschrieben. Es ändert sich aber nichts daran ‑ auch in diesem Haushalt nicht.

Klar, die Mittel für das Kindergeld stehen nicht in unserem Einzelplan; aber die Familienministerin hat bei der Aushandlung zwischen den Ressorts anscheinend nicht genug Einfluss gehabt. Denn die sparsame Kindergelderhöhung um 2 Euro wurde auf die lange Bank geschoben. Der Kinderfreibetrag soll aber erhöht werden.

Es bleibt also dabei, dass ich als Bundestagsabgeordnete für meine beiden Kinder stärker entlastet werde als meine Nachbarin, die in einem Supermarkt arbeitet. Eine Hartz-IV-Bezieherin bekommt gar nichts für ihre Kinder, weil das Kindergeld beim Arbeitslosengeld II angerechnet wird. Das ist und bleibt ungerecht; es ist ein großer Fehler.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Reform des Kinderzuschlags ist schon angesprochen worden. Der Kinderzuschlag wurde seinerzeit erfunden, um Eltern den Weg zu Hartz IV zu ersparen, wenn sie nur aufgrund des Bedarfs ihrer Kinder in Hartz IV rutschen würden. Der Kinderzuschlag sollte seit längerem reformiert werden. In diesem Haushalt wird der Ansatz sogar noch gekürzt, und zwar um fast 10 Millionen Euro. Das kann ich nicht nachvollziehen.

Das Versprechen der Anrechnungsfreiheit von Elterngeld und Betreuungsgeld auf das Arbeitslosengeld II wird auch in diesem Haushalt nicht erfüllt. Es ist im Haushaltsplan nicht auffindbar. Wo bitte ist die Förderung von Familien mit kleinen Einkommen? Wo ist die Förderung von Familien ohne Erwerbseinkommen? Ich kann das in diesem Haushalt nicht finden. Dieses Wahlversprechen ist nicht erfüllt worden.

(Beifall der Abg. Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich komme zum Thema Alleinerziehende. Alleinerziehende, die das Problem haben, dass geschiedene oder getrennte Partner den Unterhalt für die Kinder nicht zahlen, haben die Möglichkeit, einen sogenannten Unterhaltsvorschuss zu beantragen. Der Tigerentenklub hatte 2009 im Koalitionsvertrag versprochen, den Unterhaltsausschuss auszuweiten. Nicht einmal ein solches Versprechen findet sich im aktuellen Koalitionsvertrag. Aber jetzt setzt dieser Haushalt noch eins drauf: Der Ansatz für Unterhaltsvorschuss wird sogar noch um 20 Millionen Euro gekürzt. An der sinkenden Zahl der Alleinerziehenden, die auf diese Leistung angewiesen sind, kann es nicht liegen. Bitte erklären Sie mir diese Kürzung! Aber erklären Sie sie vor allem den Betroffenen!

(Beifall bei der LINKEN - Elke Ferner (SPD): Unfassbar!)

Zu guter Letzt zur Jugendpolitik: Sie wollten als für eine gute Jugendpolitik gute Infrastruktur zur Verfügung stellen, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD. Auch die CDU/CSU hat festgestellt, der Kinder- und Jugendplan habe sich ‑ ich zitiere ‑ „als wichtiges Instrument erwiesen, um die Arbeit der Jugendverbände zu unterstützen“. Im letzten Haushalt hat die SPD dafür noch 5 Millionen Euro mehr beantragt. Wie erklären Sie es ‑ vor allem den Jugendverbänden, die davon betroffen sind ‑, dass der Kinder- und Jugendplan um 1,5 Millionen Euro gekürzt wird?

(Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU): Nein! Das ist falsch!)

Das ist nicht verlässlich. Es werden Strukturen abgebaut und Angebote gestrichen. Ich kann das nicht nachvollziehen.

(Ulrike Gottschalck (SPD): Das stimmt alles gar nicht! Vielleicht sollten Sie sich mal schlau machen!)

Zu der Vereinheitlichung von Freiwilligendiensten, die Sie uns unterstellen: Uns ging es einfach darum, zu prüfen, warum die Jugendlichen in den Freiwilligendiensten unterschiedlich behandelt werden. Warum bekommen sie eine unterschiedlich hohe Entschädigung dafür? Warum kann man das nicht angleichen, und zwar auf dem hohen Niveau statt auf dem niedrigen? Wenn man das Engagement dieser jungen Leute anerkennen will, dann haben wir noch einen weiten Weg vor uns.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich bitte darum, dass die Anträge der Opposition in den Haushaltsberatungen ernsthaft geprüft werden,

(Elke Ferner (SPD): Wie ernsthaft sind Ihre Pläne?)

auch wenn wir wenig Zeit dafür haben, statt sie aufgrund des Absenders einfach abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))