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Verbrechen im Staatsauftrag

Rede von Stefan Liebich,

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Wir wussten es. Wir wussten doch, dass Deutschlands engster Verbündeter foltert. Der Bremer Murat Kurnaz hat bereits 2007 ein Buch – Sie kennen es vielleicht –, in dem er über seine Erlebnisse in Guantánamo berichtet, veröffentlicht. Im Bundestag – Hans-Christian Ströbele hat darauf Bezug genommen – ist dies im Abschlussbericht des BND-Untersuchungsausschusses aus dem Jahr 2009 nachzulesen.

Nun hat die US-Senatorin Dianne Feinstein ihren Report vorgelegt. Ich habe Frau Feinstein vor einigen Wochen kennengelernt. Sie ist eine sehr resolute 81-jährige Demokratin, eine engagierte Frau. Sie ist übrigens keine Gegnerin der Geheimdienste, ganz im Gegenteil. Wir hatten heftigste Auseinandersetzungen über die NSA-Affäre. Aber das Ausmaß an Verbrechen, die im Staatsauftrag begangen wurden – sie hat dies in einer vierzigminütigen Rede im Senat dargelegt –, war dann doch deutlich schockierender, als es sich viele vorstellen konnten. Wir kennen immer noch nicht das gesamte Ausmaß. Weite Teile des Berichtes – hier wurde darauf hingewiesen – sind nicht veröffentlicht worden oder wurden geschwärzt. Man muss also davon ausgehen, dass alles noch viel schlimmer ist.

In der letzten Woche war ich mit einigen Kollegen aus dem Bundestag zu Gesprächen mit unseren Kollegen im Kongress in die USA gereist. Natürlich haben wir auch über den CIA-Report gesprochen. Loretta Sanchez, eine Demokratin aus Kalifornien, hat zu unserer Kritik gesagt: Wir haben doch nicht euch geschadet. Wir haben uns selbst geschadet. Dieser Bericht, dieses Handeln wird ein schwarzes Mal auf unserem Körper bleiben. – Der republikanische Senator John McCain – Hans-Christian Ströbele hat schon auf ihn hingewiesen –, der selbst während des Vietnam-Krieges gefoltert wurde, hat in seiner Rede gesagt: Es geht um uns, was wir waren, was wir sind und wer wir sein sollten. Und das ist eine Nation, die nicht mitmacht bei dieser Art von Gewalt gegen ein solch fundamentales Menschenrecht, das wir in unserer Unabhängigkeitserklärung garantiert haben. Leider waren die anderen Stimmen in der US-Debatte lauter und in der Mehrheit. Mitch McConnell, der künftige Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, hat davon gesprochen, dass seine Partei gegen die Veröffentlichung des Berichts ist, da er ideologisch motiviert sei. 30 Prozent der US-Amerikanerinnen und -Amerikaner lehnen Folter im Namen der Terrorbekämpfung und Demokratie ab, aber 51 Prozent befürworten sie. Das ist schockierend. Aber ehe wir den Stab über die US-Amerikaner und US-Amerikanerinnen brechen, müssen wir uns ansehen, wie sich die Debatte dazu bei uns gestaltet. Ich weiß nicht, wer von Ihnen sich noch an die Diskussionen im Zusammenhang mit der Entführung von Jakob von Metzler erinnert, nachdem Polizeivizepräsident Daschner dem Entführer Gewalt angedroht hatte. Ich erinnere an die Stimmen, die es da aus der Politik gegeben hat. Ich möchte die einzelnen Beispiele aus unterschiedlichen Parteien hier nicht nennen. Ich finde, das Folterverbot muss absolut, ohne jede Relativierung und immer gelten

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Bei der deutschen Debatte im Jahr 2002 ging es um ein Leben. Jedes Leben ist wichtig. Ich frage mich, wie die Debatte nach einem Terroranschlag hier in Deutschland ähnlich dem des 11. September verlaufen wäre. Dianne Feinstein hat in ihrer Rede nach der Veröffentlichung des Folterberichts gesagt, dass es ein Weiter-so nicht geben darf. Nie wieder dürfe so etwas geschehen. Das ist richtig und sollte selbstverständlich sein. Aber es ist nicht genug. Präsident Obama will den CIA-Folterknechten weiterhin Straffreiheit gewähren. Das ist nicht akzeptabel. Sie und all jene, die für diese Verbrechen verantwortlich sind, gehören vor Gericht und nach einem ordentlichen Gerichtsverfahren ins Gefängnis. Wenn die Folterpraxis ohne jede juristische Konsequenz bleibt, dann handeln die USA nicht besser als ein Unrechtsstaat. Herr Dr. Fabritius, ich möchte Ihre Erwartung hier widerlegen. Es gibt viele Länder auf der Erde, die foltern: China, Nordkorea, Syrien, Nigeria, Kasachstan, Iran. Das alles sind Länder, aus denen Folter bekannt ist. Es gibt noch viele weitere. Jeder Fall in jedem einzelnen Land ist schlimm. Die USA haben dem Kampf dagegen massiven Schaden zugefügt. Die Bundesregierung darf hier nicht wieder wie bei den Enthüllungen von Edward Snowden zur Tagesordnung übergehen. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch. Die Grünen haben vorgeschlagen, dass wir den vollständigen ungeschwärzten Bericht übermittelt bekommen sollen. Das unterstützen wir sehr.

(Beifall des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Gregor Gysi hat Strafanzeige gestellt. Deutschland hat die Verpflichtung, zu handeln. Der UN-Sonderberichterstatter Ben Emmerson, den Herr Heinrich hier erwähnt hat, hat auch gesagt, dass die für die Folter Verantwortlichen in jedem Land verfolgt und angeklagt werden können. Genau das sollte passieren. George W. Bush, Dick Cheney, Donald Rumsfeld, alle Täter müssen für ihre Taten geradestehen, wenn notwendig auch hier in Deutschland.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abgeordneten Irene

Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])