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Verbraucherinformationsgesetz muss verbraucherfreundlicher werden

Rede von Karin Binder,

Herr Präsident!

Meine Damen und Herren!

Liebe Besucherinnen und Besucher!

Der Änderungsbedarf des gar nicht so alten Verbraucherinformationsgesetzes ist enorm. Aber den hatte ich schon bei der Einbringung in der letzten Legislaturperiode angemahnt; Sie wollten es damals nur nicht hören. Umso mehr freut es mich jetzt, dass mit der Novellierung einige Vorschläge der Opposition und auch der Verbraucherorganisationen in das VIG einfließen sollen. Die Erfahrungen der Verbraucherorganisationen mit dem bisherigen Gesetz, nämlich wenig echte Informationen zu erhalten, lange Fristen für die Auskünfte und hohe Gebühren für die wenigen Informationen, haben unsere Befürchtungen bestätigt.

(Beifall bei der LINKEN)


Bereits in einer Konferenz im Juni 2009 hatte DIE LINKE mit Expertinnen und Experten die Defizite des Gesetzes und die Möglichkeiten, es zu verbessern, erörtert. Mit einem Antrag haben wir die Thematik im Mai 2010 wieder in den Bundestag getragen. Aber erst der Dioxinskandal Anfang 2011 hat die Regierung endlich zu der Einsicht geführt, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht.


Trotz alledem wiegen die Interessen der Wirtschaft immer noch schwerer als die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Einige durchaus sinnvolle Regelungen wurden aus den Entwürfen der Novellierung wieder entfernt. Zum Beispiel sollen die Konsumentinnen und Konsumenten auch künftig nicht erfahren, unter welchen sozialen, ökologischen und ethischen Bedingungen ein Produkt entsteht. Dieses Informationsrecht verschwand leider spurlos aus einem ersten, nicht veröffentlichten Entwurf. Ich finde, das ist ein Armutszeugnis für einen Staat, der sich die soziale Marktwirtschaft auf die Fahnen schreibt.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Elvira Drobinski-Weiß (SPD))


Ebenso verschwand aus § 8 des Referentenentwurfs der Novelle zum Verbraucherinformationsgesetz der Auftrag an den Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, über die Einhaltung der Informationsrechte zu wachen. Das ist leider typisch für die rückwärtsgewandte, konservative Politik des Verbraucherministeriums. Dabei zeigen die Erfahrungen in Großbritannien, dass die Kontrolle durch eine unabhängige Instanz zu einer besseren Verbraucherinformation führt. Auch deshalb bin ich der Meinung, dass die Novellierung des VIG durchaus verbesserungswürdig ist.


Die Linke fordert ein VIG, das seinem Namen gerecht wird. Deshalb brauchen wir, erstens, Informationen zu allen Produkten, mit denen Verbraucherinnen und Verbraucher in Berührung kommen, wie auch Informationen über Dienstleistungen und sogenannte Finanzprodukte. Gerade bei den Finanzdienstleistungen werden Verbraucherinnen und Verbraucher nach wie vor aufs Glatteis geführt. Zweitens brauchen wir das Recht, Informationen direkt bei den Unternehmen einzufordern, Herr Professor Schweickert; dann hätten wir nämlich manche Probleme mit den Behörden nicht.


(Dr. Erik Schweickert (FDP): Das machen wir aber nicht!)


Der Umweg über die Behörden ist nicht nur bürokratisch, sondern auch unsinnig, da die Behörden meist keinen direkten Zugang zu den gewünschten Informationen haben.
Die Novellierung ist in diesem Punkt eine klare Kampfansage an die unabhängigen Verbraucherverbände. Herr Staatssekretär Müller, ich hoffe, Sie überbringen diese Information an Frau Ministerin. Nach ihrem Entwurf können sachkundige Verbraucheranfragen von den Behörden, die sich mit einer solchen Anfrage überfordert fühlen, nun sogar abgelehnt werden, wenn sie nicht von vornherein durch hohe Gebührenforderungen verhindert werden. Das halte ich für Unsinn.


(Dr. Erik Schweickert (FDP): 1 000 Euro ist doch nicht zu viel!)


Das Ganze mit dem Stichwort „Globalanfragen“ abzutun, Frau Kollegin Heil, halte ich für ein verbraucherpolitisches Armutszeugnis.


(Beifall bei der LINKEN - Christian Lange (Backnang) (SPD): Die ist doch gar nicht mehr da! - Ulrich Kelber (SPD): Die hat nach der Vorlesung den Raum verlassen!)


Zuletzt möchte ich wenigstens noch auf das Thema „Smiley-Kennzeichnung“ zu sprechen kommen. Ich bin der Meinung: Wir brauchen eine bundeseinheitliche Regelung für die Hygienekennzeichnung der Gaststätten und Lebensmittelbetriebe; denn die Konsumentinnen und Konsumenten haben einen Anspruch darauf, zu wissen, in was für ein Lokal sie gerade gehen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Da Essen nicht nur Nahrungsaufnahme ist, sondern immer auch etwas mit Genuss und Kultur zu tun haben sollte, wäre nach meiner Auffassung der Smiley eine wesentlich freundlichere und verbraucherfreundlichere Kennzeichnung als ein bürokratischer Hygienebalken.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Elvira Drobinski-Weiß (SPD))


Ich bedaure sehr, dass die Ministerin diesen Reformprozess bisher nicht genutzt hat, um über das BMELV die Rechtsgrundlage für eine solche bundesweite Einführung des Lebensmittel-Smileys zu schaffen. Stattdessen stiehlt sie sich aus der Verantwortung und schiebt diese den Ländern zu. Die 16 Länder sollen es dann halt richten.


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Kommen Sie bitte zum Schluss.


Nun, ich neige dazu: besser ein Balken als gar keine Kennzeichnung. Aber vielleicht gibt es doch noch ein Einsehen auf der Regierungsbank.


(Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Eher weniger zu erwarten! Zuruf von der LINKEN: Das ist nicht zu erwarten! Aber die Hoffnung stirbt zuletzt!)


Ich danke jetzt erst einmal für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)