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Verbesserung der Ausbildungsqualität statt milliardenschwere Wahlgeschenke

Rede von Agnes Alpers,

Sehr geehrter Herr Präsident/Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

als Wahlgeschenk wurde 2009 die Mehrwertsteuer im Hotelbereich gesenkt. Mit diesem Milliardengeschenk wollte das Hotel- und Gaststättengewerbe auch die Situation in der Ausbildung verbessern.

Ich wollte 2010 wissen, was genau hat sich getan? In meinem Bundesland Bremen habe ich die Qualität und Zufriedenheit in Ausbildungen des Hotel- und Gaststättengewerbes unter die Lupe genommen. Auszubildende wurden befragt, aber auch die Sichtweisen der Gewerkschaft NGG, dem Arbeitgeberverband Deutscher Hotel- und Gaststätten und der Handelskammer Bremen aufgenommen. Heraus kam eine Broschüre mit folgenden Ergebnissen:

Für den hohen Arbeitsaufwand empfanden 60 Prozent der Auszubildenden die Ausbildungsvergütung zu gering. Mehr als 60 Prozent der Auszubildenden mussten regelmäßig Überstunden leisten. Mehr als zwei Drittel mussten nach der Schule und an den Wochenenden, vor einem Blockunterricht in der Schule, arbeiten. Mehr als ein Drittel verübten ausbildungsfremde Tätigkeiten. Über 40 Prozent gaben an, dass die Vorgaben aus dem Ausbildungsrahmenplan nicht eingehalten wurden. Ich könnte diese Liste fortführen. Fakt ist: Durch die Bedingungen würden 57 Prozent der Befragten den Beruf nicht nochmal ergreifen.

Meine Damen und Herren von CDU/CSU und FDP, ich sage Ihnen: Statt milliardenschwere Wahlgeschenke zu verteilen, hätten Sie sich längst für die Verbesserung der Ausbildungsqualität in der Ausbildung in der Hotel- und Gaststättenbranche einsetzen müssen.

Die Branche klagt, dass sie ihre Ausbildungsstellen nicht besetzen kann. Auch der Berufsbildungsbericht 2013 bestätigt das: Platz eins: Restaurantfachfrau/mann, Platz zwei: Fachfrau/mann für Systemgastronomie mit 20,5 Prozent. Es folgen die Fachkraft im Gastgewerbe, Hotelkauffrau/mann und Koch/Köchin.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer durch geringe Qualität und prekäre Arbeit nach der Ausbildung glänzt, muss sich nicht darüber wundern, dass die Stellen nicht besetzt werden. Und Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU und FDP, hören Sie endlich auf, diese unbesetzte Stellen zu instrumentalisieren, um ständig einen allgemeinen Fachkräftemangel heraufzubeschwören.

Und ich sage es deutlich: das sind in dieser Branche keine Einzelfälle. Es wird Ihnen Jahr für Jahr im Berufsbildungsbericht und im Ausbildungsreport des DGB bestätigt: die Berufe des Hotel- und Gastgewerbes gehören zu den Berufen mit den höchsten Vertragsauflösungen und Ausbildungsabbrüchen.Deshalb müssen wir endlich umschalten: gut ausbilden, statt ausbeuten und Zukunft im Beruf sichern, statt prekäre Arbeit ausweiten.

Als Linke fordern wir:

1.  Der Jugendarbeitsschutz und das Arbeitszeitgesetz müssen eingehalten und ausgebaut werden. Viele Auszubildende sind über 18 Jahre alt, deshalb muss für alle Auszubildenden  gelten: Keine Überstunden, denn Lehrzeit ist Lernzeit. Nach der Schule und an Wochenenden vor dem Blockunterricht wird nicht im Betrieb gearbeitet. Junge Menschen brauchen Zeit, um sich in Ruhe auf die Schule vorzubereiten und um Familie und Freunde zu sehen.

2. Die Ausbildungsvergütung muss so hoch sein, um den Schritt in ein selbstständiges Leben zu gestalten. Hier begrüße ich ganz ausdrücklich die Forderung der SPD nach einer Mindestausbildungsvergütung.

3. Die Qualität der Ausbildung muss gesichert werden. Zeit zum Lernen, die hohe fachliche Qualität der Ausbilderinnen und Ausbilder, die Einhaltung der Ausbildungsrahmenpläne, aber auch eine gute Ausstattung der Berufsschulen sind die Grundlage, um allen eine gute Ausbildung mit Perspektiven zu sichern.

4. Nach der Ausbildung muss die Übernahme in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit guten Tarifen gesichert sein. Es muss Schluss damit sein, dass nur 14 Prozent der Auszubildenden im Gastgewerbe übernommen wurden. Das veröffentlichte 2011 der Deutsche Industrie- und Handelskammertag. Und es muss endlich Schluss sein mit Minijobs und anderen prekären Arbeitsverhältnissen.

Und prinzipiell gilt: Menschen mit Behinderung dürfen nicht von Ausbildung ausgegrenzt werden. Das darf sich eine inklusive Gesellschaft nicht leisten!

Ich habe 16 Jahre im Berufsbildungswerk Bremen gearbeitet, wo Menschen mit Behinderungen ausgebildet werden, auch in Berufen des Hotel- und Gaststättengewerbes. Sie benötigen individuelle Unterstützung in der Schule, eine hohe Qualität in der Praxis und die gleichwertige Chance, eine Ausbildung und danach eine gute Arbeit zu erhalten. Deshalb sollte nicht nur der Zugang zu Hotels und Restaurants barrierefrei sein, wir müssen auch die Barrieren und Ausgrenzungen in den Köpfen abbauen. Konkret heißt das: Wir müssen das Recht auf Ausbildung umsetzen, und zwar für alle.

Vielen Dank.