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Veraltetes Frauenbild der CDU/CSU-Männer überwinden

Rede von Gregor Gysi,

Aktuelle Stunde zum Betreuungsgeld

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Ich beschäftige mich jetzt einmal mit dem Frauenbild der Männer der CDU/CSU. Ich kenne Ihr Frauenbild. Sie stellen sich Frauen so vor: Frauen sitzen zu Hause, betreuen, versorgen und erziehen die Kinder. Dann machen sie die Wohnung sauber. Dann kümmern sie sich um die Wäsche aller Familienmitglieder. Dann bügeln sie die Hemden des Ehemannes. Dann gehen sie einkaufen. Dann stellen sie ihrem Mann die Puschen hin, damit er abends bequem vor dem Fernseher  sitzen kann.

(Markus Grübel (CDU/CSU): Realitätsfremd!)

Ich sage Ihnen aber: Dieses Frauenbild ist so etwas von veraltet, dass ich mich wundere, dass Frau Hasselfeldt in der CSU nicht darum kämpft, dass das endlich einmal überwunden wird.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD): Zwischendurch müssen sie beim ZDF anrufen!)

Davon gibt es auch eine Folge. In Ihrer Fraktion gibt es wenig Frauen, nämlich nur 18,98 Prozent. In unserer Fraktion gibt es mehr Frauen als Männer, nämlich 55,2 Prozent. Erreichen Sie das erst einmal.

(Beifall bei der LINKEN - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Einen Fraktionsvorsitzenden!)

Ich weiß natürlich auch, dass es Frauen gibt, die eine solche Rolle übernehmen und sich sogar darin wohlfühlen. Ich habe vor ihnen auch vollen Respekt. Aber das heißt nicht, dass man das politisch als Bundestag noch finanziell fördern und unterstützen muss. Ganz im Gegenteil: Wenn man die Gleichstellung der Geschlechter erreichen will, muss man zumindest in der CDU/CSU erst einmal das Bild der Männer von den Frauen grundsätzlich ändern.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, die eindeutig beweisen, dass es ein großer Vorteil für Kinder ist, wenn sie Kindertageseinrichtungen aufsuchen.

(Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU): Ab drittem Lebensjahr! - Daniela Ludwig (CDU/CSU): Kindergärten sind super!)

Warum nehmen Sie sie nicht zur Kenntnis? Die Kinder lernen von anderen Kindern. Sie lernen auch sozial. Das gilt übrigens nicht nur für Kinder von Alleinerziehenden, sondern gerade auch für Kinder aus betuchten Verhältnissen. Sie lernen dann nämlich auch den Umgang mit anderen Verhältnissen und werden wieder natürlicher, als sie es von zuhause mitbekommen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

In der Schule zeigt sich, dass diese Kinder, die vorher Kindertagesstätten besucht haben, aufgeschlossener sind und leichter den Lehrstoff erfassen als jene Kinder, die nur zuhause waren.

(Daniela Ludwig (CDU/CSU): Klassenkampf in der Kita, oder was?)

Nach den Kindertagesstätten müsste der Besuch einer Ganztagsschule beginnen, und zwar auch deshalb, weil es den Kindern hilft und gleichzeitig ermöglicht, dass Frauen und Männer sich gleichberechtigt beruflich entwickeln können.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt eine Studie, die Folgendes besagt - ich zitiere wörtlich -:
Besonders für die Kinder von Alleinerziehenden hat die Ganztagsbetreuung einen positiven Effekt. Ihre Schulleistungen lassen sich durch die Betreuung signifikant verbessern.
Dann wird in der Studie Folgendes festgestellt: Der Anteil der Kinder von Alleinerziehenden an Gymnasien würde von 36 auf 62 Prozent steigen, wenn alle Kinder diese Angebote hätten und auch wahrnehmen können.

Mit Ihrem Geld wollen Sie genau das verhindern. Erklären Sie doch einmal den Kindern, was Sie damit eigentlich anrichten.

(Beifall bei der LINKEN - Markus Grübel (CDU/CSU): Wir brauchen keine Betreuungsplätze, damit sie leer bleiben!)

- Ja, natürlich. Sie wollen ja dann bezahlen, wenn die Eltern die Kinder nicht dort hinschicken. Damit richten Sie sich geradezu an die ärmeren Eltern, nach dem Motto: Wenn ihr Knete haben wollt, dann bringt eure Kinder nicht in die Kindertageseinrichtungen.   Ich bitte Sie, das ist 19. Jahrhundert. Das hat mit dem 21. Jahrhundert nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Übrigens haben die Kindertageseinrichtungen im Osten einen Vorsprung. Warum können wir das nicht in ganz Deutschland einführen? Man kann doch auch einmal einen Vorsprung im Osten für ganz Deutschland nutzen. Was spricht eigentlich dagegen?

(Lachen des Abg. Holger Krestel (FDP))

- Ja, da reagieren Sie sofort arrogant. Das ist eine völlige Fehlleistung. Schauen Sie sich einmal die Studien etc. zur beruflichen Entwicklung von Frauen aus dem Osten an! Wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen, dann hilft es nichts. Es tut mir leid: Dann bleiben Sie im Kalten Krieg stecken.

(Beifall bei der LINKEN - Holger Krestel (FDP): Gucken Sie mal, wo der Osten damit hingekommen ist! Sie waren am Ende pleite, und zwar nicht nur finanziell!)

Ab 1. August gibt es einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuungsstellen. Vielen Kommunen fehlt aber das Geld. Warum geben Sie das für diesen Unsinn vorgesehene Geld nicht den Kommunen, um die Kinderbetreuungsstellen zu finanzieren? Sie haben von Bayern und vielen anderen Ländern gesprochen, die auf den Ausweg setzen, eine Mutter zu finden, die mehrere Kinder betreut. Das ist natürlich nur die halbe Miete.

(Daniela Ludwig (CDU/CSU): Haben Sie ein Problem mit Tagesmüttern, oder was?)

Eine Kindertageseinrichtung mit hochqualifiziertem Personal ist wesentlich besser. Das müssen wir übrigens auch erreichen, und zwar verstärkt.

(Beifall bei der LINKEN)

Also: Ich halte von diesem Zwischenweg relativ wenig.

Nun sage ich Ihnen   auch an die Adresse der FDP  : Das Geschacher in der Koalition ist nicht nachvollziehbar. Ich frage Sie von der FDP: Was hat ein ohnehin nicht zu rechtfertigender Zuschuss zur privaten Pflegeversicherung mit dem Betreuungsgeld zu tun? Was hat die Berücksichtigung von Rentenpunkten für Frauen, die vor 1992 Kinder zur Welt gebracht haben, mit dem Betreuungsgeld zu tun? Was hat die Verpflichtung zur Wahrnehmung von Vorsorgeuntersuchungen von Kindern mit dem Betreuungsgeld zu tun? Was hat ein sogenanntes Bildungssparen für Kinder   fragen Sie das mal Herrn Brüderle!   mit dem Betreuungsgeld zu tun?
Was ist das für ein Kuhhandel, den Sie organisieren? 71 Prozent aller Befragten in Deutschland wollen kein Betreuungsgeld, übrigens auch 62 Prozent aller Anhängerinnen und Anhänger der CDU. Das sollten Sie bedenken.

Deshalb sage ich Ihnen: Lassen Sie diesen Blödsinn, diesen Rückfall in ein völlig antiquiertes Frauenbild und ins 19. Jahrhundert! Das brauchen wir nicht. Wir brauchen dieses Geld dringend für die Kinderbetreuungsstellen.

(Beifall bei der LINKEN)