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Unterstützen wir die Forderungen der sozialen Bewegungen in Afrika!

Rede von Heike Hänsel,

Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE., fordert in der Afrika-Debatte im Bundestag, die vorhandenen Potenziale in der afrikanischen Zivilgesellschaft stärker anzusprechen und deren Forderungen nach einer gleichberechtigten Partnerschaft mit Europa zu unterstützen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss zuerst etwas zu Ihnen, Frau Müller, sagen. Ich finde es schon ein starkes Stück, dass Sie hier dafür plädieren, ohne eine Zustimmung seitens der sudanesischen Regierung Truppen nach Darfur zu schicken. Das wäre in meinen Augen keine Friedensmission. Das ist eine Aussage für einen Kriegseinsatz in Darfur.

(Dr. Christian Ruck (CDU/CSU): Den Krieg gibt es schon!)

Sie können doch bei so einer komplizierten Situation wie der in Darfur, für deren Bewältigung Sie viel mehr Akteure an einen Tisch bekommen müssen, nicht dafür plädieren, jetzt einfach Truppen dorthin zu schicken. Wie wollen Sie die Situation dort militärisch lösen? Das finde ich hanebüchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie als ehemalige Staatsministerin müssten das wissen.
Noch zu einem anderen Punkt: Sie haben Recht. Es gibt ein selbstbewusstes modernes Afrika. Aber dass das erst bei einer Fußball-WM zu finden ist, bezweifle ich. Das gibt es bereits. Im Januar fand das Weltsozialforum zum ersten Mal auf dem afrikanischen Kontinent statt. Mehr als 50 000 Menschen kamen in Nairobi zusammen. Die Menschen dort haben sehr gute Ansätze und ganz andere Vorstellungen, wie Afrika, wie ihre Länder sich entwickeln sollen, als die, die ich hier gehört habe. Das ist das Afrika, das wir zu Wort kommen lassen müssen. Das würde Partnerschaft und Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe bedeuten.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Menschen haben ihre Lebenssituation geschildert, die nun einmal düster ist. Denn trotz der verbesserten ökonomischen Werte, die wir in den letzten Jahren in Afrika verzeichnen, hat sich die Situation für viele Menschen in den afrikanischen Ländern verschlechtert. Vielen geht es heute schlechter als Anfang der 90er-Jahre. Die Armut hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt. Auch die Zahl der Hungernden ist weltweit weiter gestiegen. Dafür sind in hohem Maße die deutsche und europäische Handelspolitik verantwortlich. Während eine Afrikanerin durchschnittlich 8 Dollar Entwicklungshilfe im Jahr erhält, wird eine Kuh in Europa mit über 900 Dollar im Jahr subventioniert.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD): Der Vergleich ist wirklich abartig!)

- Ja, so zynisch ist unsere Außenpolitik. - Wir müssen aufpassen, wohin die Gelder fließen. Wir subventionieren unsere Agrarprodukte. Das geht auf Kosten der Entwicklungschancen der Menschen in den Ländern des Südens.
Es ist ein Mythos, dass Handelsliberalisierung den Entwicklungsländern Wohlstand und Entwicklung bringt. Genauso wenig stimmt es, dass Wachstum per se Arbeitsplätze schafft. Wir sehen im Moment in Europa: Trotz Wachstums gehen immer mehr Arbeitsplätze verloren. Die Hilfsorganisation Christian Aid hat errechnet, dass die Handelsliberalisierung die afrikanischen Länder südlich der Sahara in den vergangenen 20 Jahren über 270 Milliarden US-Dollar gekostet hat. Zwei Jahrzehnte der Liberalisierung haben diese Länder so viel gekostet, wie sie an Entwicklungshilfe erhalten haben. Wären diese Länder nicht zur Liberalisierung gezwungen worden, um Schuldenerlass und Kredite zu erhalten, hätten sie genug Geld gehabt, um jedes Kind impfen zu lassen und jedem Kind den Schulbesuch zu ermöglichen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es kommt nicht darauf an, den Menschen der Dritten Welt mehr zu geben, sondern ihnen weniger zu stehlen.
Das schreibt der UN-Sonderberichterstatter für Nahrung, Jean Ziegler in seinem Buch „Das Imperium der Schande“. Doch die EU arbeitet schon an neuen Liberalisierungs- und Marktöffnungsvorhaben. Bekannt sind die Verhandlungen über die EPAs. Es ist ganz klar, dass es hierbei um eine Senkung der Zölle und um eine weitere Öffnung der Märkte geht, und zwar nicht nur für Industrie- und Agrarprodukte der EU, sondern auch für Investitionen, Dienstleistungen und das Beschaffungswesen.

Das hätte katastrophale Folgen für all die lokalen Märkte in den afrikanischen Ländern und für die regionale Integration. Es hätte auch sehr negative Auswirkungen auf die Umwelt, weil dann viele Staaten gezwungen wären, ihre Rohstoffexporte zu erhöhen - zum Beispiel den Export von Öl oder Tropenholz -, um die fehlenden Zolleinnahmen zu kompensieren.
Frau Wieczorek-Zeul, auch die Situation der Frauen würde sich dadurch sehr verschlechtern, weil davon insbesondere lokale Händlerinnen und Bäuerinnen betroffen wären. Insofern kann ich nur an uns alle appellieren: Unterstützen wir die Forderungen der sozialen Bewegungen in den afrikanischen Ländern, stoppen wir die EPA-Verhandlungen und schreiben wir ein neues Mandat aus!

Das gilt übrigens auch im Hinblick auf die Kriege und Krisen in den afrikanischen Ländern. Die Potenziale der Bevölkerung werden ausgeblendet. Stattdessen wollen wir von außen immer stärker militärisch intervenieren. Ich frage mich: Wie soll eine afrikanische Sicherheitsarchitektur ohne die aktive Beteiligung der Zivilbevölkerung aussehen? Es gibt dort enorme Potenziale. Sie werden aber nicht einbezogen.
Herr Steinmeier, in diesem Zusammenhang würde mich interessieren: Was sagen Sie eigentlich zu AFRICOM, der neuen Kommandozentrale der US-Amerikaner in Stuttgart, die dazu dient, neue militärische Interventionen in diesen Ländern zu koordinieren? In meinen Augen ist diese Entwicklung falsch. Wir brauchen eine Stärkung der Zivilbevölkerung. Nur so können wir auf die Krisen und Konflikte in diesen Ländern eine nachhaltige Antwort geben.

(Beifall bei der LINKEN)

Mein letzter Satz. Statt Milliardenbeiträge in die Schaffung militärischer Einheiten zur Abwehr von Flüchtlingen an Europas Außengrenzen und in den Aufbau europäischer Interventionstruppen - unter anderem auch für Einsätze im Kongo - zu stecken, sollten wir sie in die Umstellung des europaweiten Energiesystems auf regenerative Energien und gleichzeitig in den Aufbau dezentraler alternativer Energiesysteme in den afrikanischen Ländern investieren. Dies wäre für mich eine Afrikapolitik auf der Höhe des 21. Jahrhunderts.
Danke.

(Beifall bei der LINKEN)