Zum Hauptinhalt springen

Unterschiedlichen Standards der Lebensmittelkontrollen endlich bundesweit regeln.

Rede von Kirsten Tackmann,

Rede zum Gesetzentwurf der Bundesregierung "Gesetz über die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze bei innergemeinschaftlichen Verstößen", DS 16/2930

Der vorliegende Gesetzentwurf macht klar: Was wir vor einem Monat vorgeschlagen haben, ist doch möglich, auch wenn es von der Regierungskoalition abgelehnt wurde.

Wir hatten angesichts der Neuauflage des Gammelfleischskandals gefordert, dass die unterschiedlichen Standards der Lebensmittelkontrollen in den Ländern in einem Bund-Länder-Staatsvertrag endlich bundesweit geregelt und angehoben werden müssen. Wir forderten ein bundesweites Qualitätsmanagement, das die Schwachstellen analysieren und beseitigen muss. Damit das Qualitätsmanagement funktioniert, sollte die Lebensmittelkontrolle der Länder einer unabhängigen Auswertung unterzogen werden. Dafür sollte laut unserem Vorschlag eines Bund-Länder-Staatsvertrags eine Auditierung durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit eingerichtet werden.

An die Spitze des Qualitätsmanagements sollte das
BVL gestellt werden, assistiert von einem im Rotationsverfahren wechselnden Bundesland. Damals ging es uns um die Konsequenzen aus dem bundesweiten, aber auch grenzübergreifenden Vertrieb von Gammelfleisch.

Heute, nur einen Monat später, geht es wieder um ein
Gesetz, das die Durchsetzungsmöglichkeiten von verbraucherschützenden Vorschriften im grenzüberschreitenden Verkehr von Waren und Dienstleistungen verbessern soll.

Nehmen wir das Beispiel von unlauteren Geschäftspraktiken, die von einer deutschen Firma ausgehen, und zwar als Verstöße gegen die Lebensmittelsicherheit oder irreführende und aggressive Werbung oder falsche Preisangaben. In diesen Fällen soll die ausländische Behörde in Deutschland um Amtshilfe ersuchen können.

Die EU-Verordnung schreibt vor, dass die Bundesrepublik eine „Zentrale Verbindungsstelle“ zum Empfang und zur Weiterleitung dieser Amtshilfeersuchen an die zuständige Behörde hat. Zur Erledigung der Amtshilfeersuchen muss die Bundesregierung außerdem die „Zuständigen Behörden“ benennen. Diese Behörden
müssen befähigt sein, den Sachverhalt zu ermitteln und
mit geeigneten Maßnahmen die Verstöße abzustellen.
Nach der bisher vorgetragenen Logik hätte die Bundesregierung mit Verweis auf die föderalen Regeln auch hier auf die Verantwortlichkeit der Länder verweisen müssen, mit der Folge einer Vielzahl von zuständigen Landesbehörden mit einer Vielzahl von unterschiedlichem Landesrecht zur Durchsetzung der verbraucherschützenden Vorschriften im grenzüberschreitenden Handel und im Dienstleistungsbereich.

Das war selbst der Bundesregierung zu absurd. So benennt sie nun im Gesetzentwurf sinnvollerweise das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als „Zentrale Verbindungsstelle“ zur Entgegennahme und Weiterleitung der Amtshilfeersuchen. Schließlich habe das BVL bereits im derzeitigen Aufgabenzuschnitt Erfahrung im Austausch von Daten zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission, so die inhaltliche Begründung. Richtig. Aber natürlich hat das BVL mindestens genauso viel Erfahrung im Austausch von Daten mit den Bundesländern. Sollte es zumindest. Gerade deshalb sind wir ja - übrigens in (seltener) Übereinstimmung mit einem Vorschlag von Horst Seehofer - der Meinung, dass das BVL auch Koordinierungs- und Auditierungsstelle beim bundesweiten Qualitätsmanagement der Lebensmittelkontrolle sein sollte.

Warum das in dem einen Fall eine vernünftige Lösung ist, in dem anderen Fall aber nicht gehen soll, ist bislang unbeantwortet. In der Bundestagsdebatte zu unserem Antrag am 28. September 2006 gab die CDU/CSU zu Protokoll, dass man uns noch mal den Föderalismus erklären müsse. Die Bund-Länder-Zusammenarbeit gäbe es bereits.

Nur: Herr Seehofer höchstselbst hatte in der Anhörung
im September erklärt, dass zum Beispiel die
Meldungen der Länder an das beim BVL eingerichtete
Fachinformationssystem „Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ äußerst dürftig waren. Dass aber eigentlich auch die Regierungskoalition mit
uns gegen eine zersplitterte Durchsetzung des Verbraucherschutzes ist, zeigt der jetzt vorliegenden Gesetzentwurf:

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wird jetzt sogar als „Zuständige Behörde“ für den Vollzug (!) zur Durchsetzung des grenzübergreifenden Verbraucherschutzes benannt. Das BVL ist also nicht nur koordinierende Behörde, wie in unserem Antrag, sondern es wird sogar ermächtigt, bei Amtshilfeersuchen von Behörden aus Mitgliedsländern
den Verbraucherschutz durchzusetzen. Bei den Lebensmittelskandalenhieß es immer, der Vollzug ist Ländersache.

Beim grenzübergreifenden Verbraucherschutzvollzug
beschränkt sich die Länderverantwortung auf die
Werbung in Rundfunk und TV sowie die Heilmittelwerbung,das Preisangabenrecht und die Aufsicht über regional tätige Versicherungsunternehmen. Nicht, dass wir diese Lösung kritisieren. Im Gegenteil - sie zeigt, dass es geht, wenn man es für sinnvoll hält.

Nachdem die Bundesregierung also nun bewiesen hat,
dass eine solche bundesweite Kompetenzübernahme
möglich ist, und die Länder sogar bereit sind, beim
Preisangabenrecht die Rechtsdurchsetzung an den Bund
abzugeben (siehe Bundesratsstellungnahme), ist vielleicht auch eine ernsthafte Prüfung einer Bund-Länder-Vereinbarung zum Qualitätsmanagement bei der Lebensmittelkontrolle möglich. Unser Antrag dazu ist ja als Denkanstoß noch im laufenden parlamentarischen Verfahren.

Zu begrüßen ist, dass das BVL im Gesetz aufgerufen
wird, den Verbraucherschutz mithilfe der Verbraucherschutzorganisationen zu verfolgen. Die dafür erforderlichen Rahmenvereinbarungen müssen auf Bundes- und Länderebene zügig angegangen und umgesetzt werden, damit die Organisationen zum Stichtag 29. Dezember 2006 auch tätig werden können. Auch hier wäre eine Bund-Länder-Rahmenvereinbarung mit dem Verbraucherzentrale-Bundesverband und dessen länderseitiger Untergliederung unser Vorschlag.