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Ungenügend bei der Umsetzung von Kinderrechten

Rede von Diana Golze,

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Die Bedeutung des internationalen Übereinkommens über die Rechte von Kindern kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Keine andere Menschenrechtskonvention ist von so vielen Staaten ratifiziert und unterzeichnet worden. Gegenüber keiner anderen gab und gibt es leider aber auch so viele Vorbehalte wie gegenüber dieser Konvention.
Auch Deutschland hat einen solchen Vorbehalt geäußert. In diesem Haus wurde bereits viermal beschlossen, dass die Vorbehaltserklärung endlich zurückgenommen werden soll. Mehrmals wurde dieses Thema auch in der letzten Legislatur von den damaligen Oppositionsfraktionen auf die Tagesordnung gesetzt. Es ist das zweifelhafte Verdienst der Großen Koalition, dafür gesorgt zu haben, dass diese Anträge in der vergangenen Legislatur nicht einmal die Hürde der Fachausschüsse nehmen konnten. Vor allem wegen der Blockadehaltung der CDU/CSU-Fraktion, Frau Bär, setzt sich dieser zwei Jahrzehnte schwelende Streit über die vollständige Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland fort.

(Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Das kann Frau Noll bestätigen!)

Natürlich freut es mich und meine Fraktion, dass sich in den Koalitionsverhandlungen zumindest in der Frage der Rücknahme der Vorbehaltserklärung die FDP anscheinend durchsetzen konnte.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Michaela Noll (CDU/CSU): Das stimmt nicht!)

So steht im Koalitionsvertrag: Wir wollen die Vorbehaltserklärung zur UN-Kinderrechtskonvention zurücknehmen. Dies wurde von den Medien als Erfolg meiner Kinderkommissionskollegin Miriam Gruß gedeutet, die sich damit in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt habe. Allerdings muss dieser Erfolg mit Vorsicht betrachtet werden; denn Frau Gruß hat hier im Plenum für ihre Fraktion erklärt, dass sie die Auffassung der Bundesregierung teilt, das deutsche Recht stehe schon jetzt in Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen, die sich aus der Kinderrechtskonvention ergäben, und eine Änderung des deutschen Rechts sei deshalb nicht erforderlich.

(Zuruf von der Linken: Hört! Hört!)

Das kann man in den bisherigen Anträgen der FDP nachlesen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, dies ist deutlich zu kurz gesprungen. Es geht nicht nur darum, „ein Signal für ein kinderfreundliches Deutschland“ zu setzen, oder darum, „Irritationen zu vermeiden“, oder darum, den „Dialog mit den Kinderrechtsorganisationen … [zu] entspannen“, wie Frau Gruß und ihre Fraktion es formuliert haben.

Wir wollen nicht wie in den vergangenen Jahren reine Symbolpolitik an die Stelle von wirklicher Umsetzung der Kinderrechte setzen. Wir wollen nicht, dass eine Rücknahme der Vorbehaltserklärung wieder an den Ländern scheitert. Wir wollen, dass die dringend erforderlichen Änderungen im deutschen Aufenthalts-, Asylverfahrens- und Sozialrecht endlich vorgenommen werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das, meine Damen und Herren, läge bereits jetzt in der Macht dieses Parlaments; es müsste nur endlich den Mut dazu finden. Genau aus diesem Grund müssen sich alle Bundesregierungen, die das Parlament vertröstet haben, fragen lassen, wie ernst sie es mit den Kinderrechten wirklich meinen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es hilft den betroffenen jungen Menschen nicht weiter, dass sich die Politik lautstark über den rechtlichen Stellenwert der Vorbehaltserklärung streitet. Fakt ist, dass die Vorbehaltserklärung existiert und Folgen hat. Die Zahl der unbegleiteten Flüchtlinge zwischen 16 und 18 Jahren hat sich gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt: 616 waren es in diesem Jahr. Diese Kinder sind geflüchtet vor Krieg, vor drohender Zwangsrekrutierung, vor Verfolgung, vor Beschneidung, vor Zwangsverheiratung. Diese Kinder kommen nach einer dramatischen Flucht hier in Deutschland an, erhalten aber nicht, was jedes Kind bekommen würde, dem so etwas hier in Deutschland widerfahren wäre. Nein, stattdessen folgen ein Asylverfahren ohne Beistand, die Unterbringung in Sammelunterkünften und fragwürdige Altersfeststellungsverfahren.
Wir müssen dafür sorgen, dass diese Kinder endlich menschenwürdig und ihrer Situation entsprechend behandelt werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Genau das ist der Grund, warum es um mehr geht als um eine symbolische oder formelle Rücknahme der Vorbehaltserklärung.
Es freut mich, dass die Kolleginnen und Kollegen der Grünen ihren Antrag aus der vergangenen Wahlperiode um diesen Punkt erweitert haben. Ich freue mich auch über den Antrag der SPD; allerdings hat die SPD das, was wir in unserem Antrag fordern, lediglich in der Feststellung formuliert.

(Christoph Strässer (SPD): Wir wären schon froh, wenn das gelingen würde!)

Aus Ihrer Regierungserfahrung müssten Sie wissen, dass durch eine bloße Feststellung weder das Asylrecht noch das Aufenthaltsrecht geändert wird. Insofern hoffe ich, dass Sie sich den weiter gehenden Forderungen der Grünen und meiner Fraktion, der Linken, anschließen.

Die Linke hat in der letzten Wahlperiode gesagt und bleibt dabei: Die Kinderrechte müssen für alle Kinder gelten. Es ist nicht schwer, zu erahnen, was der UN-Ausschuss sagen wird, wenn die Bundesregierung den längst überfälligen Staatenbericht zur Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention endlich abgegeben hat: Deutschland ist meilenweit davon entfernt, ein kinderfreundliches Land zu sein: wachsende Kinderarmut, Bildungsungerechtigkeit, fehlende Beteiligungsrechte für Kinder und letztlich die massive Verletzung der Rechte von Flüchtlingskindern. Für die Bundesrepublik Deutschland gibt es in Sachen Umsetzung der Kinderrechte also eine schlechte Note: Ungenügend.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)