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UN-Klimaprozess gescheitert

Rede von Eva Bulling-Schröter,

Zusatzpunkt Abgabe einer Regierungserklärung durch den Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu den Ergebnissen des Klimagipfels in Durban

Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Durban wurde wieder einmal ein Fahrplan verabschiedet, aber wie die Zeitung Die Welt schrieb losgefahren ist niemand. Ich möchte der Bundesregierung nicht die gute Laune verderben; aber was ist eigentlich 20 Jahre nach der Klimarahmenkonvention die Bilanz internationaler Klimapolitik? Für fünf Jahre gab es mit dem Kioto-Abkommen ein Einsparziel, aber diese Vereinbarung wurde gleich nach der Verabschiedung durchlöchert. So gab es Zugeständnisse an Russland bezüglich der Anrechnung der Wälder, und es waren die USA, die sich ganz aus dem Klimaschutz verabschiedet haben.
Wenn das Ziel des Kioto-Protokolls 2012 erreicht wird, dann wird der Minderungsbeitrag gerade einmal 1 Prozent der weltweiten Emissionen ausmachen. Ich rede noch nicht einmal über die Schlupflöcher, zum Beispiel über CDM, also die anrechenbaren Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern. Diese sind noch gar nicht berücksichtigt. Im selben Zeitraum, also seit 1990, sind die globalen Emissionen um fast 40 Prozent gestiegen. Ich wiederhole es, damit auch alle es mitbekommen: Das Ergebnis aller UN-Klimaverhandlungen besteht darin, global einen Beitrag von maximal 1 Prozent Minderung in 20 Jahren zu leisten. Gleichzeitig beträgt die reale Steigerung 40 Prozent. Der internationale Klimaprozess ist gescheitert. Das Ergebnis von Durban ändert daran nichts.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ich möchte aber den Sinn von UN-Klimagipfeln explizit nicht infrage stellen. Wir brauchen diese Beratungen. Im Detail haben die Verhandlerinnen und Verhandler der EU und auch Deutschlands gute Arbeit geleistet. Aber die Formel „mehr war nicht drin“ zeigt doch, dass Klimaschutz offensichtlich an die Grenzen des Gesellschaftssystems stößt. Es ist tatsächlich so, wie Herr Minister Röttgen neulich formuliert hat: Die Klimaverhandlungen sind im Kern Wirtschaftsverhandlungen. Ich sage: Sie sind ein Ringen um die globale Verteilung von Wachstumschancen. Aber nicht nur das: Sie sind auch ein Ringen darum, in welcher Weltregion von welchen Konzernen und mit welchen Schranken zukünftig Profit gemacht werden kann.
Es nützt nichts, wenn wir nur auf China oder die USA schauen. Wir müssen vor der eigenen Haustüre kehren;
(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

denn Unternehmen aus Deutschland verlagern seit Jahrzehnten ihre Industrie in Entwicklungs- und Schwellenländer. Diese Länder produzieren nun für unsere Märkte. Zudem haben die Industrieländer seit der Industriealisierung die Atmosphäre mit Klimakillern aufgefüllt: für den Wohlstand eines Teils der Bevölkerung, für Firmenkassen, für einen zweifelhaften Konsum, für irrwitzige Verkehrskonzepte und für größenwahnsinnige Infrastrukturprojekte. Dafür wurde der globale Süden ausgebeutet, und er wird es noch: für Rohstoffe - dafür werden Kriege geführt - und billige Arbeitskräfte.
Es ist doch kein Wunder, dass sich die Schwellenländer nicht vorschreiben lassen, wie sie sich entwickeln sollen. Auch sie wollen Chancen, und das ist verständlich. Ich halte es für ziemlich verlogen, wenn Luxuskarossen und Panzer in alle Welt exportiert werden und man dann den Leuten sagt: Wir wollen, dass ihr euch nachhaltig entwickelt.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Das ist vor allem dann unglaubwürdig, wenn gleichzeitig Palmöl, Agrosprit, Unmengen von Soja oder Seltene Erden aus Konfliktgebieten importiert werden, um so weitermachen zu können wie bisher. Der brasilianische Regenwald wird abgeholzt, weil es bei uns eine Beimischungspflicht gibt. Meine Frage ist: Wie gedenken wir, damit weiter umzugehen? Ich meine, diese Beimischungspflicht muss abgeschafft werden.
(Beifall bei der LINKEN)

Ich frage mich: Ist dieses globalisierte profit- und wachstumsorientierte System jemals in der Lage, sich zu mäßigen? Es klappt ja nicht einmal bei den Finanzmärkten. Welche Hoffnung soll ich da haben? Das auszubaden haben Kollegen haben es geschildert Menschen in Afrika, im Tschad, auf den Fidschi-Inseln. Es gibt viele Menschen, deren Land demnächst unter Wasser steht. Sie werden verhungern; auch Tiere werden verhungern. Das alles, was hier passiert, kann uns nicht egal sein.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir sind verantwortlich, und wir haben diese Verantwortung zu tragen.
Wir haben mit betroffenen Menschen gesprochen. Meine Kollegin Gesine Lötzsch hat gesagt: In Durban wurde allenfalls der Verhandlungsprozess gerettet, nicht aber das Klima. - Da hat sie recht. Wir müssen den Zusammenhang der verschiedenen globalen Krisen sehen; denn sie haben dieselbe Ursache.
Präsident Dr. Norbert Lammert:
Frau Kollegin!
Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Ich sage: Es ist der ungezügelte Kapitalismus; wir müssen da etwas tun.
(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich kann an dieser Stelle niemand außer der Linken klatschen; das ist für Sie ein Reizwort.
Aber ich bin ein optimistischer Mensch und habe nach wie vor die Hoffnung, dass diese Welt zu retten ist, dass sie eben nicht untergeht und dass wir das 2-Grad-Ziel noch erreichen. Dafür müssen wir gemeinsam etwas tun, und zwar jetzt. Ich sage immer: Es gibt stets Alternativen. Diese Alternativen müssen wir angehen im Interesse der Menschen auf anderen Kontinenten.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)