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Umweltauditgesetz – des Kaisers neue Kleider

Rede von Sabine Stüber,

Rede zu Protokoll der Plenarsitzung am 27.10.2011 zum TOP: 20
Gegenstand: Gesetzentwurf der Bundesregierung
Zweites Gesetz zur Änderung des Umweltauditgesetz
Drucksache 17/6611

Frau/Herr PräsidentIn,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

wussten Sie eigentlich, dass es Atomkraftwerke mit dem Zertifikat „besonders umweltfreundlich“ gibt? Das bayerische Atomkraftwerk Isar1, das einen Tag nach dem Unfall von Fukushima abgeschaltet wurde, gehörte dazu. Auch Isar 2, das noch bis 2022 am Netz sein wird, ist als umweltfreundlich zertifiziert.

Wie das, frage ich mich? Was ist das für ein Unsinn? Aber nein, alles ging nach Recht und Gesetz zu. Das Umweltauditgesetz macht‘s möglich. Unternehmen, die sich freiwillig zu umweltfreundlichen Maßnahmen verpflichten, und diese von einem anerkannten Berater überprüfen lassen, können sich von eben diesem Berater zertifizieren lassen. Es gibt keine Mindestanforderungen, keine messbaren Kriterien für die Umweltleistungen eines Unternehmens. Nein, das Unternehmen setzt ein Umweltmanagement ein und das macht einen Plan und setzt sich seine Ziele selber. Da reichen oft schon Energiesparlampen und Recyclingpapier im Büro.

Kommen wir auf die bayerischen Atomkraftwerke zurück. Der Betreiber e-on hat regelmäßig in einem Bericht seine Umweltbemühungen im Atomkraftwerk Isar 2 veröffentlicht, die von einem anerkannten Berater geprüft wurden. Zu den Umweltaktivitäten gehörten neben der Pflege einer Orchideen-Wiese auch die saubere Mülltrennung. Na das wollen wir doch hoffen, dass in einem Atomkraftwerk der Müll getrennt wird. So jedenfalls wurde das Atomkraftwerk Isar 2 als umweltfreundliches Unternehmen zertifiziert.

Also Kolleginnen und Kollegen, wenn das nicht des Kaisers neue Kleider sind? Umweltgefahren, die von einem Atomkraftwerk ausgehen, wurden nicht bewertet. Oder denken wir an die radioaktiven Abfälle, die produziert werden, und kein Mensch weiß wohin damit für die nächsten Millionen von Jahren – all das spielt keine Rolle im Zertifizierungsverfahren, es gehört nicht zum „Prüfauftrag“.

Von einer ökologischen Visitenkarte der Unternehmen sprechen die einen, von Lug und Trug die anderen. Ich halte es da mit Immanuel Kant, der die Menschen auffordert, den Mut zu haben, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen. Und ich stelle einfach mal in den Raum, dass wir hier einem Zertifizierungswahn aufsitzen.

Nun gut, wenn Umweltaudit denn sein soll, dann sollten wir wenigstens versuchen, das Beste daraus zu machen. Aber nein, die Zertifikate werden praktisch zum Nulltarif verteilt und Unternehmen können damit ihr Image aufpolieren. Daran ändert leider auch der heutige Antrag nichts. Es geht um Formalien, um Zuständigkeiten und auch um Pfründen, die gesichert werden wollen. Welcher Gutachter darf wo in Europa zertifizieren, das wird jetzt geregelt. Um Inhalte geht es nicht. Und das ist Wasser auf die Mühlen der kritischen Stimmen, denn substanzielle Umweltanforderungen an die Unternehmen wird es auch künftig nicht geben, dafür aber jede Menge grüne Mäntelchen aus der Ramschkiste.